"Siegfried" als durchgeknallte Komödie

Von Stefan Keim · 01.08.2009
Er ist nicht Siegfried, sondern Seefred. In Drachenblut hat er nicht gebadet und auch keine Unverwundbarkeit erlangt. Seefred ist Sohn eines Gewürzhändlers. Sein Traum ist, Indien zu entdecken, viele verschiedene Curryvarianten mit nach Burgund zu bringen und dort ein gewinnbringendes Geschäft aufzumachen.
Aber weil Seefred genau zum gleichen Zeitpunkt geboren wurde wie Siegfried, wird er ständig mit dem Helden verwechselt. John von Düffel hat die Grundidee seiner Komödie "Das Leben des Siegfried" von der britischen Komikergruppe Monty Python geklaut. Sein Stück beginnt wie eine Hommage an den Film "Das Leben des Brian", in dem ein naiver junger Mann ständig mit Jesus verwechselt wird.

Den schwarzen, absurden Python-Humor auf die Bühne vor dem Wormser Dom zu übertragen, gelingt zunächst eher schleppend. Doch dann entwickelt Gil Mehmerts Inszenierung Charme und Witz. Mehmert parodiert Hollywood-Musicals der vierziger und fünfziger Jahre. Die Eisprinzessin Brünhild und Seefred kommen sich beim Schlittschuhlaufen näher, die Tarnkappenintrige – Seefred hilft König Gunther unsichtbar in der Hochzeitsnacht – wird in einer ausgefeilten Tanzchoreographie ausgeheckt. Das Ensemble serviert diese Szenen schwerelos leicht, mit cooler Selbstverständlichkeit.

John von Düffel, der sonst Thomas Mann für die Bühne bearbeitet und vielschichtige Romane schreibt, lässt keinen Kalauer aus. Natürlich sind nicht alle gut, aber die Menge macht´s. Schließlich lacht man über den Dänenkönig Tuborg, das unsinkbare Schiff Teutonic und zwei singende Raben, die Udo und Jürgens heißen.

Christoph Maria Herbst spielt den finsteren Hagen mit der egomanischen Unverschämtheit, die auch seinen Fernsehcharakter "Stromberg" auszeichnet. Hinreißend singt und tanzt der knubbelige Gustav Peter Wöhler als plötzlich heftig verliebter König Gunther. Nina Petri wechselt als Brünhild zwischen den hohen Tönen des Mythos und Genervtheiten des Walkürenalltags. Und auch die jungen, weniger bekannten Darsteller wie Mathias Schlung als Seefred, Susanne Bormann als hübsche Intelligenzbestie Kriemhild und Inga Busch als Amazone Frigga überzeugen. Gil Mehmert hat aus Fernsehstars und Bühnenschauspielern ein dicht zusammenspielendes Ensemble geschmiedet.

Und Siegfried? Der tritt in Gestalt von André Eisermann nur einmal stumm auf, mit nacktem Heldenoberkörper und wehenden Haaren. Erst am Schluss kommt er aus dem Rücken des Publikums, wundert sich, dass das Stück schon aus ist, beschwert sich, er sei doch die Hauptfigur. Nein, war er nicht, das war Seefred. Nachdem sich die Nibelungenfestspiele schon häufig mit den Mythen mühten, ist diese angenehm durchgeknallte Komödie ein schönes Satyrspiel, bevor es demnächst wieder ernsthafter ans Sterben geht.
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