300 Millionen Euro für das neue Konzerthaus?
In einem Werksviertel, wo einst Knödel und Mopeds produziert wurden, soll Münchens neues Konzerthaus entstehen. Eine Jury hat nun den Siegerentwurf gekürt. Gewonnen hat ein relativ kleines Architekturbüro aus Österreich. Spekuliert wird über die geplanten Kosten.
Ein Glasquader, der an einen gestürzten Blumenkübel erinnert. So wird Münchens neues Konzerthaus wohl aussehen – mitten im Werksviertel, wo früher Knödel und Mopeds hergestellt wurden. Heute eine Industriebrache.
"Unser Ansatzpunkt war natürlich auch dieses ehemalige Industriegebiet, wie kann man aus dieser Geschichte heraus auch einen Ansatz finden? Und für uns waren dann diese Speicherbauten, die es auch industriell gibt und auch im Industriegebieten üblich waren, dann so ein Ansatzpunkt, dass wir gesagt haben, wir bauen einen Klangspeicher und dieses Wort Klangspeicher hat uns dann sehr gut gefallen während diesem Arbeitsprozess."
Klangspeicher, Kathedrale, Musiktempel. Der Architekt Anton Nachbaur-Sturm aus Bregenz hat die Preisrichter überzeugt. Den Stuttgarter Architekten und Vorsitzenden der Jury Arno Lederer begeistert das Gesamtkonzept.
Arno Lederer: "Dieses Verhältnis zum Städtebau, diese Einmaligkeit, die es wirklich unterscheidet. Und wenn jemand in München dann mal ins Konzert geht, und er kommt aus Tokio oder er kommt aus New York, oder er kommt irgendwo anders her. Er wird dieses Haus nicht vergessen."
Der Entwurf folgt dem Trend zum Neo-Rustikalismus, den ja auch Berlins künftiges Museum der Moderne mit seinem gigantischen Giebeldach zu verfolgen scheint. Doch mal abgesehen von der Formensprache: Der Entwurf der Österreicher ist mit Abstand der Konsequenteste. Die 31 teilnehmenden Architekturbüros mussten einen großen und zwei kleine Konzertsäle sowie Räume für die Hochschule für Musik und Theater unter ein Dach bringen. Erklärt der Architekt Anton Nachbaur-Sturm.
Heterogener Haufen aus Werkshallen und Bürotürmen
"Aus diesen Überlegungen kam dann eigentlich auch dieser Ansatz, dass wir diese Säle nicht irgendwie ebenerdig nebeneinander positionieren, sondern dass wir diese Säle übereinander stapeln."
Damit strebt der künftige Bau in die Höhe – 45 Meter – und gewinnt eine beruhigende Dominanz über den heterogenen Haufen aus historischen Werkshallen, Büro- und Hoteltürmen, der ihn umgibt.
Unter den anderen Entwürfen der engeren Auswahl finden sich der Entwurf des britischen Stararchitekten David Chipperfield, der sich das Konzerthaus als eine Stufenpyramide mit begehbaren Terrassen vorstellt, die in den Augen der Jury wiederum zu eng geraten sind. Ebenfalls dabei der Berliner Architekt Volker Staab mit einem bescheidenen Entwurf in Form einer Fabrikhalle – zu bescheiden, befand die Jury. Das Büro der verstorbenen Architektur-Ikone Zaha Hadid spielt ebenfalls mit vorhandenen Form-Elementen des ehemaligen Industriegebiets – und entwirft ein Gewölbe aus siloartigen Zylindern.
Daniel Oden: "Das Nachfolgebüro hat eben dieses Werk geschaffen, was insbesondere bei den Fachpreisrichtern zu einem Wow-Erlebnis geführt hat."
Erzählt der Projektbeauftragte des Bauamts, Daniel Oden. Doch so originell und verspielt der Entwurf ist, - er hat entscheidende Nachteile. Die Räume der Hochschule haben nur noch unterirdisch Platz gefunden. Bei der Herausforderung ein Konzerthaus zu bauen geht es nicht nur um Signature, also die individuelle Handschrift eines Architekten, sondern vor allem um eine hervorragende Akustik.
Daniel Oden: "So eine Akustik wird natürlich – weiß man ja spätestens seit der Elbphilharmonie – die wird nicht gemacht vom Architekten, sondern eigentlich von dem Sonderfachmann, dem Raumakustiker, der sich eben auch diesen Saal, auch den kleinen Saal vornehmen wird. Und das, was wir erkannt haben in der Vorprüfung, ist dass der Siegerentwurf ein sehr hohes Potential hat, damit man tatsächlich am Ende dieses Entwurfsprozesses einen herausragenden akustischen Saal hat."
Kosten sind noch geheim
Auch Mitglieder des Symphonie-Orchesters des Bayerischen Rundfunks, das das Konzerthaus künftig bespielen wird, bestätigen, dass die Akustik als ein zentrales Kriterium berücksichtigt wurde. Auch der Backstagebereich soll auf die Bedürfnisse der Musiker ausgerichtet werden. So Orchestermanager Nikolaus Pont.
Nikolaus Pont: "Da gehören die Stimmzimmer dazu, da gehören Fragen dazu, wie: Gibt es Tageslicht in den Vorbereitungszimmern? Gibt es ausreichend Toiletten für die Damen im Orchester? Man muss nicht immer nur an die Damen im Publikum denken. Das sind alles Detailfragen, die da reinspielen."
Das Publikum soll ein klanglich brillantes, möglichst nahes Musikerlebnis bekommen. Anders als bei der Elbphilharmonie, in der die Zuschauerränge um das Orchester herum drapiert wurden – im sogenannten Weinbergprinzip – ist ein Großteil der Zuschauerränge in München relativ klassisch in der sogenannten Schuhschachtelbauweise, vor dem Orchester, angeordnet. Fünf bis sechs Jahre wird es wohl bis zur Eröffnung dauern. Baubeginn könnte schon kommendes Jahr sein. Bayerns Innen- und Bauminister Joachim Herrmann glaubt…
Herrmann: "... dass schon im kommenden Frühsommer die Bagger rollen und mit dem Aushub der Baugrube auf jeden Fall beginnen."
Zu den Kosten wollte das Land Bayern als Bauherr noch nichts sagen. Man wolle nicht die Fehler der Elbphilharmonie wiederholen und zu früh eine Summe nennen, heißt es aus der Jury. Bisher ist von etwa 300 Millionen Euro die Rede. Die muss der bayerische Landtag vor dem Bau noch absegnen.