Sieg über die Fremdherrschaft

Von Christoph Burgmer · 18.06.2013
Mit dem Putsch der "Freien Offiziere" begann für Ägypten eine ereignisreiche Zeit. Die Kolonialmacht Großbritannien wurde vertrieben, die Monarchie endgültig beseitigt. Höhepunkt dieser Umsturzphase war die Proklamation der ersten ägyptischen Republik im Jahr 1953.
Als der 53-jährige Armeegeneral Muhammad Naguib zum ersten Präsidenten ernannt wurde, begann in Ägypten eine neue Ära. Am 18. Juni 1953 wurde Ägypten zur Republik. In einem Interview beschrieb Präsident Muhammed Naguib die Ziele des ersten modernen ägyptischen Staates.

"Wenn ich das in kürzester Form ausdrücke, dann sind es erstens die Agrarreform und Landgewinnung, zweitens die Produktion sehr erhöhen auf allen Gebieten, drittens Hebung des Lebensstandards der Bevölkerung und schließlich die Vergrößerung der Industrie des Landes."

Der Republikgründung war knapp ein Jahr zuvor ein Staatsstreich der so genannten "Freien Offiziere" vorausgegangen. Die Monarchie war gestürzt worden und der letzte ägyptische König Faruq ins italienische Exil verbannt worden. Der Staatsstreich hatte nicht nur die Monarchie hinweggefegt, sondern auch die Kolonialherrschaft Großbritanniens beendet. Amerikanische und sowjetische Geheimdienste hatten die ägyptischen Putschisten ermutigt. Im Kalten Krieg unterstützten und nutzten die neuen Weltmächte die nationalen Unabhängigkeitsbestrebungen für den eigenen Vorteil. Im globalen Ringen um Einfluss und Rohstoffe war kein Platz mehr für die alte egoistische Kolonialpolitik Großbritanniens. Die innenpolitische Motivation für den Putsch der "Freien Offiziere" und die Gründung der ersten ägyptischen Republik beschrieb Anwar al Saddat, der später selbst ägyptischer Präsident werden sollte, damals so:

"Ägyptens jüngste Geschichte ist durch Korruption, Bestechung und fehlende Stabilität der Regierung charakterisiert: Faktoren, die großen Einfluss auf die Armee hatten. Die Korruption war verantwortlich für unsere Niederlage im Palästinakrieg 1948. Ich versichere dem ägyptischen Volk, dass die Armee ab jetzt ausschließlich in nationalem Interesse agiert, die Verfassung garantiert und keinerlei eigene Interessen verfolgt."

Die aus einfachen Verhältnissen stammenden Offiziere um Anwar al-Saddat und vor allem Gamal Abdel Nasser zogen in der neuen Republik zunächst im Hintergrund die Fäden. Jahrelang hatten beide innerhalb der Armee agitiert, was sich nun auszahlte. Über Jahre hatten sich die "Freien Offiziere" um Nasser erfolgreich um die Unterstützung von Liberalen, Muslimbrüdern und Arbeiterbewegung bemüht. Doch schon bald nach Republikgründung wurden die unterschiedlichen politischen Ziele deutlich. Ein kommunistisch inspirierter Streik der ägyptischen Arbeiterbewegung wurde gewaltsam niedergeschlagen. Und auch die versprochene Landreform stockte. Der Grundbesitz des Königs und das Land von in Ägypten lebenden Juden, Griechen und Kopten wurde unter den "Freien Offizieren" und ihren Unterstützern verteilt. Aber die neue arabisch-nationalistisch inspirierte ägyptische Republik wurde von den Muslimbrüdern bekämpft. Ihre islamischen Parolen machten sie im einfachen Volk beliebt und damit zur ernsthaften Bedrohung für die Offiziere um Gamal Abdel Nasser.

"1953 wollten wir wirklich ernsthaft mit den Muslimbrüdern zusammenarbeiten. Wir wollten einen gerechten Weg finden. Ich habe mich mit dem Führungsgremium getroffen. Und was haben sie gefordert? Zuerst sagten sie mir, ich müsse das Kopftuch in Ägypten einführen. Jede Frau, die die Straße betritt, sollte es tragen. Und ich habe ihnen geantwortet, dass meiner Ansicht nach, jeder frei wählen kann. Ich habe zu ihnen gesagt: Sie selbst haben eine Tochter, die Medizin studiert und an der Universität kein Kopftuch trägt. Wenn es Ihnen nicht gelingt, Ihrer eigenen Tochter das Kopftuch zu befehlen, wie soll ich es dann für 10 Millionen Ägypterinnen tun?"

Im Januar 1954 wurden alle Organisationen der Muslimbrüder verboten. Ihre Mitglieder wurden verfolgt, gefoltert und ermordet. Die erste ägyptische Republik mutierte bald zu einem Einparteienstaat unter der Führung Nassers. Die gesellschaftlichen Kräfte, die Nasser und seine Nachfolger über Jahrzehnte massiv unterdrückten, wurden erst im Laufe der ägyptischen Revolution 2011 wieder politisch wirksam. Seither ringen Islamisten und säkulare Gewerkschaften und Parteien um die Macht. Kritisch beobachtet von Militärs, die die erste ägyptische Republik einst gegründet hatten.