Sieben Mal "Krieg und Frieden"
Tolstois Roman "Krieg und Frieden", ein Mammutwerk von etwa 1600 Seiten, zu verfilmen, das erfordert Mut und ein hohes Budget. Deshalb haben sich gleich sieben europäische Produzenten an dem Projekt beteiligt. Als deutscher Partner war das ZDF mit von der Partie. Den ersten Teil des russischen Adels-Schicksals zeigt der Sender am Sonntag, den 6. Januar.
"Zar Alexander hat verfügt, dass Russland an der Seite Österreichs gegen Napoleon in den Krieg eintreten wird!"
Für Prinz Andrej ist der Kampf gegen die Franzosen eine willkommene Gelegenheit, dem Alltag mit seiner ungeliebten Ehefrau zu entfliehen. Sein Vater, Fürst Bolkonski, hofft auf Ruhm und Ehre für den Sohn:
"Ich bin sehr froh, dass du in den Krieg ziehen wirst. Die Pflicht muss immer an erster Stelle stehen."
Malcolm McDowell - vor 35 Jahren noch Anführer einer Jugendgang in Stanley Kubricks "Clockwork Orange" - spielt in der Romanverfilmung den grantigen Greis Bolkonski:
"Ein jähzorniger alter Kauz, ein Monster, aber auch ein Mann seiner Zeit. Er war selbst General in der Armee, hält die Tradition hoch, ist ein strikter Vorgesetzter und ein strenger, kontrollierender Vater. Solche Menschen gibt es bis heute. Eine großartige Rolle für jeden Schauspieler."
Europudding, so heißen in der Filmbranche Produktionen, an denen mehrere europäische Partner beteiligt sind. Im Fall von "Krieg und Frieden" haben sieben Nationen die Zutaten zur Gemeinschaftsspeise geliefert: Geld, Schauplätze und Personal.
"Wir haben auf Englisch gedreht. Und ich fragte: Wieso spricht mein Sohn mit italienischem Akzent? Ich weiß nicht, wie diese Schauspieler das schaffen. Es ist sehr schwierig, in einer fremden Sprache, Gefühle glaubhaft rüber zu bringen."
Die meisten Schauspieler, erinnert sich Regisseur Robert Dornhelm, waren des Englischen mehr oder minder mächtig. Bei dem Russen Dimitry Isaev, Darsteller von Nikolai Rostow, reichten die Vokabelkenntnisse allerdings über Yes und No nicht hinaus.
"Er war schlimm, der Dima Isaev: ein sehr begabter Bursche, aber so was von surreal, wie sich das abgespielt hat, wenn er ahnungslos den Leuten zugehört hat und nicht gewusst hat, was die reden. Und auf das Stichwort hin, ich musst ihm ein Zeichen machen: Jetzt kommt dein Einsatz, also wenn wir im russischen Spielfilm mitspielen müssten und die würden da slawisch plappern, und du wüsstest nicht, wann dein Stichwort kommt. Es ist schon kompliziert!"
Manchem Mimen sind die Mühen anzusehen: Toni Bertorelli als Fürst Kuragin und Violante Placido als seine Tochter Hélène machen mangelnde Sprachkenntnisse durch übertriebene Gesten wett. Jedes Lächeln erstarrt zu einer boshaften Visage - bis auch der letzte Zuschauer merkt: Diese beiden haben nichts Gutes im Sinn:
" »Sind wir nicht seine einzigen Erben? Nein nicht ganz. Wir müssen sicherstellen, dass niemand das große Finale verdirbt.""
Von solchem Seifenopern-Gehabe hebt sich der deutsche Hauptdarsteller Alexander Beyer wohltuend ab. Leise und überzeugend spielt er den leicht vertrottelten Pierre, der - obwohl unehelich geboren - Titel und Vermögen seines Vaters, des Grafen Besuchow, erbt.
Regisseur Robert Dornhelm bleibt erstaunlich nah an der Romanvorlage: Er schildert das Schicksal der Familien Rostow, Bolkonski und Besuchow-Kuragin, ohne der Versuchung zu erliegen, eine Figur in den Vordergrund zu rücken, und schafft so ein Panoramagemälde der russischen Adelsgesellschaft Anfang des 19. Jahrhunderts: kein Historienschinken, sondern ein Bild mit Bezügen zur Gegenwart.
"Ich mach keine historischen Stoffe, rein um in das Museum zu gehen, weil uns - dem Publikum - die alten Biedermeierkleider gut gefallen. Aber die Bezüge sind: Warum gehen Männer in den Krieg? Wir haben ja einen Krieg, der da vor unseren Augen abläuft und die Frage kann man ja wieder stellen. Und warum funktioniert die Ehe nicht als Institution? Also, es gibt schon viele Ansatzpunkte, wo ein heutiges, modernes Publikum sich mit diesem Stoff identifizieren kann."
Prinz Andrej stellt er als Sohn dar, der nie gelernt hat, sich gegen den autoritären Vater durchzusetzen. Ein Konflikt, der bis heute aktuell ist. Vermeintliche Kriegsheroen entlarvt der Film als ruhmsüchtige Egoisten, desillusionierte Mitläufer oder naive Schwärmer:
"Lang lebe Russland. Lang lebe Zar Alexander."
27.000 Millionen Euro standen für das Projekt zur Verfügung. Trotz des hohen Budgets keine einfache Aufgabe für den Regisseur, der sich nicht selten als Diener siebener Herren fühlte.
"Wenn man versucht, sie alle glücklich zu machen, kommt dabei Wahnsinn heraus. Ich hab am Anfang das versucht und dann hab ich sie nur reden lassen und hab genau gewusst: Die Italiener wollten Amore, Amore, die Deutschen mehr Krieg, die Franzosen intellektuelles Zeug. Also, wenn man wirklich jedem das seine gegeben hätte, wäre - ich weiß nicht was - dabei herausgekommen. Man hat sich alle Argumente angehört und genickt: Na selbstverständlich kriegen Sie mehr Liebe, mehr Krieg und mehr intellektuelle Sachen. Und am Ende haben wir unseren Film gemacht."
Trotzdem lässt sich nicht übersehen, dass Dornhelm Zugeständnisse an seine Auftraggeber macht. Damit das Rezept für den Europudding allen Koproduzenten mundet, setzt der Regisseur auf altbewährte Zutaten: Glanz und Gloria auf hochherrschaftlichem Tanzparkett, schmucke Uniformen und Kanonengetöse übergossen mit einer Sauce synthetischer Geigenklänge.
Das Resultat ist solide europäische Gemeinschaftskost, passabel im Geschmack, aber weit entfernt von den zarten Genüssen, mit denen das ZDF das Publikum in seinen Sternstunden verwöhnt. 2007 etwa mit der Tragikkomödie "Eine andere Liga" von Buket Alakus oder dem DDR-Drama "An die Grenze" von Urs Egger. Solche Filme entstehen am kleinen Herd und nicht in der europäischen Großküche.
Das ZDF zeigt den ersten Teil der Verfilmung von "Krieg und Frieden" am Sonntag, den 6. Januar, um 20.15 Uhr; die weiteren Folgen am 9., 13. und 16. Januar.
Für Prinz Andrej ist der Kampf gegen die Franzosen eine willkommene Gelegenheit, dem Alltag mit seiner ungeliebten Ehefrau zu entfliehen. Sein Vater, Fürst Bolkonski, hofft auf Ruhm und Ehre für den Sohn:
"Ich bin sehr froh, dass du in den Krieg ziehen wirst. Die Pflicht muss immer an erster Stelle stehen."
Malcolm McDowell - vor 35 Jahren noch Anführer einer Jugendgang in Stanley Kubricks "Clockwork Orange" - spielt in der Romanverfilmung den grantigen Greis Bolkonski:
"Ein jähzorniger alter Kauz, ein Monster, aber auch ein Mann seiner Zeit. Er war selbst General in der Armee, hält die Tradition hoch, ist ein strikter Vorgesetzter und ein strenger, kontrollierender Vater. Solche Menschen gibt es bis heute. Eine großartige Rolle für jeden Schauspieler."
Europudding, so heißen in der Filmbranche Produktionen, an denen mehrere europäische Partner beteiligt sind. Im Fall von "Krieg und Frieden" haben sieben Nationen die Zutaten zur Gemeinschaftsspeise geliefert: Geld, Schauplätze und Personal.
"Wir haben auf Englisch gedreht. Und ich fragte: Wieso spricht mein Sohn mit italienischem Akzent? Ich weiß nicht, wie diese Schauspieler das schaffen. Es ist sehr schwierig, in einer fremden Sprache, Gefühle glaubhaft rüber zu bringen."
Die meisten Schauspieler, erinnert sich Regisseur Robert Dornhelm, waren des Englischen mehr oder minder mächtig. Bei dem Russen Dimitry Isaev, Darsteller von Nikolai Rostow, reichten die Vokabelkenntnisse allerdings über Yes und No nicht hinaus.
"Er war schlimm, der Dima Isaev: ein sehr begabter Bursche, aber so was von surreal, wie sich das abgespielt hat, wenn er ahnungslos den Leuten zugehört hat und nicht gewusst hat, was die reden. Und auf das Stichwort hin, ich musst ihm ein Zeichen machen: Jetzt kommt dein Einsatz, also wenn wir im russischen Spielfilm mitspielen müssten und die würden da slawisch plappern, und du wüsstest nicht, wann dein Stichwort kommt. Es ist schon kompliziert!"
Manchem Mimen sind die Mühen anzusehen: Toni Bertorelli als Fürst Kuragin und Violante Placido als seine Tochter Hélène machen mangelnde Sprachkenntnisse durch übertriebene Gesten wett. Jedes Lächeln erstarrt zu einer boshaften Visage - bis auch der letzte Zuschauer merkt: Diese beiden haben nichts Gutes im Sinn:
" »Sind wir nicht seine einzigen Erben? Nein nicht ganz. Wir müssen sicherstellen, dass niemand das große Finale verdirbt.""
Von solchem Seifenopern-Gehabe hebt sich der deutsche Hauptdarsteller Alexander Beyer wohltuend ab. Leise und überzeugend spielt er den leicht vertrottelten Pierre, der - obwohl unehelich geboren - Titel und Vermögen seines Vaters, des Grafen Besuchow, erbt.
Regisseur Robert Dornhelm bleibt erstaunlich nah an der Romanvorlage: Er schildert das Schicksal der Familien Rostow, Bolkonski und Besuchow-Kuragin, ohne der Versuchung zu erliegen, eine Figur in den Vordergrund zu rücken, und schafft so ein Panoramagemälde der russischen Adelsgesellschaft Anfang des 19. Jahrhunderts: kein Historienschinken, sondern ein Bild mit Bezügen zur Gegenwart.
"Ich mach keine historischen Stoffe, rein um in das Museum zu gehen, weil uns - dem Publikum - die alten Biedermeierkleider gut gefallen. Aber die Bezüge sind: Warum gehen Männer in den Krieg? Wir haben ja einen Krieg, der da vor unseren Augen abläuft und die Frage kann man ja wieder stellen. Und warum funktioniert die Ehe nicht als Institution? Also, es gibt schon viele Ansatzpunkte, wo ein heutiges, modernes Publikum sich mit diesem Stoff identifizieren kann."
Prinz Andrej stellt er als Sohn dar, der nie gelernt hat, sich gegen den autoritären Vater durchzusetzen. Ein Konflikt, der bis heute aktuell ist. Vermeintliche Kriegsheroen entlarvt der Film als ruhmsüchtige Egoisten, desillusionierte Mitläufer oder naive Schwärmer:
"Lang lebe Russland. Lang lebe Zar Alexander."
27.000 Millionen Euro standen für das Projekt zur Verfügung. Trotz des hohen Budgets keine einfache Aufgabe für den Regisseur, der sich nicht selten als Diener siebener Herren fühlte.
"Wenn man versucht, sie alle glücklich zu machen, kommt dabei Wahnsinn heraus. Ich hab am Anfang das versucht und dann hab ich sie nur reden lassen und hab genau gewusst: Die Italiener wollten Amore, Amore, die Deutschen mehr Krieg, die Franzosen intellektuelles Zeug. Also, wenn man wirklich jedem das seine gegeben hätte, wäre - ich weiß nicht was - dabei herausgekommen. Man hat sich alle Argumente angehört und genickt: Na selbstverständlich kriegen Sie mehr Liebe, mehr Krieg und mehr intellektuelle Sachen. Und am Ende haben wir unseren Film gemacht."
Trotzdem lässt sich nicht übersehen, dass Dornhelm Zugeständnisse an seine Auftraggeber macht. Damit das Rezept für den Europudding allen Koproduzenten mundet, setzt der Regisseur auf altbewährte Zutaten: Glanz und Gloria auf hochherrschaftlichem Tanzparkett, schmucke Uniformen und Kanonengetöse übergossen mit einer Sauce synthetischer Geigenklänge.
Das Resultat ist solide europäische Gemeinschaftskost, passabel im Geschmack, aber weit entfernt von den zarten Genüssen, mit denen das ZDF das Publikum in seinen Sternstunden verwöhnt. 2007 etwa mit der Tragikkomödie "Eine andere Liga" von Buket Alakus oder dem DDR-Drama "An die Grenze" von Urs Egger. Solche Filme entstehen am kleinen Herd und nicht in der europäischen Großküche.
Das ZDF zeigt den ersten Teil der Verfilmung von "Krieg und Frieden" am Sonntag, den 6. Januar, um 20.15 Uhr; die weiteren Folgen am 9., 13. und 16. Januar.