"Sie war wunderbar"

Moderation: Vladimir Balzer |
In ihrem neuen Buch über die berühmte Mutter - "Ingrid Bergman - Ein Leben in Bildern" - präsentiert Isabella Rossellini nie gesehene Fotos aus dem Familienarchiv. Ihre Mutter sei sehr modern und ein Vorbild für sie gewesen, sagte die 62-jährige Schauspielerin und Regisseurin. Zugleich deutete sie ihren eigenen Rückzug aus dem Filmgeschäft an.
Vladimir Balzer: Was für eine Mutter war Ingrid Bergman?

Isabella Rossellini: Sie war nicht nur eine wunderbare Mutter, sie war auch eine tolle Person. Charmant, spielerisch, warm, präsent. Sie war wunderbar.

Balzer: Die Mutterrolle war ja damals in den 50ern und 60ern etwas anderes als heute. Wie verstand sie sich? Sie war ja beides – Mutter und sehr erfolgreiche Schauspielerin – was damals auch nicht unbedingt selbstverständlich war. Hatte Ingrid Bergman schon einen modernen Begriff vom Mutter-Dasein?

Rossellini: Ja, sie war sehr modern! Sie kam ja aus Schweden. Dort waren Frauen schon sehr emanzipiert. Sie hatten einen Beruf. In Italien, wo sie dann mit meinem Vater lebte – dort blieben viele Frauen zu Hause. Sie war eine der ersten Frauen dort, die eine eigene Karriere machten, ihre eigenen Entscheidungen trafen. In diesem Sinne war sie sehr modern. Für mich ein gutes Vorbild.


Balzer: Wie hat Ihr Vater Roberto Rossellini dies gesehen? War das einfach für ihn zu akzeptieren?

Rossellini: Mein Vater war sehr altmodisch. Er war als Filmemacher sehr modern, ein Avantgardist. Aber wenn es um seine Familie und seine Frau ging, dann war er doch sehr italienisch und altmodisch. Allein seine Eifersucht und seine Beschützerinstinkte … Aber er war auch sehr präsent, sehr warm, sehr angenehm. Ein moderner Mann war er nie. Meine Mutter war viel moderner.

Balzer: Ihre Mutter war Schauspielerin, Sie sind es. Sie haben schon viele Angebote bekommen, ihr Leben zu spielen, sogar von "Casablanca II" war die Rede. Schließen Sie das völlig aus, Ihre Mutter in einem Film darzustellen oder ihr in einer Rolle zu folgen? Es ist letztlich die Frage nach der Distanz zu einer so übergroßen Figur wie Ingrid Bergman.

Rossellini: Als meine Mutter in "Casablanca" spielte, war sie Mitte 20. Ich bin jetzt 62. Also alt! Casablanca war ein Klassiker. So was kann man kaum fortführen. Schon allein, weil ein Film wie dieser selbst weiterlebt, ohne Hilfe. Na ja, also, wenn ein Regisseur wie Wim Wenders käme und hätte eine völlig neue Idee, eine ganz neue Herangehensweise, würde ich mir das anhören. Aber im Moment ist das reine Spekulation. Es gibt auch kein Projekt in diese Richtung.

Balzer: Zum Buch, das Sie jetzt herausgeben. Ein umfangreicher Band mit vielen Fotos, einige die noch nie zu sehen waren. Wie haben Sie sie ausgewählt?

Rossellini: Meine Mutter hatte ein großes Archiv. Das ist inzwischen an der Wesleyan University in Connecticut: Fotos, Posters, Verträge, Briefe. Sie sagte immer: Ich arbeite für eine neue Kunstform, ich arbeite mit den besten Künstlern dieses Fachs. Ich bewahre alles auf, weil eines Tages das Kino anerkannt sein wird als eine große Kunst – mit Museen und Archiven. Als sie 1982 starb, war ihr Ziel noch nicht erreicht. Inzwischen schon. Zum Archiv meiner Mutter kam noch das hinzu, was wir – also unsere Familie – nach ihrem Tod noch gesammelt haben. Oder was wir bekamen, etwa von den Agenturen Magnum und Getty.

Balzer: Gibt es ein Foto von ihr, das Sie am meisten mögen?

Rossellini: Viele kannte ich noch nicht. Zum Beispiel Yul Brynner. Mit ihm spielte sie ihn "Anastasia". Er war ein talentierter Amateurfotograf. Es gab viele Fotos, die er von meiner Mutter machte. Einige davon sind jetzt im Buch. Oder auch Robert Capa. Mit ihm war meine Mutter befreundet. Doch seine Fotos von ihr hat er nie veröffentlicht. Auch die sind jetzt zu sehen.

Balzer: Noch eine Frage zu Ihnen. Werden wir Sie denn demnächst im Kino sehen können? Oder wollen Sie nur noch Regisseurin sein, oder was haben sie jetzt vor?

Rossellini: Ich bin im Ruhestand! Ich bin noch mit einem Monolog unterwegs. Das ist alles. Also wenn was ganz außergewöhnliches käme – dann würde ich darüber nachdenken, aber ich habe auch keinen Agenten mehr.

Balzer: Warum?

Rossellini: Ich bin alt!

Balzer: Entschuldigung, wenn ich das sage, aber Sie sind nicht alt. 62 ist doch heute kein Alter.

Rossellini: Ich bin gesundheitlich angeschlagen. Ich kann nicht mehr allzu viel arbeiten.

Balzer: Müssen wir uns Sorgen machen?

Rossellini: Ich werde überleben. Aber ich werde nicht mehr sehr aktiv sein können.

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Die schwedische Schauspielerin Ingrid Bergman, aufgenommen 1946
Die schwedische Schauspielerin Ingrid Bergman, aufgenommen 1946.© picture-alliance/ dpa
Rossellini, Isabella / Schirmer, Lothar (Hg.): Ingrid Bergman - Ein Leben in Bildern
Schirmer / Mosel, München 2013
528 Seiten, 385 Abbildungen, 98 Euro