"Sie war ja die Tochter aus gutem Hause"

Peter Claus im Gespräch mit Ulrike Timm |
Der Filmkritiker Peter Claus würdigt die verstorbene Schauspielerin Liz Taylor. Sie sei eine der großen Schauspielerinnen des 20. Jahrhunderts gewesen.
Ulrike Timm: Die Schauspielerin Liz Taylor - heute ist sie im Alter von 79 Jahren gestorben, und wir wollen sie würdigen im Gespräch mit Peter Claus. Guten Tag, ich grüße Sie!

Peter Claus: Ich grüße Sie herzlich!

Timm: Herr Claus, die "Cleopatra", war das die Rolle ihres Lebens in vielerlei Hinsicht?

Claus: Das war die Rolle ihres Lebens, und das war die schlimme Rolle für Hollywood, denn die Dreharbeiten zogen sich unter anderem wegen der Launen der Diva Liz Taylor - Selbstmordversuche, Alkoholprobleme und Ähnliches - hin und hin und hin, und das produzierende Studio Twentieth Century Fox ist kollabiert. Und das war das Zeichen für das Ende des klassischen Studiosystems, aus dem Elizabeth Taylor zuvor bei der großen Firma MGM als Kinderstar aufgebaut, aus dem sie ja hervorgegangen ist.

Timm: Es ist eigentlich erstaunlich, dass sie bei allen ihren Skandalen noch so ein paar wirklich unbestritten tolle Filme hingelegt hat wie zum Beispiel "Wer hat Angst vor Virginia Woolf", dafür bekam sie einen Oscar, wie sie sich als Martha durch diese Rolle, ja, soff muss man fast sagen. Wie war das eigentlich bei dieser Frau verteilt, die Eskapaden, die Begabungen, die Ausstrahlung, die Männer und die Kunst?

Claus: Das war glaube ich ungleich verteilt, vor allen Dingen für ihren Seelenfrieden. Sie war ja die Tochter aus gutem Hause, der Vater Kunsthändler, die Mutter eine Schauspielerin, die ihre gescheiterten Träume auf die Tochter übertragen hat und die Zehnjährige wirklich nach Hollywood geboxt hat.

Und das hat dieses Mädchen nie verwunden. Ich konnte sie einmal persönlich beobachten – ich habe sie nicht kennengelernt, sie war auch im hohen Alter noch ein scheues, kleines Mädchen, das dann mit überzogener Arroganz ... ich habe erlebt, wie sie ein ganzes Restaurant hat umräumen lassen, weil ihr der Tisch an der Stelle nicht passte, und das wurde damals in Italien auch noch gemacht vor 20 Jahren.

Die kam damit nicht zurecht, mit dem Ruhm, und auf der anderen Seite war sie wirklich eine begnadete Schauspielerin. Das hat sie schon in dem Film bewiesen als Gloria, als Callgirl, das sich unglücklich verliebt in einen verheirateten Mann, für den sie den ersten Oscar bekommen hat, "Telefon Butterfield 8", das war im Jahr 1960, und das hat sie auch später manchmal mit ganz kleinen Rollen bewiesen, und mit dem leider sehr vergessenen, meines Erachtens besten Film, den sie je gedreht hat, 1967 war das, "Spiegelbild im goldenen Auge" von Regisseur John Huston, der es verstand, diese schöne Frau, ja, auch als Spiegelbild einer ganz brutalen Gesellschaft einzusetzen, wo es nur darum geht: Frisst du mich nicht, dann habe ich die Chance, dich zu fressen.

Timm: Schade, dass dieser Film gar nicht so bekannt geworden ist. Ihre berühmtesten Filme, anspruchsvollen Filme sind ja auch eng verbunden mit dem Namen von Tennessee Williams, der in diesen Tagen 100 Jahre alt wird, ich denke an "Die Katze auf dem heißen Blechdach" oder "Plötzlich letzten Sommer". Ist das auch ein Stil des amerikanischen Kinos, des Hollywood-Kinos, der uns, vielleicht in manchen Bereichen sogar schade, verloren gegangen ist?

Claus: Das kann man nur mit dickem Ausrufungszeichen versehen. Das war eine Zeit, da man versucht hat, erwachsene Zuschauer im Kino zu faszinieren mit erwachsenen Geschichten, mit höchst fragilen Charakterzeichnungen, und dafür war die Taylor die ideale Darstellerin. Nachdem Vivien Leigh durch ihre Krankheit, die Hauptdarstellerin in "Vom Winde verweht", sich ja immer mehr – sie war psychisch krank – aus dem Filmgeschäft zurückziehen musste, hat Elizabeth Taylor deren Rolle eingenommen.

Und vergleichbar gibt es eigentlich nur noch eine Schauspielerin heute, und das ist Maryl Streep, die Rollen solchen Formates ausfüllen kann, sowohl mit ihrer Figur als auch mit ihrem Talent. Die Taylor war ja erst mal von Hollywood auch als Fleischbrocken aufgebaut, um es mal so deutlich zu sagen, die war ein ganz frühes, ganz starkes Sexsymbol, die war ein Teeniestar Ende der 40er-Jahre, mit engen Pullovern wurden die Kurven betont, und wie die es geschafft hat sich, mit manchmal wirklich kluger Rollenwahl – da hat sie später selbst gesagt, das war nichts als Instinkt – da rauszuarbeiten und als Charakterdarstellerin von Format zu etablieren, da kann man nur seinen Hut ziehen.

Timm: Nichts als Instinkt, sagen Sie – das hat sie ja auch weit gebracht. Sie war mal dick, mal dünn, sie hatte immer auf jeden Fall eine große erotische Ausstrahlung, auch wenn man die Filme vielleicht gar nicht so gemocht hat. Was aber schaderweise vor allen Dingen mit ihrem Namen verbunden war, sind Männer. Ich habe jetzt nicht gezählt, wie oft sie geheiratet hat, aber Richard Burton allein drei Mal, wenn ich es richtig erinnert habe. Was war das für eine Beziehung, die eigentlich selbst ein Stück Kino war?

Claus: Die wurde ja im Kino beziehungsweise zunächst im Fernsehen auch reflektiert, 1973, zwei Teile, lief damals auch im bundesdeutschen Fernsehen, "Seine Scheidung, ihre Scheidung", da haben sie sich im Grunde über sich selber lustig gemacht. Aber sie waren ein sehr unglückliches Paar, zwei Menschen, die auch ein Alkoholproblem, Drogenprobleme hatten, die sich versucht haben, aneinander festzuhalten. Ehemann Nummer drei, Michael Todd, der Regisseur des Films "In 80 Tagen um die Welt", war bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen und die Taylor hat noch im hohen Alter gesagt, das war eigentlich die ganz große Liebe meines Lebens und ich habe den Tod dieses Mannes nie verwunden.

Und sie hat Richard Burton gnadenlos ausgenutzt, das hat sie auch immer zugegeben, als Schauspiellehrer, so wie sie manche ihrer Kollegen benutzt hat, sie hat ja nie Schauspielunterricht gehabt professioneller Art. Neben Richard Burton waren es vor allem zwei Freunde, Montgomery Clift und Rock Hudson, denen sie auch nach ihrem frühen Tod in beiden Fällen wie sie selbst gesagt hat bis zum Ende immer noch gedankt hat und auf den Füßen gekniet hat, weil die ihr alles beigebracht haben, was wirklich für sie wichtig war und sie zu einer der großen Schauspielerinnen des 20. Jahrhunderts gemacht hat.

Timm: Eine große Diva, eine Instinktschauspielerin und trotzdem eine ganz große Darstellerin ist heute gestorben, Liz Taylor wurde 79 Jahre alt, für immer verbunden mit dem Film "Die Katze auf dem heißen Blechdach" oder "Plötzlich letzten Sommer". Peter Claus, herzlichen Dank!

Claus: Gern!