Britische Beats und kolumbianischer Rhythmus

Für den britischen Musiker Richard Blair begann Sidestepper als Studioprojekt - vor knapp 20 Jahren. Mittlerweile ist daraus in Kolumbien eine richtige Band geworden. Jetzt erscheint das neue Album, das fast ein politisches Statement ist, so Blair.
So klang das Debüt von Sidestepper vor 15 Jahren. Richard Blair war fünf Jahre zuvor nach Kolumbien gezogen – weg aus dem England der Nach-Thatcher-Ära in wärmere Gefilde. Im Gepäck hatte er neben den damals üblichen Computern auch jede Menge Drum & Bass-Beats, die er mit seiner Vorstellung von lateinamerikanischer Musik – überwiegend Salsa im New Yorker Sound – in seinem kleinen Studio aufnahm. Doch als dann bald auch kolumbianische Rhythmen dazu kamen, da markierte der Engländer einen Generationswechsel in der Musikszene des kleinen lateinamerikanischen Landes.
Plattenfirma kündigte den Vertrag
All die Musiker der heute so bekannten Bands wie Bomba Estereo oder Systema Solar waren damals in den Konzerten von Sidestepper, nahmen den Sound auf und entwickelten ihn weiter. Nur Sidestepper selbst legten eine kreative Zwangspause ein. Ihre Plattenfirma hatte sie nicht nur nicht unterstützt, sie hatten schließlich sogar den Vertrag gekündigt. Erst 2009 begann Richard Blair mit einigen verbliebenen Musikern an neuem Material zu arbeiten.
"Für mich ist das neue Album fast ein politisches Statement. Nach 25 Jahren, also seit den späten 80ern, leben wir mit elektronischen Beats. In den frühen 90ern war das so neu und frisch in England wurden die Beats mit indischer Musik gemixt, auch in Afrika wurden diese Beats aufgenommen. Nur in Lateinamerika kam das nicht an. Nur ganz oberflächlich spielte man etwas amerikanische Housemusik, die souligen Grooves aus Chicago. Keiner hat das hier in Kolumbien vertieft und für mich schien das damals ganz natürlich. Aber seit damals hat sich kaum etwas geändert! Wir hören noch immer die gleichen Beats und Sounds. Es gibt nur Reggaeton und billige Housemusik. Da ist nichts besonderes oder neues dabei."
"Für mich ist das neue Album fast ein politisches Statement. Nach 25 Jahren, also seit den späten 80ern, leben wir mit elektronischen Beats. In den frühen 90ern war das so neu und frisch in England wurden die Beats mit indischer Musik gemixt, auch in Afrika wurden diese Beats aufgenommen. Nur in Lateinamerika kam das nicht an. Nur ganz oberflächlich spielte man etwas amerikanische Housemusik, die souligen Grooves aus Chicago. Keiner hat das hier in Kolumbien vertieft und für mich schien das damals ganz natürlich. Aber seit damals hat sich kaum etwas geändert! Wir hören noch immer die gleichen Beats und Sounds. Es gibt nur Reggaeton und billige Housemusik. Da ist nichts besonderes oder neues dabei."
Also wurden alle elektronischen Beats von Sidestepper verbannt, selbst die Bassdrum verschwand. Und immer wenn die Musiker etwas Zeit hatten, dann wurde Neues ausprobiert. Richard Blair konzentrierte sich mehr auf Harmonien, nahm unzählige Ideen seiner Musiker auf und erst im letzten Jahr ging er daran, diese Ideen und Songs zu einem gemeinsamen Sound zu vereinen – eine Platte zu produzieren aus unzähligen Ideen. Der Sound sollte einen neuen Stil unterstreichen – einen Cumbia-Beat ohne herkömmliche Beats.
"Ich weiß, dass das Publikum in London, Berlin oder Frankfurt den tropischen Sound immer gefiltert liebt. Nicht ganz so ausschweifend und direkt. Deshalb war ja Dub in Europa so erfolgreich – wegen dieser gewissen Distanz. Aber diesmal kam ich nicht an diesen Punkt. Ich wusste nicht, wie. Ich lebe so lange hier, bin kolumbianisiert inzwischen. Deswegen ist unser Sound irgendwo in der Mitte, nicht mehr so europäisch."
Einzug der europäischen Oberflächlichkeit
Seit dem Ende des Bürgerkrieges und seit Kolumbien nicht mehr nur als Sitz der Drogenkartelle angesehen wird, kommen viele westliche Musiker in das Land, um dort Platten aufzunehmen, sich inspirieren zu lassen. Will Holland alias Quantic ebenso wie der britische Reggea-Produzent Adrian Sherwood. Nach Jahren der Isolation, in denen alles, was aus dem Ausland kam, als besser erschien, hält nun aber auch das Einzug, was Richard Blair als europäische Oberflächlichkeit beschreibt. Gegen beides stemmt sich der kolumbianische Brite und versucht mit seiner Band einen Gegenentwurf vorzuleben.
"Wir fünf haben dieses Album ganz allein in unserer Nachbarschaft aufgenommen, haben alles selbst gemacht. Es wurde hier geschrieben, hier aufgenommen. Wir sind nicht nach London in ein schickes Studio gefahren. Man kann das auch hier machen! Man braucht das andere nicht."
Und das war bzw. ist auch die größte Errungenschaft, die Richard Blair für sich selbst realisierte. Sich einfach auf das zu beschränken, was man vor Ort zur Verfügung hat. Man kann von den Sternen träumen, darf aber nicht daran verzweifeln, keine amerikanische Rakete zu haben, um zu ihnen zu fliegen. Dann muss man halt eine eigene, kolumbianische Rakete bauen. Die sieht vielleicht nicht so schick aus, hat dafür aber andere Eigenschaften. Er selbst kann es sich gar nicht mehr vorstellen, mit der gleichen Einstellung nach Kolumbien zu reisen, wie er sie vor 25 Jahren hatte. So viel hat sich für ihn gewandelt und er ist unglaublich dankbar dafür.