Sicherheit

Klarheit für die deutsche Außenpolitik

Bundespräsident Joachim Gauck spricht am 21.05.2014 in Hamburg im Schauspielhaus bei der Eröffungsfeier zum deutschen Stiftungstag 2014.
Bundespräsident Joachim Gauck hat gefordert, Deutschland müsse mehr Bereitschaft zeigen, sich in internationalen Krisen zu engagieren - auch militärisch. © picture alliance / dpa / Axel Heimken
Von Sylke Tempel · 26.06.2014
Was müsste an der deutschen Außenpolitik geändert werden? Die Debatte über diese Frage sei richtig und wichtig, meint die Journalistin Sylke Tempel. Sie wünscht sich Klarheit auch für unangenehme Einsichten.
Es kommt selten vor, dass ein Minister geradezu darum bittet, kritisiert zu werden. Doch warum stellt Frank Walter Steinmeier sein Metier gleich zu Beginn seiner Amtszeit auf den Prüfstand? Die Antwort ist recht simpel: Weil es natürlich nicht um ihn geht, sondern um Deutschlands Rolle in der Welt. Weil seit geraumer Zeit schon die Forderung an Berlin gestellt wird, sich doch mehr zu engagieren; nicht nur ökonomisch ein Riese zu sein, sondern auch politisch mehr Gewicht zu zeigen.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.© dpa/Daniel Naupold
Die deutsche Politik hat darauf auch reagiert. Gleich drei hochrangige Repräsentanten der Bundesrepublik - Präsident Joachim Gauck, Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen - haben während der Münchener Sicherheitskonferenz Anfang Februar dieses Jahres betont, dass Deutschland sich früher, entschiedener und substanzieller einbringen wolle.
Die Welt hat sich seit 1989 radikal verändert
In der Öffentlichkeit ist das häufig als Aufruf zu mehr Militäreinsätzen verstanden worden. Genau das aber war nicht gemeint. Vielmehr beginnt das neue Nachdenken über unsere Außenpolitik damit, zwei geradezu banalen Feststellungen zur Kenntnis zu nehmen: Die Welt hat sich seit 1989 radikal verändert und Deutschland wird zum ersten Mal in seiner neueren Geschichte als Macht empfunden, die nicht zu bedrohlich, sondern zu zurückhaltend ist.
Die Erwartungen internationaler Partner können die Deutschen nicht kalt lassen. Denn schließlich stehen immer auch unsere Interessen auf dem Spiel. Als Exportnation, die in der jüngsten Weltwirtschaftskrise bislang relativ unbeschadet geblieben ist, brauchen wir eine Ordnung, die darauf beruht, dass Regeln eingehalten werden; Verfahren, die dafür sorgen, dass Streitigkeiten friedlich und möglichst im Konsens beigelegt werden. Und ja, auch sichere Handelswege und eine Energieversorgung, die auch politische Krisen überstehen kann.
Russland und China sehen sich eher als Gegenmodelle
Lange Zeit haben wir geglaubt, dass Wirtschaftskraft und Ansehen schon fast von allein dazu beitragen könnten, eine einigermaßen friedliche Welt herbeizuzaubern. Dass man auch autoritäre Staaten nur freundlich einbinden müsste, damit auch sie irgendwann auf den Pfad des Friedens und der Achtung von Menschenrechten gelangen. Wie schon in den 70er-Jahren hieß die Devise "Wandel durch Annäherung".
Das war ein Irrtum. Die Welt ist alles andere als friedlicher geworden und von einer Annäherung an das westliche Modell der Demokratie plus Marktwirtschaft kann schon gar nicht die Rede sein. Russland und China sehen sich eher als Gegenmodell - das als ein orthodox-konservatives, das andere als kommunistisch-kapitalistisch-konfuzianisches.
Aus dem arabischen Aufbruch ist eine arabische Katastrophe von Libyen bis Irak geworden. Und in unmittelbarer Nachbarschaft setzt Moskau alles dran, die Ukraine zu einem gescheiterten Staat werden zu lassen. Die deutsche Politik - aber auch die deutsche Öffentlichkeit - kann nicht mehr so tun, als fände das alles weit, weit weg statt.
Nein, dann geht es immer noch nicht um mehr Militäreinsätze, sondern darum in den Samthandschuh, den Deutschland lange trug, ein bisschen mehr Kraft zu stecken. Gemeinsam mit Großbritannien, Frankreich und Polen eine europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf die Beine zu stellen, die ihren Namen auch verdient. Die Fähigkeit und den Willen aufzubringen, beispielsweise selbst Kapazitäten für die Sicherheit im Cyberraum aufzubringen. Der Ukraine zu helfen, ihre Grenzen gegen das Eindringen russischer Waffen und Kämpfer zu schützen. Was wichtig ist für die deutsche Außenpolitik? Eine klare Einsicht: Dass mehr gefragt als Wirtschaftsmacht und Ansehenspflege durch allseitige Nettigkeit.
Dr. Sylke Tempel, Jahrgang 1963, studierte Politologie, Geschichte und Judaistik, bevor sie für verschiedene Zeitungen als Korrespondentin aus dem Nahen Osten berichtete.
Sylke Tempel
Sylke Tempel© Marco Limberg
Derzeit ist sie Chefredakteurin der Zeitschrift "Internationale Politik" in Berlin, die von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik herausgegeben wird (Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e. V.). Zuletzt hat sie zwei Bücher geschrieben: "Israel - eine durch ein altes neues Land" (2008) und "Freya von Moltke. Ein Leben. Ein Jahrhundert" (2010), beide im Rowohlt Verlag erschienen.
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