Sicherheit in Fußballstadien

Wie ein Täter in 30 Minuten gefasst wird

Eine Überwachungskamera ist an der Tribüne der Schüco-Arena in Bielefeld zu sehen.
Eine Überwachungskamera an der Tribüne der Schüco-Arena: Arminia Bielefeld spielt inzwischen nur noch in der 3. Liga. In höheren Ligen sind die Sicherheitsmaßnahmen inzwischen besonders hoch. © picture alliance / dpa / Friso Gentsch
Von Michael Engel · 29.10.2014
Überwachung mit 29 Megapixeln: Mit modernsten Überwachungskameras können in deutschen Fußballstadien inzwischen fast alle Straftaten umgehend aufgeklärt und geahndet werden. Ein Stadionbesuch.
Aus den Lautsprechern dröhnt die Musik: Noch sind es 45 Minuten bis zum Anpfiff: Hannover 96 heute im Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach.
Allmählich füllt sich das Stadion. In der Nordkurve die Fans von den "Roten" mit der "96" auf Schals, Jacken und mitgebrachten Fahnen. Die Plätze genau gegenüber - auf der Südkurve - sind für die angereisten Fans aus Möchengladbach reserviert. Zwei- bis Dreitausend sollen es sein, erfährt die Polizei aus der Lagebesprechung von soeben. Die Zahl ergibt sich aus den übermittelten Daten der Bahn, der Nahverkehrsbetriebe, der sogenannten "Fanbegleitung" durch Beamte, abgeglichen mit den Zählungen an den Eingängen:
Ein ohrenbetäubender Knall erschüttert das Stadion. Uwe Lange von der Polizei in Hannover weiß sofort, worum es sich handelt:
"Ich gehe mal davon aus, dass hier ein sogenannter 'Polenböller' gezündet wurde. Das sind die Böller, die das Gehör schädigen bei denjenigen, die da im unmittelbaren Umfeld stehen. Wir müssen jetzt mal schauen, ob wir über die Videoaufzeichnung einen möglichen Täter dazu haben. Ob wir auf dem Video erkennen können, inwiefern der Täter das selbst gezündet hat, selbst geworfen hat. Da müssen wir jetzt mal schauen gleich."
Acht Monitore sind mit 45 Überwachungskameras verbunden
Hektisches Treiben in der Einsatzzentrale der Polizei in der HDI-Arena. Der längliche Raum eröffnet mit seinen großen Seitenfenstern einen umfassenden Blick über das Stadion. Auch hier war der Böller unüberhörbar. Noch ist nicht einmal klar, aus welchem Zuschauerblock der Knall kam, geschweige denn, wer die verbotene Pyrotechnik gezündet hat. Für Matthias Schmidt eine Herausforderung. Der junge Beamte sitzt vor acht riesigen Monitoren, die mit 45 Überwachungskameras verbunden sind:
"Ich zieh' mir das mal rüber. Ich habe jetzt den Gästeblock mit drin. Wenn ich mir den hochziehe, das ist jetzt S13 beispielsweise, der Kategorie 'Fanblock' für Mönchengladbach, wo Problemfans mit angegliedert werden. Und da kann ich mir im Prinzip jetzt komplett jedes Gesicht mit ran ziehen. Und er pixt sich im Nachhinein noch so hoch, dass ich Konturen und Gesichtszüge und wirklich alles Markante erkennen kann."
Moderne Kameras müssen nicht mehr geschwenkt werden, um verdächtige Personen heran zu zoomen. Sie überwachen die Tribünen in der Totalaufnahme. Mit einer Auflösung von 29 Megapixeln ist es dann auch im Nachhinein möglich, einzelne Personen - sogar Gesichter - formatfüllend ins Bild zu bekommen. Als Matthias Schmidt den Knall hört, setzt er ein sogenanntes 'Lesezeichen', um die gespeicherten Daten aller Kameras nach verdächtigen Szenen zu durchforsten:
"... um dann zu schauen, wer hat was gemacht, damit ich denjenigen auch identifizieren kann bzw. das Bild ausdrucken kann, speichern kann, und das wird dann weiter gegeben, damit die Kräfte hier vor Ort - die haben es natürlich nicht digital vor sich liegen - sondern dass die es im Bildmaterial auf dem Papier haben und selektieren können, aha, der hat etwas begangen, den ziehen wir uns raus."
30 Minuten später ist der Täter gefasst
Es dauert nur wenige Minuten, da wird der Beamte fündig. Die Aufzeichnung aus dem Fanblock der "Gladbacher" zeigt eine Rauchwolke. Man sieht umstehende Zuschauer, die durch den Knall zusammen zucken. Einer reißt die Arme hoch, hält sich die Ohren zu. Matthias Schmidt druckt die Aufnahmen aus. Zivilkräfte aus Mönchengladbach werden gerufen, die als "szenekundige Beamte" mitgereist sind. Zehn Beamte sind es heute. 30 Minuten nach dem Böller ist der Täter gefasst. Einsatzleiter Guido von Cyrson ist zufrieden:
"Diese Person im Block ist durch den Ordnungsdienst, der mitreist aus Mönchengladbach, das ist eine Standardmaßnahme, hat einen besseren Zugang zu der jeweiligen Fanszene, angesprochen und aus dem Block geführt worden und ist halt jetzt in der strafprozessualen Bearbeitung. Unser Ziel ist, den halt eben in ein Haftsachenverfahren zu bekommen. Wir prüfen jetzt gerade die Voraussetzungen und werden das Strafverfahren in Gang bringen."
Bis auf den Böller im Fanblock von Mönchengladbach verläuft das Spiel ohne Zwischenfälle. Und das bei 3:0 für die Gladbacher. Nahezu alle Straftaten im Stadion können heute mit Hilfe der hochauflösenden Kameras aufgeklärt werden, bilanziert die Polizei. Das wissen mittlerweile auch die Hooligans: Viele kommen nicht mehr, weichen lieber auf Spiele der zweiten Liga aus oder prügeln sich mit der Polizei auf der Straße.
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