Short Storys vom Krieg

Die meisten der Erzählungen in dem postum veröffentlichten Band "Der taubenblaue Drache" beschreiben den Zweiten Weltkrieg, den Kurt Vonnegut als Kriegsgefangener in Deutschland erlebte. Diese Erfahrung traumatisierte den vor zwei Jahren verstorbenen amerikanischen Schriftsteller ein Leben lang.
Kurt Vonnegut, das Urgestein amerikanischer Satire, - er selbst betrachtete sich als "Spinner von Weltgeltung" -, starb 2007 mit 84 Jahren. Zum Kult-Schriftsteller wurde Vonnegut 1969 durch seinen Roman "Schlachthaus 5 oder der Kinderkreuzzug", in dem die Bombardierung Dresdens beschrieben wird, die Vonnegut 1945 als Kriegsgefangener selbst miterlebte. Nun ist postum ein Band mit 22 bisher noch nicht ins Deutsche übersetzten Vonnegut-Erzählungen erschienen: "Der taubenblaue Drache".

Die Titelstory gehört zu den wenigen Geschichten dieses Erzählbandes, die nicht im Krieg spielt. Hinter dem taubenblauen Drachen verbirgt sich ein italienischer Sportwagen, für den ein junger Mann Tag und Nacht arbeitet, bis er ihn sich kaufen kann, um dann festzustellen, dass er trotz des teuren Autos nie zur Klasse der Reichen, Privilegierten und Blasierten gehören wird. Und sein Resümee ist, das sei gut so. Eine pädagogische Geschichte, aber aus dem erhobenen Zeigefinger wird eher ein Stinkefinger.

Die meisten der 22 Storys beschreiben den Krieg, - Vonneguts lebenslange Traumatisierung, - zum Beispiel wie er als Kriegsgefangener 1945 die Opfer der Bombardements auf Dresden bergen musste und dabei zu dem Urteil kam, das das, was die Alliierten in Dresden angerichtet hatten, einem Konzentrationslager glich.

In einer anderen Geschichte erlebt der Leser, wie es nicht Hitler ist, der einem Kind ein Kaninchen stiehlt, sondern drei amerikanische Soldaten. Immer wieder gelingt es Vonnegut, Unvergleichbares vergleichbar zu machen, überschaubar wie in einem Kammerspiel - die hohe Kunst der Kurzgeschichte.

Vonneguts vordergründige Markenzeichen aber sind seine Fantasy- bzw. Science Fiction-Stilmittel, in die er seine Satiren verpackt. Da wird zum Beispiel ein Soldat des Jahres 2037 zu Testzwecken in eine Schlacht des Jahres 1918 zurückgebeamt. In einer anderen wird der Teufel gefangen. Vonneguts schwarzer Humor ist allgegenwärtig: für die schlimmsten Notlagen im Leben empfiehlt er, weniger ernst zu sein, mehr Witze zu reißen und sich einen Hund anzuschaffen.

Ein Teil der Geschichten dieses Erzählbandes ist 1999 erschienen, einige hat Vonnegut erst vor seinem Tod geschrieben. Altersmilde war er nicht geworden, ganz im Gegenteil, in seiner in dem Band enthaltenen letzten Rede räumte Vonnegut ein, sich noch radikalisiert zu haben, was sich in einer Aussage wie dieser widerspiegelt: "Es gibt einen großen Unterschied zwischen George W. Bush und Hitler…: Hitler wurde gewählt." Oder Vonnegut forderte seine Mitbürger auf, zur Abwechslung auch mal kommunistisch zu denken, - gegen das "System der Spielkasinos", wie er noch vor seinem Tod 2007 weise die Börsen nannte: "Börsen sind Spielcasinos".

Politische Radikalität, schwarzer Humor, das Spiel mit Stilmitteln und die hohe Kunst der puristischen Kurzgeschichte, sprich große Literatur, erwarten den Leser, - ein überwältigendes Buch, keine Restesammlung, sondern Vonnegut auf seinem Zenit.

Vonnegut ist nicht an Altersschwäche gestorben, sondern von der Treppe gestürzt. Eins seiner letzten Fotos zeigt ihn vor seiner Verandatür, an die Tür genagelt ist ein Gartenzwerg, der auf einem Schwein reitet.

Rezensiert von Lutz Bunk

Kurt Vonnegut, Der taubenblaue Drache – Schöne Geschichten,
aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Harry Rowohlt, Kain und Aber Verlag, Zürich 2009, 288 Seiten, 19.90 €.