Missbrauch im Sport

Wenn aus Nähe Gewalt wird

09:16 Minuten
Detailaufnahme eines bandagierten Fußes einer Turnerin auf dem Schwebebalken.
Bevor es zu spät ist: Sensibilisierung der Kinder, Trainer und Eltern ist wichtig, um Missbrauch im Sport vorzubeugen, sagt die Soziologin Bettina Rulofs. © picture alliance / imageBROKER / Michael Weber
Bettina Rulofs im Gespräch mit Nicole Dittmer · 19.08.2022
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Auch im Sport findet sexueller Missbrauch statt. Eine Rolle spielt dabei die besondere Nähe zwischen Athleten und Trainern. Daher kommt es darauf an, die Beteiligten zu sensibilisieren, sagt die Soziologin Bettina Rulofs.
Sport ist ein Teil der Gesellschaft - deswegen spielt dort auch sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche eine Rolle. Darauf macht aktuell wieder eine Dokumentation der ARD aufmerksam. Darin schildert der ehemalige Turmspringer Jan Hempel, wie er von seinem Trainer vergewaltigt wurde.

Eine familienähnliche Nähe

Die Soziologin Bettina Rulofs forscht an der Sporthochschule Köln und hat die Studie „Safe Sport“ veröffentlicht, die Sportlerinnen und Sportler über ihre Erfahrungen befragt hat.
Rulofs unterstreicht, dass die Mehrheit der Fälle von Missbrauch im Nahbereich geschehe, etwa in der Familie. „Trotzdem ist zu sehen, dass gerade im Sport, wo Kinder, wenn sie zum Beispiel leistungssportlich aktiv sind, sehr nahe Verhältnisse zu Erwachsenen haben.“
So seien die Beziehungen zu den Trainern manchmal sehr eng – manchmal hätten diese sogar „familienähnlichen Charakter“, so Rulofs. Davon gehe ein Risiko aus. Die dadurch entstehende Nähe "kann von denjenigen ausgenutzt werden, die die Absicht haben, Macht gegenüber jungen Menschen auszuüben“.
Vor allem körperliche Nähe wurde als unangenehm empfunden, gaben die Athleten an.

Das Recht, nein zu sagen

Die Täter gingen nach bestimmten Mustern vor, so die Soziologin. Diese bewegten sich zwischen den Extremen kumpelhafter und autoritärer Trainer. „Dazwischen gibt es viele Nuancen“, erläutert Rulofs. Zudem gebe es unterschiedliche Wege, wie die Täter sich ihren Opfern annäherten, etwa wenn sie engen Kontakt zu den Eltern suchten und deren Aufgaben übernehmen würden.
Um Kinder und Jugendliche zu schützen, hat Rulofs einen Leitfaden mitherausgegeben. Besonders wichtig ist es ihr, Kinder, Trainer und Eltern ständig zu sensibilisieren. Erstere sollten darin bestärkt werden, „für ihre Rechte einzutreten – für ihr Recht, auch nein sagen zu dürfen“.

Anlaufstellen für Betroffene

Auch ist es der Soziologin ein Anlegen, dass das Thema sexualisierte Gewalt in der Trainerausbildung angesprochen wird und dass Eltern bewusst gemacht wird, dass es auch im Sport Missbrauch gibt. Allerdings sollten die Kinder auch nicht davor verschreckt werden, „in die Sportwelt hineinzugehen. Denn in der Regel ist es völlig ungefährlich.“

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Hinzu kämen auch konkrete Schutzmaßnahmen in Sportvereinen wie Ansprechpartner für die Athleten. Zudem gebe es bereits Anlaufstellen für den Spitzensport, etwa die von der unabhängigen Athletenorganisation eingerichtete „Anlauf gegen Gewalt“, sagt Rulofs. Auf politischer Ebene werde überlegt, ähnliches auch für den Breitensport einzurichten.
Die Soziologin verweist außerdem auf das Hilfetelefon Sexueller Missbrauch, an das sich alle wenden können, die sexualisierte Gewalt erlebt haben oder zu dem Thema Rat suchen.

Wie ein Schutzkonzept in der Praxis funktioniert

Beim Hamburger Sportbund gibt es seit 2014 ein Schutzkonzept, das sexuellen Missbrauch verhindern soll. Der wichtigste Aspekt sei dabei, die Basis der Vereine mit in die Pflicht zu nehmen, erklärt der Vorsitzende Daniel Knoblich. Wer Fördergelder vom Hamburger Sportbund erhalten will, müsse eine Fachperson für sexuellen Missbrauch benennen und qualifizieren.
Zudem müssten die Vereine ihre eignen Risikofaktoren identifizieren und einen Verhaltensleitfaden erstellen. Das Problem dabei: Der Hamburger Sportbund hat knapp 800 Mitglieder. Doch nur 250 Vereine machen bisher bei diesem Schutzkonzept mit.
Das liege daran, dass nicht jeder Verein Gelder beim Hamburger Sportbund beantrage; deswegen könnten auch nicht alle Vereine mit diesem Konzept erreicht werden, sagt Knoblich: „Es ist jetzt unsere Aufgabe, darüber nachzudenken, wie wir diese Zahl von 250 Mitgliedsorganisationen in dem Kontext ausweiten können.“
(rzr/sed)
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