Sexuelle Neurosen und literarische Vexierspiele

21.03.2007
Der 1974 erschienene Roman "Mein Leben als Mann" gilt bis heute als Schlüsselwerk im Opus des amerikanischen Schriftstellers Philip Roth. Es versammelt all die Themen und Motive, denen Roth bis heute treu geblieben ist, bis zu seinem gefeierten Meisterwerk "Der menschliche Makel": Sexus, erotische Obsessivität, Don Juanismus, Geschlechterkampf, misslingendes Leben, Schriftstellerei, intellektuelles Judentum, Psychoanalyse, akademisches Milieu.
All das vereint sich im Leben des jungen jüdischen, unschwer als Alter Ego des Autors zu erkennenden Schrifstellers Peter Tarnopol, den Roth in diesem exzessiven Roman mit spürbarer Hingabe als durchaus unsymphatischen Protagonisten porträtiert. Nach einer durchaus erfolgreichen Karriere als Frauenheld und Frauenverführer lernt Peter Tarnopol, der es bei unneurotischen Frauen nie lange aushält, im Alter von 24 Jahren die fünf Jahre ältere, in jeder Hinsicht haltlose Maureen kennen, die mit seiner Hilfe sein Leben zerstört und ihn an den Rand des Wahnsinns treibt.

Maureen ist ein Inbild des weiblichen Schreckens. Sie ist hysterisch, gewaltätig, destruktiv, zerfressen von Eifersucht und Aggression. Und sie ist eine gerissene Taktikerin der Lüge. Obwohl Tarnopol schon kurze Zeit, nachdem er sie kennen gelernt und in seine Wohnung aufgenommen hat, das Strindberg'sche Abhängigkeits- und Zerstörungsmuster der Beziehung durchschaut, obwohl das Zusammensein mit Maureen nichts anderes ist als eine endlose Serie von lautstarken, handfesten, irrationalen Auseinandersetzungen, kann und will er sich von Maureen nicht lösen.

Als sie ihm mitteilt, im zweiten Monat von ihm schwanger zu sein, heiratet er Maureen. Dann kommt er ihrem bizarren Betrug auf die Spur. Für den ärztlichen Nachweis ihrer Schwangerschaft hat sie einer wildfremden schwangeren Schwarzen eine Urinprobe abgenötigt.

Mitten im modernen, optimistischen New York herrschen zwischen den Geschlechtern archaische Kriegsverhältnisse. Von den ruinösen Manövern gegenseitiger Manipulation ist niemand ausgenommen. Auch der Psychoanalytiker, der die Rolle von Tarnopols Übervater einnimmt, lenkt ihn mit kalter Hand in neues Verderben. Nach Maureens Tod bei einem Verkehrsunfall geht Tarnopol sofort eine neue Beziehung mit einer nicht minder gestörten Frau ein.

Auch der Leser befindet sich im Netz der Täuschungen und Finten: Erst mit der Zeit findet er heraus, dass es sich beim ersten Kapitel nicht um einen Teil der Romangeschichte handelt, sondern um eine, der Geschichte allerdings narrativ verwandte Erzählung aus der Feder Peter Tarnopols. Der Protagonist dieser Erzählung, Nathan Zuckerman, ist ein Alter Ego Peter Tarnopols und somit beide Spiegelfiguren von Philip Roth, der hier eine Fährte in ein sein zukünftiges Werk legt. Nathan Zuckermann wird in zehn weiteren Romanen von Roth auftauchen.

Auch über dreißig Jahren nach seinem ersten Erscheinen hat "Mein Leben als Mann" nichts an Spannung, künstlerischer Kraft und Verwegenheit verloren. Es ist gleichsam der "Urtext" des Werkes von Philip Roth.


Rezensiert von Ursula März

Philipp Roth: Mein Leben als Mann
Übersetzt von Günter Panske
Rowohlt Taschenbuch, Hamburg 2006
352 Seiten. 9,90 Euro