Sexualisierung auf katholisch

Von Constantin Graf Hoensbroech |
Es ist mittlerweile fast 20 Jahre her, als mich mein damaliger Pfarrer in Köln während seiner Predigt mit dem Satz überraschte: "Natürlich hat uns der liebe Gott die Lust mitgegeben, das ist ein Geschenk, und damit müssen wir verantwortungsvoll umgehen." Überraschend deshalb, weil doch dieses so offene Bekenntnis eines kirchlichen Amtsträgers zur Sexualität alles andere als selbstverständlich erscheint.
Nicht nur vor 20 Jahren. Bis heute herrscht die weit verbreitete Ansicht, dass die Kirche, zumal die Katholische, die Geschlechtlichkeit so scheut wie der Teufel das Weihwasser. Eine irrige Ansicht: Schließlich hat sich das kirchliche Lehramt immer wieder eindeutig zur Verantwortung und zur Zusammengehörigkeit von Sexualität, lebenslanger Treue und Fortpflanzung bekannt.

Das ist auch gut so und das tut auch Dominik Schwaderlapp. Aber wie er es in seinem neuen Buch mit dem Titel "Für immer Ja. Ein Kurs in Sachen Liebe" tut, dass treibt dem Leser doch die Schamesröte ins Gesicht. Er schreibt wörtlich:

"Die Notwendigkeit einer sexuellen Vereinigung für das Zustandekommen einer Ehe hält die Kirche für so wichtig, dass sie sogar sagt: Ein Mann, der dazu nicht fähig wäre, kann nach katholischer Ehelehre keine Ehe eingehen."

Hier feiert die Sexualisierung der Ehe fröhliche Urständ. Gegen die aber hatte sich die Kirche stets - und sicherlich zurecht – gewehrt. Das Hohe Lied der Penetration aus dem Mund des ranghohen Geistlichen ist ärgerlich. Denn der katholische Priester Dominik Schwaderlapp ist nicht irgendwer. Er ist der Generalvikar des Erzbistums Kölns, also der oberste Chef der Bistumsverwaltung und damit kirchenrechtlich das "alter ego" des Erzbischofs.

"Die leibliche Dimension ist nicht nur irgendeine Zugabe, auf die man verzichten könnte, sie gehört notwendig zur ehelichen Liebe dazu" schreibt der Geistliche. Ein eigenartiger Biologismus. Denn körperliche Liebe ist mehr und anderes als der von Kant so bezeichnete "Gebrauch der Geschlechtswerkzeuge". Bedeutet er im Umkehrschluss doch nichts anderes, als das Männer, - Schwaderlapp spricht ohnehin ausschließlich aus maskuliner Sicht - dass also Männer, die aufgrund von Krankheit, Alter oder Behinderung nicht mehr zum Sex fähig sind, vom Führen einer katholischen Ehe ausgeschlossen sind. Wer nicht mehr kann, kann gar nichts mehr. Alles oder nichts. Und weiter: Jede Frau, die von ihrem Mann nicht mehr körperlich befriedigt wird, könnte mit dem Hinweis auf eben diese mangelnde körperliche Befriedigung ein Eheanullierungsverfahren anstrengen, damit sie später dann den Mann, der sie tatsächlich durch Penetration zu befriedigen vermag, auch kirchlich heiraten kann.

Das alles mag kirchenrechtlich ja seine Richtigkeit haben, aber es wird theologisch so verbrämt, dass einem im wahrsten Sinne des Wortes nicht nur nach kölnischer Lesart der Spaß an der Freud verloren geht. Für den normalen Gläubigen, der mehr mit dem Herzen und dem Gefühl denn mit dem Verstand und dem Intellekt glaubt, scheint mir das nur schwer verständlich. Dabei schreibt der Generalvikar doch an anderer Stelle so treffend, dass "die zärtliche Vereinigung von Mann und Frau ein Geheimnis bleiben sollte". Genau, eben, so einfach ist das. Darum sollte er dieses Geheimnis auch nicht weiter lüften.