Sexualerzieherin aus Uganda

Mit einer App klärt Ruth Namembezi auf

Die Sexualerzieherin und Entwicklerin Ruth Namembezi aus Uganda.
Die Sexualerzieherin und Entwicklerin Ruth Namembezi aus Uganda. © Vodafone Institute
Von Claudia van Laak · 17.03.2017
Ihre Eltern starben früh an Aids, ihre Schwester wurde als Kind zu einem Teufelsaustreiber gebracht, weil niemand an eine HIV-Infektion glaubte: Heute arbeitet die Uganderin Ruth Namembezi als Sexualerzieherin und Entwicklerin. Mit einer App kämpft sie gegen Wissenslücken.
"Ich heiße Ruth Namembezi und komme aus Uganda." Sagt sie in ihrer Muttersprache Luganda – und lacht.
Ruth Namembezi aus Kampala ist sechs Wochen lang zu Gast in Berlin. Im Social Impact Hub – einem Treffpunkt für Gründerinnen und Gründer von Sozialunternehmen – arbeitet sie an ihrem Geschäftsmodell für "Ask without shame" – "Fragen ohne Scham". Namembezi zückt das Smartphone, klickt auf ihre App.
"Wenn Du eine Frage hast, die Deinen Körper betrifft, zum Beispiel von Teenagern, deren Brust zu wachsen beginnt und sie sind besorgt, dann können sie hier klicken: Das sind die Fakten."
Die Nutzerinnen und Nutzer können Informationen abrufen über die Themen Sexualität, Körper, Gesundheit und – ganz wichtig – sie können mit Experten chatten oder direkt mit ihnen telefonieren. Bei uns in Uganda wird nicht so viel gelesen, sagt die 21-Jährige:
"Die Leute möchten lieber reden. Aber das Problem ist, dass dann falsche Informationen verbreitet werden. Zum Beispiel beim Thema Aids: die Patienten werden vernachlässigt, auch von ihren Angehörigen. Sie haben Angst, etwas mit ihnen zu teilen, weil sie fälschlicherweise glauben, sie stecken sich auch mit HIV an."

"Die Leute dachten, sie sei verhext"

Ruth Namembezis Stimme ist leise, aber bestimmt. Sie weiß wovon sie spricht. Ihre Eltern starben an Aids, als sie ein kleines Mädchen war.
"Mein Vater lebte polygam, er hatte viele Frauen. Er war Soldat, viele Soldaten in Uganda lieben es, viele Frauen zu haben. Alle Frauen sind gestorben, drei an Aids."
Jährlich sterben 33.000 Menschen in Uganda an Aids, acht Prozent der Bevölkerung sind mit dem Virus infiziert. Der Bildungsstand ist niedrig, Mythen und Gerüchte über die Krankheit halten sich hartnäckig. Auch bei meiner Schwester war das so, erzählt Namembezi - sie musste sterben, weil sie nicht richtig behandelt wurde.
"Die Leute dachten fälschlicherweise, sie sei verhext. Sie war noch sehr jung, deshalb glaubten die Leute nicht, dass sie HIV-infiziert sei. Ich war zu dieser Zeit im Internat, sie sagten mir, dass meine Schwester sehr krank sei. Sie brachten sie dann zu einem Teufelsaustreiber, weil sie dachten, sie sei von Dämonen besessen."

"Frustration über das Fehlen von Wissen über Sexualität"

Ruth Namembezi wischt sich eine Träne aus dem Augenwinkel, dann richtet sie die Frisur und lächelt. Ihre langen schwarzen Dreadlocks hat die Unternehmerin zu einem kunstvollen Gebilde aufgetürmt.
"Meine Frustration über das Fehlen von Wissen über Sexualität in Afrika ist meine Motivation, die Tabus zu brechen. Das hat mich und mein Team dazu gebracht, 'Ask without shame' zu gründen."
Jetzt steht Ruth Namembezi vor den anderen im Seminar, übt ihre Präsentation. Drei Minuten Zeit hat sie, um Investoren von ihrer Geschäftsidee zu überzeugen. Zwölf Mitarbeiter hat das Beratungsunternehmen inzwischen, sie betreiben ein Callcenter und entwickeln die App weiter. Das Ziel: in diesem Jahr eine halbe Million Nutzer erreichen. Dazu braucht die tatkräftige Frau aus Kampala 100.000 Euro.
"Ask without shame" hat es bereits durch die Beratung geschafft, unerwünschte Schwangerschaften zu verhindern. Wir haben es auch geschafft, Ansteckungen durch HIV-Infizierte zu verhindern. Und wir haben schon viele Liebesbeziehungen gerettet. Danke." (Applaus)
Es ist Ruth Namembezis erster Aufenthalt in Europa. Sie staunt darüber, dass alles so wunderbar funktioniert. Busse und Bahnen sind pünktlich, alle immer super vorbereitet. Doch etwas macht sie misstrauisch.
"Was ich hier beobachtet habe: die Leute konzentrieren sich so auf die Arbeit, und am Ende sind sie so müde, dann müssen sie Urlaub machen. In Uganda findest Du kaum jemanden, der sagt, ich habe so schwer gearbeitet, dass ich jetzt Urlaub machen muss. Wir balancieren das aus zwischen Arbeit und Familie."
Mehr zum Thema