Sexismus im Radio

Country-Musikerinnen in Nashville wehren sich

05:22 Minuten
Die roten Lippen einer Sängerin vor einem Studiomikrophon
Es gibt viele Theorien, warum es Frauen in der Countrymusik schwer haben. Ein einfacher Grund könnte sein: Sie werden einfach nicht gespielt. © EyeEm / Stephen Galle
Von Kerstin Poppendieck · 31.05.2019
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Frauen sind in der Musikbranche nicht gleichberechtigt. Als besonders männerdominiert gilt die Countrymusik. Mehr als 200 Musikerinnen haben sich daher in den USA zusammengeschlossen. Ihr Ziel: Sie wollen gehört und im Radio gespielt werden.
"Liebes Nashville!
Es ist gerade keine gute Zeit für eine Frau in der Countrymusik. Deshalb ist es höchste Zeit, dass wir uns zu einer Gemeinschaft zusammenschließen und die Mädels spielen lassen.
PS: Jungs sind auch willkommen, nur auftreten dürfen sie nicht."
So steht es auf einem Plakat, das zu einer neuen Veranstaltungsreihe in Nashville einlädt. Song Suffragettes. Der Name ist nicht zufällig gewählt. Anfang des 20 Jahrhunderts wurden jene Frauenrechtlerinnen Suffragettes genannt, die für ein allgemeines Frauenwahlrecht kämpften. Jetzt haben sich unter diesem Namen in kürzester Zeit mehr als 200 Musikerinnen zusammengeschlossen, um gemeinschaftlich zu sagen: Time's up – die Zeit ist vorbei, die Zeit der Diskriminierung und Benachteiligung auf Grund ihres Geschlechts.

Radiomoderator spricht sich gegen Musik von Frauen aus

Dass Frauen in der Musikbranche alles andere als gleichberechtigt behandelt werden, gilt für Countrymusik genauso wie für jedes andere Genre. Dass Country-Musikerinnen sich zusammenschließen, um gemeinsam für ihre Rechte zu kämpfen - und das laut und eindrucksvoll, das allerdings ist neu. Vor einiger Zeit hatte ein Radioberater in den USA ganz offen gesagt: Country-Sängerinnen sind die Tomaten im Salat, Sänger sind die Salatblätter, die Hauptzutat. Radiosender, die erfolgreich sein wollen, sollten laut seiner Empfehlung Musikerinnen besser ganz aus dem Programm lassen.
Theorien, warum es Frauen in der Countrymusik so schwer haben, gibt es viele. Eine sagt zum Beispiel, dass Countrymusik traditionell männerdominiert sei. Oder dass Songschreiberinnen dazu tendierten, tiefgründigere und anspruchsvollere Texte als ihre männlichen Kollegen zu schreiben, viele Country-Musik-Fans aber eher auf die Party-Songs stünden, in denen es um Alkohol, Feiern und eine gute Zeit geht.
Als die Country-Musikerin Leslie Satcher nach Nashville gezogen ist, dauerte es nicht lange, bis auch sie feststellte, wie schwer es Künstlerinnen hier haben:
"Es ist schon eine ganze Weile so, dass männliche und weibliche Musiker hier nicht gleichberechtigt behandelt werden. Frauen haben kaum Platz. Sie werden hier einfach nicht gespielt. Man hat mir gesagt, dass bei Umfragen rausgekommen wäre, dass vor allem Frauen Musik kaufen und hören. Und die wollten junge, heiße Typen hören. Für die Musik von Frauen würden sie sich nicht interessieren. Mich hat das noch nie wirklich gestört. Für mich ist es eher eine Herausforderung, immer besser zu werden. Ich muss eben mindestens genauso gut wie die Männer sein oder besser als sie. Ich schreibe auch zusammen mit Männern Lieder und schreibe auch für männliche Künstler. All das hat mich zu einer besseren Songschreiberin gemacht."
Unter den Top Ten der erfolgreichsten Country-Musiker aller Zeiten gibt es eine einzige Frau: Reba McEntire. Die anderen neun im Ranking sind Männer. Und von den aktuell 139 Mitgliedern der Country Music Hall of Fame sind gerade mal 20 weiblich.

Aus Frust entstanden, kommt die Veranstaltung gut an

Genau das will die Konzertreihe Song Suffragettes ändern. Aus Frust entstand die Idee, jede Woche verschiedene junge Country-Musikerinnen zu präsentieren, denn natürlich gibt es auch in Nashville jede Menge Musikerinnen. Die Idee kam so gut an, dass die Veranstaltung in einen größeren Club umziehen musste.
Rachel McKamy ist dankbar für Veranstaltungen wie Song Suffragettes, denn obwohl die 19-jährige Singer-Songwriterin erst am Anfang ihrer Karriere steht, ist ihr sehr wohl bewusst, wie schwer es Musikerinnen wie sie in Nashville und der Countrymusik-Szene allgemein haben. Ganz offen wurde ihr gesagt, dass man sie nicht buchen würde, dass man ihre Songs nicht kaufen würde, weil sie eine Frau sei.
"Ich versuche meine Lieder aus einer männlichen Perspektive zu schreiben. Dadurch hoffe ich, meine Chancen zu erhöhen, dass männliche Musiker meine Lieder auswählen. Ich hab lange genau analysiert, wie Männer Songtexte schreiben. Wenn man das erstmal verstanden hat und dazu auch noch weiß, wie Männer Frauen wahrnehmen, dann ist es ganz einfach, Lieder aus der männlichen Perspektive zu schreiben."
Klar, wäre es schön, wenn die Situation anders wäre, aber bis dahin müssen eben andere Lösungen her. Denn aufgeben kommt für Rachel McKamy genauso wie für die anderen selbstbewussten Country-Musikerinnen Nashvilles nicht in Frage.
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