Sexismus-Debatte

"Nur ein Symptom, nicht die Lösung"

Die Journalistin Laura Himmelreich, Chefredakteurin des Onlinemagazins "Vice".
Die Journalistin Laura Himmelreich, Chefredakteurin des Onlinemagazins "Vice". © VICE Grey Hutton
Laura Himmelreich im Gespräch mit Nicole Dittmer und Axel Rahmlow · 18.10.2017
Unter den Twitter-Hashtags #metoo und #Ihave ist eine neue Debatte über Sexismus entbrannt. Die sei offenbar noch immer nötig, sagt Laura Himmelreich, Online-Chefredakteurin bei Vice. Vor vier Jahren löste sie mit einem Text über Rainer Brüderle ebenfalls eine Sexismus-Debatte aus.
Viele Betroffene von sexueller Gewalt stehen gerade öffentlich zu ihren Erlebnissen, indem sie auf Twitter unter dem Hashtag #metoo bekennen: Auch ich bin Opfer sexueller Gewalt oder Belästigung geworden. Extrem viele Frauen beteiligen sich daran. Mittlerweile gibt es aber auch eine Reaktion von Männern: #Ihave. Unter diesem Hashtag geben Männer zu: Auch ich bin schuld, dass es Sexismus gibt - im Alltag und als strukturelles Problem.
Das zeige zumindest, dass Männer ihr Verhalten reflektieren und darüber nachdenken, ob sie sich im Zweifel mal falsch verhalten haben, sagt Laura Himmelreich, Chefredakteurin des Onlinemagazins "Vice", im Deutschlandfunk Kultur. 2013 hatte sie über ihre Erfahrungen mit dem damaligen FDP-Spitzenpolitiker Rainer Brüderle geschrieben und damit eine Debatte über Sexismus ausgelöst, die damals vor allem unter dem Hashtag #Aufschrei lief.
"Brauchen wir nach vier Jahren #Aufschrei auch in Deutschland nochmal #metoo? Offensichtlich brauchen wir's." Das habe aber einen bitteren Beigeschmack, sagt Himmelreich. Dass erneut eine solche Debatte aufkomme, sei offenbar nötig dafür, dass " auch der letzte darüber nachdenkt und sensibler wird im Alltag". Dabei gehe es auch darum, sexistische Übergriffe oder Äußerungen zu vermeiden, die zum Teil eventuell nicht als solche gemeint seien.

Alle Ungleichheits-Faktoren beseitigen

Diese Äußerungen auf Twitter seien aber "nur ein Symptom, das ist nicht die Lösung", so Himmelreich. "Nur auf das Problem aufmerksam zu machen, beseitigt das Problem nicht."
Die Lösung sei aber leider komplex. "Die Ursache des Problems hat mit Machtunterschieden in unserer Gesellschaft zu tun. Die fingen bei kleinen Dingen an: "Wer macht heute Abend bei uns zu Hause den Abwasch bis hin zu: Wer spricht wen in der Bar an." Weitere Aspekte seien: Kinderbetreuung, Ehegattensplitting, der niedrige Anteil von Frauen in Chefpositionen deutscher Konzerne und im aktuellen Bundestag.
Die Gesellschaft müsse sich darum bemühen, alle Faktoren, die zu Ungleichheit führen, zu beseitigen.
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