Sex in the Cities
Lieber gemütlich in München oder arm und sexy in Berlin? Das ist eine der Fragen, die sich die Soziologin Martina Löw in "Soziologie der Städte" vorgenommen hat. Ihr Buch ist ein Grundlagenwerk über Image und Realität deutscher Metropolen geworden, mal abstrakt-wissenschaftlich, mal breitenwirksam genießbar.
"Berlin und München - Sex und Liebe" - so heißt das entscheidende fünfte Kapitel in Martina Löws Buch über die Soziologie der Städte. Während Berlin bekanntlich gerne "arm aber sexy" ist und seine Bewohner auch dazu auffordert, das Berlin-Gefühl bitte schön möglichst erfolgreich zu verkörpern ("Be Berlin!"), ist München gemütlich, liebevoll und unanstrengend: "München mag Dich - Munich loves you".
Der Unterschied in den Selbstdarstellungen der beiden rivalisierenden deutschen Städte ist groß - entspricht dem aber tatsächlich ein ebenso großer Unterschied in ihrem Charakter und in der von ihnen gebotenen Lebensqualität? Mit anderen Worten: Fühlt man sich in Berlin wirklich sexy? Und ist es in München wirklich durchgehend gemütlich? Wahrscheinlich nicht.
Es sind genau Fragen wie diese, betreffend das Verhältnis von Stadtbild und Stadtcharakter, von realen Lebensbedingungen und imaginären Vorstellungen darüber, die sich eine "Soziologie der Städte" stellen kann. Martina Löw, Professorin für Soziologie an der Technischen Universität Darmstadt und Spezialistin für Raum- und Stadtsoziologie, hat nun ein ausführliches Buch zum Thema geschrieben.
Es ist ein Grundlagenwerk geworden, voller theoretischer und methodischer Überlegungen und ausführlicher Diskussionen der bisherigen wissenschaftlichen Literatur. Über weite Strecken arg abstrakt und auch zuweilen etwas akademisch verschwurbelt will es wohl eine Programmschrift für die Stadtsoziologie sein und ist darum nicht durchgehend breitenwirksam genießbar. Wo es aber zwischendurch etwas konkreter wird, wie beispielsweise im Kapitel über Berlin und München, hält es anregende Überlegungen bereit.
Dass eine Stadt mehr ist, als die Summe ihrer Einwohner und auch mehr als ihre jeweiligen führenden Bürokraten und Politiker, ist einleuchtend. Ähnlich wie Nationen haben auch Städte etwas eigenes, einen Charakter, der sich nicht allein aus den gegenwärtigen wirtschaftlichen und politischen Umständen erklärt. Sie haben eine Geschichte, die sich auch räumlich, in den Straßen und Gebäuden niederschlägt; und der Raum, den sie bilden, strukturiert und prägt wiederum das Leben und die Handlungen derjenigen, die eine Stadt bewohnen.
Besonders interessant ist die Stadtsoziologie natürlich in Zeiten der exzessiven Image-Pflege und des "City-Brandings", mit dem sich Städte im Konkurrenzkampf um Attraktivität für Touristen und Bewohner versuchen voneinander abzugrenzen. Aufschlussreich ist dabei aber, dass das unverwechselbare Image, das Marketing-Abteilungen ihren Städten zu geben versuchen, trotz allem nicht willkürlich wählbar ist.
Gewisse Dinge sind auch an einer Stadt und ihren Traditionen selbst gewachsen, und lassen sich nicht unbeschränkt verbiegen. Martina Löw spricht in diesem Zusammenhang von einer "Eigenlogik" der Städte. Die gegenwärtig zirkulierenden Stadtbilder sind immer eine Mischung aus Geschichte, Tradition und jeweils neuen Werbe-Kampagnen.
Der Gegensatz in den Bildern und Selbstbildern von Berlin und München, den Löw darstellt, lässt sich weit zurückverfolgen, mit Berlin als schnell wachsender, gehetzter Arbeiter- und Kulturstadt, die schon in den zwanziger Jahren unter der Parole "Tempo, Tempo!" beschrieben wurde und München als dem seit jeher ruhigen Herzen eines bäuerlichen Freistaats Bayern, in dem Städtisches und Ländliches versöhnlich zusammenkommen.
Dass empirisch gesehen München weit weniger Erholungsfläche bietet als Berlin und auch sonst als tüchtige Wirtschaftsmetropole mit fast doppelt so vielen Zuzügen und Wegzügen pro Jahr auch in Vielem um einiges temporeicher ist als Berlin, das ist die andere Seite der Medaille - die Seite, die nicht immer mit abgebildet wird.
Rezensiert von Catherine Newmark
Martina Löw: Soziologie der Städte
Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008
292 Seiten, 22,80 Euro.
Der Unterschied in den Selbstdarstellungen der beiden rivalisierenden deutschen Städte ist groß - entspricht dem aber tatsächlich ein ebenso großer Unterschied in ihrem Charakter und in der von ihnen gebotenen Lebensqualität? Mit anderen Worten: Fühlt man sich in Berlin wirklich sexy? Und ist es in München wirklich durchgehend gemütlich? Wahrscheinlich nicht.
Es sind genau Fragen wie diese, betreffend das Verhältnis von Stadtbild und Stadtcharakter, von realen Lebensbedingungen und imaginären Vorstellungen darüber, die sich eine "Soziologie der Städte" stellen kann. Martina Löw, Professorin für Soziologie an der Technischen Universität Darmstadt und Spezialistin für Raum- und Stadtsoziologie, hat nun ein ausführliches Buch zum Thema geschrieben.
Es ist ein Grundlagenwerk geworden, voller theoretischer und methodischer Überlegungen und ausführlicher Diskussionen der bisherigen wissenschaftlichen Literatur. Über weite Strecken arg abstrakt und auch zuweilen etwas akademisch verschwurbelt will es wohl eine Programmschrift für die Stadtsoziologie sein und ist darum nicht durchgehend breitenwirksam genießbar. Wo es aber zwischendurch etwas konkreter wird, wie beispielsweise im Kapitel über Berlin und München, hält es anregende Überlegungen bereit.
Dass eine Stadt mehr ist, als die Summe ihrer Einwohner und auch mehr als ihre jeweiligen führenden Bürokraten und Politiker, ist einleuchtend. Ähnlich wie Nationen haben auch Städte etwas eigenes, einen Charakter, der sich nicht allein aus den gegenwärtigen wirtschaftlichen und politischen Umständen erklärt. Sie haben eine Geschichte, die sich auch räumlich, in den Straßen und Gebäuden niederschlägt; und der Raum, den sie bilden, strukturiert und prägt wiederum das Leben und die Handlungen derjenigen, die eine Stadt bewohnen.
Besonders interessant ist die Stadtsoziologie natürlich in Zeiten der exzessiven Image-Pflege und des "City-Brandings", mit dem sich Städte im Konkurrenzkampf um Attraktivität für Touristen und Bewohner versuchen voneinander abzugrenzen. Aufschlussreich ist dabei aber, dass das unverwechselbare Image, das Marketing-Abteilungen ihren Städten zu geben versuchen, trotz allem nicht willkürlich wählbar ist.
Gewisse Dinge sind auch an einer Stadt und ihren Traditionen selbst gewachsen, und lassen sich nicht unbeschränkt verbiegen. Martina Löw spricht in diesem Zusammenhang von einer "Eigenlogik" der Städte. Die gegenwärtig zirkulierenden Stadtbilder sind immer eine Mischung aus Geschichte, Tradition und jeweils neuen Werbe-Kampagnen.
Der Gegensatz in den Bildern und Selbstbildern von Berlin und München, den Löw darstellt, lässt sich weit zurückverfolgen, mit Berlin als schnell wachsender, gehetzter Arbeiter- und Kulturstadt, die schon in den zwanziger Jahren unter der Parole "Tempo, Tempo!" beschrieben wurde und München als dem seit jeher ruhigen Herzen eines bäuerlichen Freistaats Bayern, in dem Städtisches und Ländliches versöhnlich zusammenkommen.
Dass empirisch gesehen München weit weniger Erholungsfläche bietet als Berlin und auch sonst als tüchtige Wirtschaftsmetropole mit fast doppelt so vielen Zuzügen und Wegzügen pro Jahr auch in Vielem um einiges temporeicher ist als Berlin, das ist die andere Seite der Medaille - die Seite, die nicht immer mit abgebildet wird.
Rezensiert von Catherine Newmark
Martina Löw: Soziologie der Städte
Suhrkamp, Frankfurt am Main 2008
292 Seiten, 22,80 Euro.