Sex im Penthouse statt im tristen Bordell

02.02.2012
Hugh Hefner, Herausgeber des US-"Playboy", hat das Gegenstück zum unfreien Ehemann und Ernährer in den USA entworfen. Neu an dem von ihm propagierten Typ des urbanen Junggesellen war vor allem - seine Häuslichkeit. Eine kulturwissenschaftliche Analyse.
Seit den frühen Tagen des Kalten Krieges gilt in der amerikanischen Gesellschaft ein heterosexuelles Familienleben als Norm. Gegen dieses Leitmodell - biedere Vorstadthäuschen, verzweifelte Hausfrauen und unglückliche Ernährer - sind nicht nur Lesben, Schwule, Feministinnen auf die Barrikaden gegangen. Auch die Zeitschrift "Playboy" und ihr Herausgeber Hugh Hefner arbeiteten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts intensiv und erfolgreich an einem Gegenentwurf, den man mit einem gewissen Zynismus ebenfalls als emanzipatorisch bezeichnen kann - zumindest behauptet das die spanische Kulturwissenschaftlerin Beatriz Preciado.

"Pornotopia" nennt sie in ihrem gleichnamigen Buch das Modell, das der Hasenvernascher Hefner entwickelte. Er erfand nämlich nicht nur das berühmteste "Herrenmagazin" der Welt, sondern einen ganzen Lifestyle, zu dem ein bestimmtes architektonisches Umfeld, Konsumobjekte und Kommunikationsformen gehörten. Für ihre gerade im Wagenbach Verlag erschienene und ins Deutsche übersetzte Dissertation hat Preciado den "Playboy" als Quelle benutzt und mit dem Begriffsbesteck des französischen Philosophen Michel Foucault analysiert. Das Resultat ist eine überraschende Studie, die vom making of eines Männerbildes erzählt - und dem sich zeitgleich vollziehenden gesellschaftlichen Wandel.

Hefners Gegenentwurf zum unfreien Ehemann und Versorger war der urbane Junggeselle, der Frauen konsumiert, statt sich an sie zu binden. Neu an diesem alten Typus war in den fünfziger und sechziger Jahren vor allem seine Häuslichkeit: Sein Playboy trieb sich weder in der Öffentlichkeit noch in tristen Bordellen herum; er besaß vielmehr ein Penthouse oder gar eine Villa, die ganz darauf ausgerichtet war, Arbeit und Vergnügen miteinander zu verbinden, intime Begegnungen mit Frauen zu haben, sie anschließend aber auch spurlos entsorgen zu können. Dazu enterte der Playboy selbst traditionell als weiblich definierte Räume wie die Küche: Jedoch weniger, um dann selbst stundenlang hinterm Herd zu stehen (das übernahm schon die Hightech-Ausstattung), als vielmehr, um den Liebhaberinnen die Chance zu nehmen, sich am klassischen Ort weiblicher Macht festzusetzen.

Darüber hinaus stellt Preciado den Publizisten als Pionier einer multimedialen Kommunikation vor, die das Private öffentlich macht und als Vorläufer von TV-Konzepten wie "Big Brother" oder "Dschungelcamp" gelten kann. Hefner präsentierte sich den "Playboy"-Lesern immer wieder in seinen eigenen Wohnungen und Häusern, die auch als Schauplätze für Fotoshootings oder als Filmset dienten. Hier wird auch der Begriff "Pornotopia" fassbar: Das "Playboy"-Universum hat stets für Orte und Technologien geworben, die das Intime - also Nacktheit, sexuelle Handlungen oder auch einfach der Schlüssellochblick in einen anderen Alltag - sofort veröffentlichen und konsumierbar machen. Da ist es nur konsequent, dass sich die Zeitschrift im Online-Zeitalter fast überflüssig gemacht hat: Im Netz ist "Pornotopia" längst Realität. So haben sich Hefners Ideen nicht nur im popkulturellen Fantasiehaushalt abgelagert; sie prägen auch unseren Alltag mit.

Kleine Warnung zum Schluss: So sehr die "Pornotopia"-Lektüre inhaltlich auch lohnt, sie führt durch das Gestrüpp kulturwissenschaftlichen Seminarjargons.

Besprochen von Eva Behrendt

Beatriz Preciado, Pornotopia
Architektur, Sexualität und Multimedia im Playboy
Aus dem Spanischen von Bettina Engels und Karen Genschow
Wagenbach Verlag, Berlin 2011
165 Seiten, 24,90 Euro