Sex, Drogen und die Bankenkrise

05.06.2009
Die Geschichte spielt in einer der berühmtesten Straßen Amerikas: der Fifth Avenue in New York. Auch dort, wo die Reichen und Schönen wohnen, herrscht sozialer Unfriede. Klatschautorin Candace Bushnell wirft in ihrem Roman einen Blick durchs Schlüsselloch - und skizziert nebenbei das Bild einer kriminellen Banker- und Finanzmaklergeneration.
Vermissen Sie Carrie Bradshaw, Samantha, Amanda, Charlotte und Mr. Big, die Crew aus der TV-Kult-Serie "Sex and the City"? Dann lesen Sie doch einmal einen Roman der "Sex and the City"-Autorin Candace Bushnell. Bisher von ihr erschienen sind unter anderem Romane mit Titeln wie "Am Bett vorbei ist voll daneben" und "Raufschlafen". Jetzt liegt der vierte Roman von Candace Bushnells vor. Sein Titel "One Fifth Avenue" verweist auf eine Adresse in New York - und zwar die feinste.

Die Fifth Avenue ist die luxuriöseste Einkaufsmeile der USA, von Tiffany bis Prada. In die Hausnummer 1, One Fifth Avenue, entführt der neue Roman von Candace Bushnell. One Fifth Avenue war und ist ein berühmtes Appartementhaus. Eine architektonische Perle New Yorks, 1927 gebaut, feinster Art Déco, 27 Stockwerke, 184 Apartments - und bekannt dafür, immer schon das Domizil von Künstlern gewesen zu sein.

So auch in dem neuen Roman von Candace Bushnell. Zirka ein Dutzend Hauptfiguren wohnen oder verkehren in diesem Haus, die älteste ist 99 Jahre alt, der jüngste 13. Aber selbst dort gibt es eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: Auf der einen Seite palastartige Apartments und dann wiederum andere von der Größe einer besseren Besenkammer - der soziale Unfriede ist vorprogrammiert. Geld und Sex sind die Hauptstolpersteine der Protagonisten, und wie immer benutzt Candace Bushnell Sex als Spiegel, in dem sich die amerikanische Gesellschaft gnadenlos zeigt - von der kitschigen Liebesszene bis zur Pornografie.

In der Wochenzeitung "Die Zeit" hieß es, mit "One Fifth Avenue" habe sich Candace Bushnell "vom Klatschroman zum ernsten Gesellschaftsroman hochgeschrieben" (sic!). Wer hingegen Bushnells ersten Roman "Am Bett vorbei ist voll daneben" liest, der könnte begreifen, dass sich hinter diesem vermeintlichen Klatsch- und Sexroman eine schonungslos böse Analyse amerikanischer Weiblichkeit verbirgt.

In "One Fifth Avenue" wird Candace Bushnell explizit politisch. Da schreibt einer der Mitbewohner einen Roman, der wochenlang auf Platz 1 der Bestsellerlisten steht - sein Titel: "Ein amerikanischer Terrorist". In einem anderen Erzählstrang spielt ein Börsenspekulant eine Hauptrolle, und da entwickelt sich der nette Plauderroman plötzlich zu einem Thriller im Stil eines John Grisham. Thema: Die letzten Zuckungen vor der momentanen Bankenkrise. Der Roman ist 2008 erschienen! Bushnell skizziert das Bild einer kriminellen und in dieser Form neuen Banker- und Finanzmaklergeneration, die alle traditionellen Formen unterwandert hat, bis die Bombe platzt. Der Leser erlebt Lehmann Brothers backstage.

Die Autorin schreibt wie immer mit leichter Hand, der Roman erinnert an ein Filmdrehbuch mit viel Action. "One Fifth Avenue" ist eine Burleske, die sich bewusst auch der Mittel der Übertreibung und des Kitsches bedient. Candace Bushnell schreibt nicht für die Kritiker. Sie macht einfach, was ihr Spaß macht, und dazu gehört zum Beispiel ihr Groucho-Marx-Slapstick-Humor, den man mögen muss: "Der Mangel an Sex stand zwischen ihnen wie ein Sack Kartoffeln."

"One Fifth Avenue" ist ein Roman mit mehr Tiefgang als mancher meinen mag. Seine Stärke aber ist das Entertainment. Bücher von Candace Bushnell lesen, das ist wie Urlaub. Das ist wie John Updike light.

Besprochen von Lutz Bunk

Candace Bushnell: One Fifth Avenue
Aus dem Amerikanischen von Friederike Meltendorf
Dumont Verlag, Köln 2009
512 Seiten, 19,95 Euro