Serie "Wortewandel"

Migrationshintergrund

04:35 Minuten
Illustration von Menschen in einer Schlange, die das Zeichen für Unendlichkeit bildet.
In der Serie „Wortewandel – Sprache ohne Rassismus“ erklären Menschen, wie sie sich selbst bezeichnen und warum. © Imago / Ikon Images / Mitch Blunt
Eine Reihe von Noelle O'Brien-Coker · 06.07.2020
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Der Begriff "Migrationshintergrund" war mal in aller Munde, doch das hat sich geändert. Für manche klingt er heuchlerisch, denn Belgier oder Franzosen würden nie so beschrieben werden. Für andere verweist er auf ein positives Alleinstellungsmerkmal.
Das Statistische Bundesamt in Deutschland hat es klar und einfach definiert: "Eine Person hat dann einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren ist."
Vor einigen Jahren hatte der Begriff Hochkonjunktur, galt vielen als politisch korrekt. Doch das ist heute anders. Gerade Menschen, die einen Migrationshintergrund haben, verwenden ihn seltener.
Porträt von Lambros Konstantin.
Konstantin ist 29 Jahre alt, lebt und arbeitet als Journalist in Köln und ist griechischstämmig. Trotz seines deutschen Passes bezeichnet er sich als „Ausländer“. © Noelle O'Brien-Coker
Für Konstantin ist das Wort "Migrationshintergrund" zu sperrig und geradezu heuchlerisch:
"Mir geht’s einfach nur um Ehrlichkeit. Und um eine Eigenbeschreibung, die vielleicht zutreffend ist. 'Mensch mit Migrationshintergrund' versucht ja eigentlich, einen bestimmten Kulturraum zu bezeichnen, meist ja Menschen aus dem Nahen Osten, und das soll irgendwie kaschiert werden, dass man eigentlich die meint. Ein Belgier ist jetzt natürlich nicht damit gemeint, also Expats. Und wahrscheinlich auch keine Italiener mehr. Obwohl die auch mal die 'schlechten Ausländer' waren in Deutschland, das vergisst man hier immer ganz gerne: Italiener, Griechen, Jugoslawen waren die 'schlechten Ausländer'. Ich bin griechischstämmig."

Stolz auf die eigenen Erfahrungen

Für Aathithya ist das anders. Sie hat positive Assoziationen mit dem Begriff:
"Meine Name ist Aathithya, ich habe Wurzeln in Sri Lanka, bin 24 Jahre alt und ich würde mich mit dem Begriff 'Mensch mit Migrationshintergrund' schon identifizieren. Ich habe lange Zeit damit gehadert, weil das ein Andersstellungsmerkmal definitiv war oder ist. Inzwischen kann ich aber dieses Alleinstellungsmerkmal positiv sehen. Weil ich stolz auf das bin, was ich erfahren habe, auch was meine Eltern erfahren haben. Wir haben halt diesen Background."
Porträt von Aathithya.
Aathithya ist 24 Jahre alt, lebt in Köln, hat einen tamilischen Migrationshintergrund und sieht sich als Brown Woman of Color.© Noelle O'Brien-Coker
Raphael ist ebenfalls einer der Befragten in der Serie "Wortewandel – Sprache ohne Rassismus". Er hat eine ganze besondere Art, mit Fremdzuschreibungen umzugehen:
"Häufig mache ich die Erfahrung, dass es gar nicht wirklich darum geht zu erfahren, woher ich komme. Meine Herkunft ist gar nicht so entscheidend, viel entscheidender ist dann am Ende eine Bestätigung dessen, was die Person über mich imaginiert hat und mir zugeschrieben hat. Und deswegen habe ich dann irgendwann für mich selbst eine Strategie entwickelt, an die Sache so ranzugehen, dass ich einfach, jedes Mal, wenn mich jemand fragt, woher ich komme, irgendetwas Anderes erzähle, weil es letztendlich ja völlig egal ist - und die Personen am Ende irgendwie mit allem total happy sind."
Porträt von Raphael.
Raphael ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Wuppertal und lebt in Köln. Mit 15 Jahren ist er aus Polen nach Deutschland migriert. Heute beschäftigt er sich insbesondere mit diskriminierungskritischer Kindheitsforschung.© Noelle O'Brien-Coker
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