Serbisches Hochwassergebiet

Angst vor dem Winter in Obrenovac

Eine völlig überflutete Straße in Obrenovac nahe Belgrad.
Das Jahrhunderthochwasser im vergangenen Mai - eine völlig überflutete Straße in Obrenovac nahe Belgrad. © dpa/epa/Andrej Cukic
Von Karla Engelhard  · 08.12.2014
Im Mai überschwemmte ein Hochwasser Teile Serbiens und Bosnien-Herzegowinas. Hart hat es die Stadt Obrenovac getroffen, unweit der Hauptstadt Belgrad. Ein halbes Jahr später sind die meisten Bewohner zurückgekehrt - auf den Winter vorbereitet sind sie nicht.
In der kleinen Straße am Friedhof von Obrenovac wird wie überall im Ort gebaut. Im kleinen serbischen Ort, keine Autostunde von Belgrad entfernt, hat vor einem halben Jahr eine Jahrhundertflut gewütet. Nach Dauerregen traten die Zuflüsse und die Save selbst über die Ufer. Gordana, Mitte 50, steht unterm Balkon ihres Hauses, der damals ihre Rettung war:
"Ich schlafe seit der Flut nur minutenweise. Sobald ich eingeschlafen bin, sehe ich das Wasser steigen. Immer wieder stehe ich auf dem Balkon und springe ins Rettungsboot."
Gordanas Haus ist wieder frisch verputzt, aber innen feucht. Sie wohnen zu fünft darin, mit ihrem Sohn, der Schwiegertochter und dem ersten Enkelkind, es wurde nach der Flut geboren:
"Wie das Baby über den Winter kommen wird, werden wir sehen. Gesund ist das Leben im feuchten Haus sicher nicht. Wir haben es erst vor zehn Jahren gebaut, wir haben alles investiert, was wir hatten. Das ist unersetzlich."
Etliche Wohnungen noch unbewohnbar
Umgerechnet knapp 3000 Euro Wiederaufbauhilfe haben sie bekommen. Doch das hätte nie gereicht. Gordanas Schwester, die in Amerika lebt, hat ihr außerdem Geld geborgt. In der Kleinstadt Obrenovac wurden 120 Häuser völlig zerstört und mehr als 5000 Wohnungen beschädigt. Etliche davon sind noch unbewohnbar. Viele Hilfsgelder hängen in der serbischen Bürokratie fest, kritisierte ein Verantwortlicher jüngst im serbischen Fernsehen.
Stojankas Haus am Anfang der Straße hat keine Fenster. Das Hochwasser hinterließ einen feuchten Rand an der Hauswand. Das Wasser stand Stojanka bis zum Hals. Im Haus ist es noch immer feucht, es riecht modrig, wo der Putz nicht abgeschlagen wurde wächst Schimmel.
"Alles war voller Schlamm. Mein Herd hat früher geglänzt, nun ist er verrostet. Den Kühlschrank und die Waschmaschine kann ich nur noch wegwerfen. Hier schlafe ich, das ist meine alte Wohnzimmertür, da liegt jetzt die Matratze drauf ... "
Es fehlt das Geld für Handwerker
Die alte Tür liegt auf zwei Stühlen, weil der Boden noch feucht ist. Auf der Tür liegt eine neue Matratze. Seit Monaten das provisorische Bett der alten Frau. Vom Hilfsgeld hat Stojanka zwei Fenster und eine neue Wohnungstür gekauft, nun fehlt das Geld für die Handwerker, um sie einbauen zu lassen.
Im Nebenzimmer türmen sich Sachen, die Stojanka aus dem Wasser retten konnte: Ihre Kleider, Geschirr und die Kühltruhe, sie schwamm auf dem Wasser und funktioniert noch, daneben fein gestapelt, sechs bis acht Kartons.
"Diese Karton habe ich vom Roten Kreuz bekommen, Putzmittel und Damenbinden. Und ich habe viele Zahnbürsten bekommen, obwohl ich gar keine Zähne mehr habe."
Die 74-Jährige hat oft einfach nur Hunger und ganz andere Hilfe nötig:
"Ich habe ein Bett beantragt, ich brauche einen Schrank und einen Herd. Aber sowas bekomme ich nicht."
Wir helfen spontan. Stojanka kann sich nun ein Bett kaufen. Sie strahlt und winkt uns lange nach.
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