Senkung der Krankenkassenbeiträge möglich

Moderation: Jörg Degenhardt |
In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass die gesetzlichen Krankenkassen im Jahr 2004 einen Überschuss von vier Milliarden Euro erwirtschaftet haben. Der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte, die Hälfte dieser Überschüsse den Versicherten zugute kommen zu lassen. Dadurch sei eine durchschnittliche Senkung von 0,2 Beitragssatzpunkten möglich.
Degenhardt: Ich begrüße nun den Gesundheitsökonomen Professor Karl Lauterbach, auch Berater der zuständigen Ministerin. Herr Lauterbach, Bezüge erhöhen, Schulden abbauen, Beiträge senken. Wie stellen Sie sich denn eigentlich die richtige Reihenfolge vor?

Lauterbach: Zunächst war es richtig, durch die Reform die hohe Verschuldung der Kassen zu stoppen und dafür zu sorgen, dass die Kassen wieder Gewinne machen. Die Kassen haben im Jahr 2003 Milliarden Verluste gemacht, im Jahr 2004 insgesamt vier Milliarden Euro Überschuss. Das ist ein großer Erfolg. Ohne die Reform wäre der Beitragssatz auf 15 Beitragspunkte gestiegen, und das wäre für den Arbeitsmarkt eine Katastrophe gewesen. Auf der einen Seite ist es so, der Schuldenabbau kann nicht die gesamte gesparte Summe konsumieren. Es wäre sicherlich sinnvoll, die Hälfte des Geldes, also etwa zwei Milliarden Euro weiterzugeben an die Versicherten, denn sie haben einen großen Teil der Reformen mitgetragen. Das würde dem Arbeitsmarkt zugute kommen. Die Kombination, die Hälfte für den Schuldenabbau und die Hälfte für die Beitragssenkung, erschien mir besonders sinnvoll.

Degenhardt: Wie groß ist überhaupt der Spielraum für eine Beitragssenkung, 0,2 Prozent oder ist sogar in Einzelfällen mehr drin?

Lauterbach: In Einzelfällen ist auf jeden Fall mehr drin, in anderen Einzelfällen wiederum weniger, im Durchschnitt 0,2 Beitragssatzpunkte. Es gibt Kassen, die durchweg 0,4 abdecken könnten. Andere können gar nicht absenken. Die Lage der Kassen ist sehr unterschiedlich wegen der unterschiedlichen Regelungen. Ein großes Problem, das wir in Deutschland nach wie vor haben, ist, dass Kassen mit vielen jungen und gesunden Mitgliedern bessere Beitragssätze bringen können.

Degenhardt: Aber wenn die Kassen jetzt zum Beispiel die Beitragssenkung in die Wege leiten, können sie dann nicht leichter neue Mitglieder gewinnen?

Lauterbach: Das können sie in der Tat. Das werden daher auch die meisten Kassen tun. Ich bin da auch gegen eine staatlich verordnete Beitragssatzsenkung, die ohnehin nicht durchsetzbar wäre. Ich glaube, dass zur Mitte des Jahres, also spätestens im Juli die Beitragssätze sinken werden, weil die Kassen, die ihren Spielraum nicht weitergeben, junge und gesunde Mitglieder verlieren und den Beitragssatz möglicherweise sogar erhöhen müssen, derweil diejenigen, die senken, ihn weiter senken können, weil sie sich im Markt behaupten.

Degenhardt: Zurück zum Aufreger des Wochenendes, nämlich die kassierenden Kassenchefs. Sollen für die Krankenkassenvorstände Gehaltsobergrenzen festgelegt werden?

Lauterbach: Da bin ich dagegen. Es gibt natürlich eine staatliche Aufsicht, die die Verhältnismäßigkeit prüft. Es handelt sich ja um quasi staatliche Gelder, aber die Erhöhungen waren hier in dem Rahmen, der durch eine solche Aufsicht wahrscheinlich zu genehmigen wäre. Problematisch ist folgendes: Hier haben wir es zum Teil mit sehr kleinen Kassen zu tun, die kein großes wirtschaftliches Risiko tragen, weil sie junge und gesunde Mitglieder haben, und trotzdem werden Vorstandsgehälter kassiert wie in großen Wirtschaftsunternehmen. Das ist nicht unbedingt vertretbar. Das ist der falsche Zeitpunkt. Ich warne aber vor einer allgemeinen Kassenschelte, denn es gibt auch Vorstände, die sich die Gehaltserhöhungen redlich verdient haben, indem sie die Gesundheitsreform umgesetzt haben, insbesondere die Strukturteile, also mehr Qualität durch Wettbewerb.

Degenhardt: Dann frage ich mal andersrum. Wann halten Sie denn eine Erhöhung der Gehälter für gerechtfertigt?

Lauterbach: Ich halte eine Erhöhung der Gehälter für gerechtfertigt, wenn der Kassenvorstand nachweisen kann, dass er beispielsweise viele Verträge für die integrierte Versorgung abgeschlossen hat - das sind Verträge für die bessere Behandlung von chronisch Kranken -, wenn er ein schönes Hausarztprogramm hingelegt hat, wenn er Bonusprogramme für mehr Vorbeugung gebracht hat und dergleichen. Dann haben die Versicherten profitiert, die Finanzlage der Staatskasse wird stabilisiert, und dann kann auch das Gehalt wachsen.

Degenhardt: Sie haben gerade die Bonusprogramme für mehr Vorbeugung erwähnt. Das bringt mich noch auf eine weitere Frage. Niedersachsens Sozialministerin Frau von der Leyen, bekanntlich CDU, will bald ein Präventionsgesetz im Gesundheitswesen, also dass eine bestimme Summe pro Krankenversicherten aufgewendet werden muss, um bestimmte Leiden zu vermeiden, die zum Beispiel durchs Rauchen entstehen. Das müsste doch die Zustimmung Ihrer Partei, oder besser gesagt, der SPD finden. Da müsste man sich doch sehr schnell einig werden, oder?

Lauterbach: Es wundert mich ein bisschen, weil ein solches Gesetz ja derzeit vorgelegt wurde von Gesundheitsministerin Schmidt. Wir brauchen dringend ein Präventionsgesetz, und ein entsprechender Gesetzesentwurf ist auch schon vorgetragen worden, ist im Ausschuss diskutiert worden und wird verfolgt. Hier kann sich Frau von der Leyen mit einbringen, aber ich glaube nicht, dass es notwendig ist, das Rad neu zu erfinden, denn der vorliegende Gesetzentwurf ist aus meiner Sicht gelungen und zielführend. Konstruktive Verbesserungsvorschläge aller Parteien sind natürlich notwendig.

Degenhardt: Vielen Dank für das Gespräch.