Senioren und Selbstverteidigung

Das Alter schlägt zurück

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Ein Trolley mit Krückstöcken im Vordergrund, Senioren mit Krückstöcken im Hintergrund.
Selbstverteidungskurse für ältere Menschen erfreuen sich reger Nachfrage. © picture alliance / dpa / Sina Schuldt
Von Katharina Peetz  · 17.03.2019
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Mehr und mehr ältere Menschen belegen Selbstverteidigungskurse. Viele von ihnen wollen lernen, sich zu wehren, um nicht hilflos Opfer von Gewalttaten zu werden. Ein Trainingsbesuch.
Nach Angaben des Bundeskriminalamtes gab es 2017 bundesweit knapp 9.500 Seniorinnen und Senioren, die Opfer von Gewaltkriminalität wurden. Immer mehr Frauen und Männer in der Altersklasse "60 plus" fühlen sich unsicher und haben Angst, Opfer von Gewalt zu werden. Deshalb besuchen sie Selbstverteidigungskurse. Katharina Peetz war in Berlin bei einer Trainingsstunde dabei.

Seniorentreff in Berlin-Spandau

Wie bei jedem Sportkurs geht es los mit Aufwärmübungen. Im Seniorenclub Lindenufer, wo sonst Nähkurse, Englischunterricht und Tanznachmittage stattfinden, üben ältere Menschen Selbstverteidigung. In dem Seniorentreff des Bezirksamts Berlin-Spandau unterrichtet Trainer Luigi Parise eine kleine Gruppe von Teilnehmern an sechs Terminen je 90 Minuten.
Der Teilnehmer des Kurse tritt in eine Box, die der Trainer hält.
Beim Pratzen-Training merken die Teilnehmenden, wie viel Kraft noch in ihnen steckt.© Deutschlandradio / Katharina Peetz
"Auch Senioren haben ganz viele Möglichkeiten ohne Körperkraft, da wir viele Sachen machen, wo wir die Kraft gegen den Gegner verwenden, also seine Kraft, und unsere dazugeben. Und die Lebenserfahrung der Senioren, Kommunikationsfähigkeit ist das A und O. Da sind auch ein paar mentale Dinge natürlich wichtig", sagt der Trainer.

Schreien als Übung

Wichtig ist zum Beispiel ein sicheres Auftreten. Deshalb üben die Seniorinnen und Senioren zu Beginn einfach mal, laut zu schreien. Manchmal sind die Teilnehmer dann von sich selbst überrascht. So wie Anne Dohrenkamp. Die 75-Jährige erinnert sich an den Beginn des Kurses: "Die erste Übungsstunde hier war mit richtig Schreien. Und wer war die Lauteste? Ich! Und seit dem weiß ich, ich kann schreien. Und seit dem weiß ich eben auch, ich bin wehrhaft. Diese Fantasie, dass man wie so ein Kaninchen vor dem Verbrecher steht, die ist bei mir vorbei. Ich fühle mich wohler so."

Atem-Übungen gegen den Schreck

In einer möglichen Gefahrensituation nicht vor Schreck zu erstarren – dagegen sollen auch Atem-Übungen helfen. Parise: "Und dann merken wir, wie wir uns beruhigen mit dieser Atmung, die uns handlungsfähig macht, vor Erstarren schützt und gut gegen aufregende Situationen ist." Der Trainer erlebt in den Kursen oft, dass sich ältere Menschen anfangs unterschätzen. "Deswegen machen wir auch das Pratzen-Training zum Beispiel, das heißt mit Schlagpolstern arbeiten, damit die selber mal spüren, dass die ja doch ganz schön Kraft haben." Das führe auch zu mehr Selbstbewusstsein. "Da sind die dann mitunter ganz überrascht, wenn sie merken, was noch in ihnen steckt. Der Körper, mit dem kann man ganz viel machen, wenn man ihn wieder benutzt."

Treten will gelernt sein

Die Teilnehmerin Eva-Maria Tews winkelt ihr Bein an und tritt gegen das schwarze Polster in der Luft. Der Trainer ruft: "Nicht mit der Spitze, Schienbein oder Spann, jaaa genau." Auf einem Bein zu stehen, fiel Tes am Anfang noch ziemlich schwer. Dabei habe der Kurs geholfen. Aber um sie in der Realität auf eine gefährliche Situation vorzubereiten, reichten die sechs Stunden nicht aus, glaubt die 68-Jährige: "Realistisch denke ich mal, in der Phase in der wir jetzt sind, können wir es knicken. " Es müsse mehr gemacht werden. "Ich denke so einmal wöchentlich bringt in unserem Alter – wenn man so sieht wie die einzelnen kämpfen. Die kämpfen ja dabei, halbwegs stehen zu können. Ich denke es müsste viel viel öfter werden."
Aber solch einen Kurs könne sich nun mal auch nicht jeder leisten, gibt Twes zu bedenken. Die sechs Stunden kosten 72 Euro.
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