Sender im Auge

Von Stephanie Kowalewski |
Wenn das Augenlicht schwindet sind Sehhilfen die letzte Hoffnung. Eine Gruppe von Forschern unterschiedlicher Disziplinen arbeitet seit Jahren an einer Prothese, die auch völlig erblindeten das Sehen wieder ermöglichen soll. Das Retina-Implantat soll Patienten mit unheilbaren Netzhauterkrankungen in Zukunft etwas Sehkraft wiedergeben.
Retinitis Pigmentosa heißt die Erbkrankheit, bei der die Netzhaut von außen nach innen abstirbt. Die Patienten können zunächst Farben und Kontraste immer schlechter wahrnehmen bis sie ihre Sehkraft schließlich völlig verlieren, erklärt Prof. Peter Walter, Direktor der Universitäts-Augenklinik in Aachen.

"Bei dieser Erkrankung liegt ein Defekt in den Genen vor, die für den Bau von Stoffen, Eiweißen zuständig sind, die unabdingbar sind dafür, dass die Zellen aus Licht einen Nervenimpuls machen. Und dadurch funktionieren diese Zellen nicht beziehungsweise sterben nach einer Zeit ab. Und zwar immer mehr. Und so kommt es zu einem zunehmenden Verfall des Gesichtsfeldes, der Wahrnehmung, zu diesem Tunnelblick bis hin zur Erblindung."

Eine Krankheit, für die es heute keine Heilung gibt. Allein in Deutschland leiden etwa 40.000 Menschen daran. Weltweit sind es schätzungsweise drei Millionen. Eine Besonderheit der Krankheit liegt darin, dass nur die lichtempfindlichen Zellen der Retina, also der Netzhaut, zerstört werden. Die dahinter liegenden Nervenzellen, die die Informationen ans Gehirn weiterleiten, bleiben bis zu 30 Prozent erhalten.

Genau diese Nervenzellen wollen die Wissenschaftler mit dem Sehimplantat direkt ansteuern. Die Sehprothese besteht aus einer speziell präparierten Brille und einem etwa 20 Millimeter langen und hauchdünnen Implantat, dass dem Patienten in einer zweistündigen Operation ins Auge eingesetzt wird. So sollen selbst die Patienten wieder etwas sehen können, die schon vor Jahren erblindet sind, erklärt Professor Wilfried Mokwa, Leiter des Lehrstuhls für Werkstoff und Elektrotechnik der RWTH Aachen.

"Die Idee ist ja, dass man die ausgefallene Funktion, nämlich die Umsetzung der Sehreize in elektrische Reize, dass man diese Funktion ersetzten will, indem man elektrisch stimuliert. Dazu ist es natürlich notwendig, dass wir zuerst mal mit Hilfe einer Kamera die Sehinformationen aufnehmen."

Dazu wird eine winzige Videokamera in eine handelsübliche Brille eingebaut und übernimmt praktisch das Sehen. Die Videobilder werden dann durch einen Computer in elektrische Impulse umgerechnet, die die Nervenzellen stimulieren. Dieser Computer ist etwa so groß wie eine Zigarettenschachtel und kann am Gürtel getragen werden.

"Diese Daten müssen dann irgendwie zu dem Implantat in dem Auge gebracht werden. Das erreichen wir über einen Sender der vor dem Auge angebracht ist und auch in dem Brillengestell integriert wird. Das heißt in einer runden Brille etwa ist eine Spule und aus dieser Spule kommen die gesendeten Daten und im Auge ist ein Empfänger. Also im Prinzip ist das wie ein Radiosender, der Energie und Daten in das Auge hinein sendet."

Und zwar drahtlos. Im Auge selbst werden die Daten dann auf eine implantierte Folie übertragen, die mit Elektroden versehen ist. Die Elektroden reizen die Nervenzellen, die zum Sehnerv führen. Optimalerweise sieht der Mensch dann das, was die Kamera filmt. So weit die Theorie. Was Menschen mit einem solchen Retina-Implantat tatsächlich sehen können, sei derzeit noch unklar, sagt Wilfried Mokwa.

"Es wäre ein großer Fehler, den vielen betroffenen Patienten zu große Hoffungen zu machen. Was wir wissen ist, dass unsere Systeme in Tierversuchen vollständig funktioniert haben. Also die gesamte Übertragungskette vom Sender zum Empfänger im Tierauge bis hin zu registrierten Impulsen im Gehirn. Die Strecke ist sicher. Aber uns kann das Tier natürlich nicht sagen, was es sieht."

Dass die Tiere über das Sehimplantat etwas wahrgenommen haben, wissen die Forscher durch Messungen an Gehirnströmen und Nervenzellen. Wirklich klare Bilder werden aber mit dem Implantat nicht zu sehen sein, meint auch der Mediziner Peter Walter, denn noch verfügt das Implantat über viel zu wenige Elektroden.

"Wir streben hier also die Zahl von 500 bis 1000 Elektroden auf einer Fläche von drei mal drei Millimetern etwa an. Das wäre schon ein wahnsinniger technologischer Fortschritt und damit könnte man sicherlich schon Sehschärfen erreichen, die besser als zehn Prozent sind.

Im Moment sind wir noch bei bescheidenen 25 Elektroden, aber mit diesen 25 Elektroden sind wir immerhin schon einen Schritt weiter als die Amerikaner, die nur 16 Elektroden haben. Aber die grundsätzliche Machbarkeit kann man eben auch mit dieser geringen Zahl zeigen. Alle weiteren Schritte müssen dann entwickelt werden".

Aber dass es funktioniert, kann man eben auch mit 25 Elektroden zeigen. Der nächste Schritt wird nun die Erprobung im menschlichen Auge sein. In ungefähr fünf bis sieben Jahren soll das Implantat dann für den klinischen Einsatz zur Verfügung stehen. Die Forscher sind optimistisch. In Zukunft könnte die neue Technik also für viele ein Lichtblick sein.

Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen

Bundesministerium für Bildung und Forschung

Stiftung Retina Implantat