Selfpublishing bei Amazon

Der Autor muss auch Unternehmer sein

06:23 Minuten
Eine Frauenhand hält einen E-Book-Reader.
Im besten Fall baut der Selfpublisher sich eine Fan-Szene auf, die seine neuen Bücher sofort downloadet und liest. © EyeEm / Andrius Aleksandravicius
Matthias Matting im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 05.07.2019
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Jeder kann sein Buch veröffentlichen, auch wenn sich kein Verlag für das Manuskript interessiert. Das ist das Konzept von Selfpublishing. Ein Gespräch mit dem Autoren und überzeugten Selfpublisher Matthias Matting.
Stephan Karkowsky: Jeder kennt die Kritik an Amazon, aber Amazon hat auch eine kreative Gattung gefördert: Literatur im Selbstverlag nämlich. Ob das für Selbstverleger immer ein Gewinn ist, das frage ich den Physiker Matthias Matting, der unter dem Pseudonym Brandon Q. Morris Science-Fiction-Romane schreibt. Stimmt das, Sie haben schon mehr als 50 E-Books als Selfpublisher bei Amazon und Tolino veröffentlicht?
Matthias Matting: Ja, das trifft zu.
Karkowsky: Wenn ich mal fragen darf, wie viele Bücher schreiben Sie so im Monat?
Matting: Im Monat wäre jetzt zu hoch gegriffen, aber im Jahr sind es ungefähr so vier bis fünf Bücher, die ich schreibe.

Der Algorithmus bestimmt über die Bekanntheit

Karkowsky: Wie wird man denn mit einem Buch erfolgreich, für das kein Verlag im Herbstkatalog Werbung macht, das nicht auf Buchmessen zu finden ist und nicht auf Lesereisen beworben wird? Wie geht das?
Matting: Beim Selfpublishing sprechen wir eigentlich immer von Online-Anbietern, wo man platziert wird, und da hat der Verlag eigentlich erst mal keinen Vorteil. Alle Bücher sind bei den Algorithmen von Amazon oder bei den Tolino-Shops gleich, und man muss es schaffen als Autor, von den Algorithmen, die da immer am Werk sind im Hintergrund, erfasst zu werden und dann Sichtbarkeit zu bekommen. Das ist eine kleine Kunst, aber man kann sie ganz gut lernen. Also man ist letztlich nicht schlechter dran als der Verlag.
Karkowsky: Wie funktioniert das, diese Algorithmen zu überlisten, wie machen Sie das?
Matting: In der Regel basieren die auf Verkaufszahlen natürlich. Also was sich gut verkauft, wird besser präsentiert. Der Händler stellt immer das nach vorne sozusagen, was sich eh schon gut verkauft.

Am Anfang steht eine Rabattaktion

Karkowsky: Aber da sind wir ja wieder am Anfang. Erst mal muss ja etwas gefunden werden.
Matting: Genau, und da setzt man in der Regel am Anfang Rabattaktionen ein, also man macht das Buch ein bisschen billiger. Das ist auch von der Preisbindung gedeckt, und da gibt es so eine kleine spezielle Zielgruppe, die Schnäppchenkäufer – die kaufen alles wie im Kaufhaus, weil es günstig ist, und die helfen einem dann dabei, das Buch nach oben zu bringen. Später, wenn man mehr Erfahrung hat und mehr Leser, mehr Fans, dann helfen auch die Fans dabei, die immer das neue Buch natürlich als erstes kaufen.
Karkowsky: Ich habe gedacht, durch die Buchpreisbindung geht das nicht mit den Schnäppchen auf Amazon.
Matting: Nein, das geht durchaus. Buchpreisbindung sagt nur, dass alle Bücher jederzeit überall gleich viel kosten müssen. Also man muss so eine Aktion dann auch bei allen Buchhändlern durchführen.

Selfpublisher erscheinen eher nicht im Feuilleton

Karkowsky: Sie waren mit einem Ihrer Bücher mal auf der Amazon-Bestsellerliste. Was, würden Sie sagen, welche Rolle spielt der Konzern tatsächlich für das Selbstpublizieren?
Matting: Tatsächlich ist Amazon im Grunde daran schuld, dass sich das durchgesetzt hat. Es wäre irgendwann auch mal so gekommen, aber Amazon hat den Anstoß gegeben. Wir haben in Deutschland die glückliche Lage, dass der Markt jetzt nicht von Amazon beherrscht wird, sondern dass es auch andere Anbieter gibt, Tolino Media hatten Sie schon genannt, so als große Konkurrenz der deutschen Buchhändler. Das ist für die Autoren sehr gut, weil die sich natürlich gegenseitig befruchten, also Konkurrenz belebt wirklich das Geschäft. Insofern kann man da als Autor nicht klagen.
Karkowsky: Korrigieren Sie mich, wenn ich was Falsches sage, aber nach wie vor kennt die meisten erfolgreichen Selbstpublizisten kaum einer, oder?
Matting: Ja, das ist tatsächlich so der Fall.
Karkowsky: Zeigt das am Ende, dass Amazon nicht schaffen kann, was Verlage schaffen, nämlich auch Autoren bekannt zu machen und nicht nur ihre Werke?
Matting: Bekannt ist relativ. Kennen im Sinne von, dass es im Feuilleton besprochen wird, das schafft eine Amazon-Veröffentlichung nicht, aber kennen im Sinne von, dass die Leser des jeweiligen Genres den Autor kennen, das ist durchaus gegeben. Also man erreicht da auch jede Menge Leser mit. Das schafft man durchaus, wenn man das möchte als Autor, sehr gut.
Karkowsky: Sie werden niemals den Deutschen Buchpreis gewinnen als Selfpublisher, oder?
Matting: Niemals würde ich jetzt nicht sagen, aber sagen wir in den nächsten zehn Jahren nicht.
Karkowsky: Und auch die Poeten des Bachmann-Preises sind in der Regel keine Selbstpublizierer. Stimmt denn das Vorurteil, dass durch dieses Selbstpublizieren die Qualität von Büchern insgesamt gesunken ist, allein weil es so viele davon gibt?
Matting: Nein, das kann man überhaupt nicht sagen. Die Leser sind ja letztlich die, die die Qualität beurteilen, und die merken sehr schnell, ob ein Buch gut oder schlecht ist. Schlechte Bücher bekommen schlechte Bewertungen und werden gar nicht von den Algorithmen erfasst und versinken irgendwo im Bodensatz. Man kann natürlich alles veröffentlichen, was immer man möchte, aber das wird von niemandem letztlich gefunden dann.

Mehr verdienen als Verlagsautoren

Karkowsky: Aber es bleibt ja das Vorurteil, wenn dieses Buch einen Verlag gefunden hätte, dann wäre das ja schon ein Qualitätsbeweis, denn die Verlage wählen ja sehr sorgfältig aus. Amazon macht das nicht, da kann veröffentlichen wer und was er will, oder?
Matting: Das würde stimmen, wenn die Autoren sozusagen alle wöllten, dass ihr Buch im Verlag erscheint. Aber ich habe jetzt auch selber zum Beispiel gar kein Interesse daran, da einen Verlag einzuschalten, weil es einfach viel praktischer ist, wenn ich es direkt und selbstgesteuert veröffentlichen kann. Also, man muss als Autor das Interesse daran haben, auch selbst Unternehmer zu sein, und wenn das gegeben ist, dann ist der Verlag auch gar nicht notwendig.
Karkowsky: Verdienen Sie mehr als Selfpublisher als andere Autoren, die sich einen Verlag suchen und dann vielleicht so zwei bis zehntausend Exemplare verkaufen?
Matting: Ja, das würde ich schon sagen. Ich bin ja speziell in der Nische der Science-Fiction unterwegs, und da galt eigentlich lange Jahre, dass man da als Autor jetzt nicht wirklich Geld verdienen kann, wenn man nicht gerade einer der beiden großen Bestseller ist. Das gilt im Selfpublishing so nicht.
Karkowsky: Und dass Amazon mit Kindle Unlimited ein Portal geschaffen hat, das ja so einer Art Flatrate gleichkommt, ist das gut für die Selfpublizierer, oder ist das eher so, dass Sie jetzt klagen wie die Leute, die bei Spotify ihre Musik verlegen und dafür kaum Geld kriegen?
Matting: Ganz so schlimm wie bei Spotify ist es nicht. Es ist gut für die Leser, grundsätzlich, gerade die Vielleser, die für 9,99 Euro dann so viel lesen können wie sie möchten. Insofern muss ich auch noch sagen, wenn es gut für die Leser ist, ist es in der Regel auch gut für mich. Klar, man kann sich immer darüber unterhalten, ob die Bezahlung fair ist. Da muss man einfach sehen, wenn man das nicht mehr findet, gibt es glücklicherweise in Deutschland auch Alternativen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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