Selfies als Museumsstücke

Die Botschaft hinter den Selbstporträts

Eine Frau macht in der Ausstellung ein Selfie vor einem Bild an einer Wand
Das Selfie ist zum museumsreifen Thema geworden. Das Foto zeigt die Ausstellung "Ego Update" im NRW Forum Düsseldorf. © dpa/picture alliance/Maja Hitij
Valentin Groebner im Gespräch mit Vladimir Balzer · 21.12.2015
Selfies sind längst als Kulturgut akzeptiert und finden Eingang in Museen. Viele Ausstellungen haben sich 2015 den Smartphone-Selbstporträts gewidmet. Der Historiker und Buch-Autor Valentin Groebner sagt, was hinter diesen Momentaufnahmen von uns selbst steckt.
Auffällig viele Ausstellungen in Museen haben sich in diesem Jahr mit Selfies beschäftigt. Und nicht nur das: Viele Kunsthallen und Galerien fordern die Besucher auch ausdrücklich zu Selfies vor Kunstwerken auf - um daraus auch wieder so eine Art Kunstwerk zu machen.
Der Historiker Valentin Groebner, Experte für Mittelalter und Renaissance an der Universität Luzern, hat sich in dem Buch "Ich-Plakate" mit Selbstporträts beschäftigt und sagt:
"Das Selfie ist in gewisser Weise ein Genre, das es jetzt plötzlich gibt. Und wie jedes gute Genre lässt es die Vergangenheit plötzlich anders aussehen." Bei seinen Recherchen stieß Groebner auf ein Bild aus dem Jahr 1524, das zum "Ur-Selfie" erklärt wurde: Das "Selbstporträt im konvexen Spiegel" des Malers Parmigianino. Das Ölgemälde hat mit seiner leichten "Fisheye"-Optik tatsächlich Ähnlichkeit mit einem Smartphone-Selfie.
Nachrichtenkanal für Selfies
Auch in der Frühzeit der Fotografie habe es bei betuchten Bürgern eine Zeit lang eine regelrechte Manie gegeben, Visitenkarten mit einem Porträtbild auszustatten. Eine Art Vorläufer von Facebook.
Charakteristisch für ein Selfie sei, dass es dem (Selbst-)Betrachter sagen wollen: "Ich - jetzt." Und Facebook fungiere in diesem Zusammenhang wie ein Nachrichtenkanal, der diese Botschaft verbreite. Die Kehrseite: Die Social-Media-Plattform verleibe sich auf diese Weise die Gesichter seiner Benutzer aktiv ein. All die stolzen Urheber der Selfies dokumentieren damit, dass sie ihre Gesichter auf Instagram posten, dass sie dort in vollem Bewusstsein die Rechte an ihrem Gesicht abträten: "Wir erleben, dass die Menschen mit ihren eigenen Gesichtern verschwenderisch umgehen."
Groebner selbst ist übrigens bekennender Nicht-Smartphone-Besitzer und macht niemals Selfies: Sein Uralt-Handy hat keine Kamera.
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