Selbstporträts und Spiegel

15.07.2005
Der schottische Künstler Douglas Gordon ist einer der renommiertesten zeitgenössischen Künstler. Zurzeit zeigt er im Berliner Guggenheim eine von ihm kuratierte Ausstellung mit eigenen Werken und denen anderer Künstler. Zentrales Thema ist hier das verschleierte Selbstporträt in der Kunst, das Gordon wiederum mit Spiegeln vervielfacht. Vera Görgen hat Douglas Gordon getroffen.
Auf einem winzigen Passfoto sieht man Douglas Gordon mit einer gammeligen, schief sitzenden, blonden Perücke. Der Titel: "Selbstporträt als Kurt Cobain, als Andy Warhol, als Myra Hindley, als Marilyn Monroe." Stars, deren Persönlichkeit zur Maske stilisiert wurde - von der Öffentlichkeit oder von ihnen selbst. Ein Thema in der Schau "The Vanity of Allegory", die Gordon kuratiert hat, ist das verschleierte Selbstporträt in der Kunst. Auch ein Bild nach dem italienischen Renaissance-Künstler Perugino ist dabei.

Gordon: " Dieses Werk ist sozusagen das Fundament der Ausstellung. Es ist ein Gemälde des Heiligen Sebastian. Normalerweise sieht man die ganze Figur und typischerweise neun Pfeile. Ich dachte, das ist unglaublich, weil es hier nur einen Pfeil gibt, der im Hals steckt. Und darauf steht der Name des Künstlers. Ich fand das einen absurden, schönen, narzisstischen Zug von ihm. Wir wollten das Gemälde von der Eremitage leihen, aber die sagten Nein. Das hier ist eine Kopie, aber eine spiegelverkehrte. Wenn man das Bild durch den Spiegel an der anderen Wand betrachtet, dann sieht man eine Fata Morgana von der Kopie, die der Wahrheit vielleicht näher kommt. Es wird sehr verwirrend sein."

Der Spiegel ist ein zentrales Motiv in Gordons Werk. Er ließ einen kleinen Kinosaal in die Deutsche Guggenheim bauen und die äußere Wand hat er ganz verspiegelt. Das Stück, das der Fläche des Eingangs zum Kino entspricht, hat er in den ersten Raum gehängt.

Gordon: " Ich fand es interessant, dass das Erste, was man sieht – oder nicht sieht -, der Spiegel ist. Der ist so ähnlich wie ein Durchgang und garantiert werden ein paar Leute das nicht erkennen und dagegen rennen. Er provoziert sie in ihrem Vertrauen, in ihrer Sicherheit und gefährdet sie. Das erste, was man sieht, ist vielleicht nicht das letzte, das man sehen will, weil das bewegte Bild viel mehr Zweifel erzeugt als ein Gemälde oder eine Fotografie. Das bewegte Bild fordert meine Zweifel mehr heraus als das statische Bild oder das statische Objekt. Es fällt mir leichter, meine Zweifel in einem bewegten Bild zu bestätigen, wegen des Zeit-Aspekts. Ich finde Fehlinterpretationen fantastisch."

Gordons Werke verlieren sich nicht in konzeptuellen Spielereien, sie überzeugen auch visuell. Schlagartig berühmt wurde er 1993. Er zeigte den Hitchcock-Klassiker Psycho vergrößert, ohne Ton und auf 24 Stunden gedehnt. Auch damit forderte er die Wahrnehmung des Betrachters heraus. So konterkarierte er die Sogwirkung des Plots und die Aura der Hollywood-Schauspieler. Der Betrachter sah sich auf sich selbst zurückgeworfen. Gordon sieht sich weniger von anderen Video-Künstlern beeinflusst als vom Film.

Gordon: " Offensichtlich hat Video-Kunst, auch wenn sie in einem globalen Museum wie dem Guggenheim hier gezeigt wird, ein viel kleineres Publikum als das Kino. Vielleicht beziehe ich mich permanent auf das Kino, weil ich sehe, dass sein Einfluss auf die Kultur viel wichtiger ist. Walt Disney oder Francis Ford Coppola oder Martin Scorsese oder Hitchcock haben einen ganz anderen Bekanntheitsgrad als Bill Viola oder Gary Hill oder ich."

Ursprünglich wollte Gordon Maler werden. Er wuchs in einer calvinistischen Familie auf und wurde später Zeuge Jehovas – in einer Kultur, die nicht dem Bild, sondern der Schrift vertraut.
Gordon: " Ich habe den Mangel an Bildern erst bemerkt, als ich welche sah. Ich war verblüfft, als ich eine katholische Familie besucht habe. Die interessierten sich gar nicht für Kunst, aber sie hatten kleine Bilder von Salvador Dalis Christus des Heiligen Johannes am Kreuz. Sie wussten nicht, dass es Salvador Dali war, sie hatten sie einfach, weil Jesus darauf war und sie katholisch waren. Das ganze Haus war voller Jesuse! Danach malte ich viele Jesus-Bilder. Der Mangel an Bildern war vielleicht nicht der Grund dafür, dass ich Maler werden wollte, aber er forderte mich dazu heraus, einer zu werden."

In der Schau in der Deutschen Guggenheim zeigt Gordon neben den Werken anderer Künstler auch eine Reihe von Filmen – so macht er die Inspirationsquellen seiner Werke deutlich, die künstlerischen und die filmischen.

Gordon: " Vielleicht versuchen wir als Künstler einen Geisteszustand oder ein Interessensgebiet zu reflektieren oder mitzuteilen. Manchmal ist es dabei angebracht, andere Künstler zu zitieren. Denn als Künstler denkt man ständig nach über die Arbeiten anderer Leute nach und über andere Leute."

In seinem Werk nimmt Gordon in starker Weise Bezug auf das anderer Künstler: Er reflektiert es im doppelten Sinne. Auch deswegen interessiert er sich so für das Motiv des Spiegels.

Service:
Die Ausstellung The Vanity of Allegory mit Werken von Douglas Adams, Matthew Barney, Robert Gober, Roni Horn, Jeff Koons, Robert Mapplethorpe und anderen ist bis zum 9. Okober 2005 in der
Deutschen Guggenheim Berlin zu sehen.