Selbstoptimierung

Immer besser geht nicht gut

Ein junger Geschäftsmann sitzt in Meditationshaltung auf seinem Arbeitstisch hinter seinem Laptop
Es existieren viele Selbstoptimierungen, meint Felix Kloptek: "Auf dem Gebiet der Familie, der Freizeit, der Arbeit, der Liebe – überall gibt es was zu optimieren." © imago stock&people
Von Felix Klopotek · 02.01.2017
Gegen gute Vorsätze zum neuen Jahr hat Felix Klopotek nichts einzuwenden. Doch er sagt auch: Der Hang zur Selbstoptimierung ist in seinen Augen zu einer Art Dauerbeschäftigung geworden, die uns am Ende mehr schadet als nützt.
Selbstoptimierung ist ein sperriges Wort – das doch erstaunlich vielen Menschen geläufig ist. Es ist ja fast schon ein Alltagsbegriff. Selbstoptimierung – das meint nicht nur gesünder leben, sondern sich dabei ständig überprüfen. Nicht nur Engagement am Arbeitsplatz, sondern die Ziele des Unternehmens als seine eigenen erkennen. Nicht nur vielfältigen Hobbys nachgehen, sondern sie als bereichernden Teil der Persönlichkeit begreifen. Nicht einem Wertekanon zu folgen, sondern die Bereitschaft alles, was man für sich als wahr, schön und gut erarbeitet hat, auf den Prüfstand zu stellen. Selbstoptimierung bedeutet ihrem Wesen nach Entgrenzung: Jede Leistung kann man noch steigern, wenn man noch tiefer in sich eindringt, um noch mehr aus sich herauszuholen.

Optimierung - eigentlich ein Begriff für Maschinen

Es ist ein technokratischer Begriff – und das sollte unseren Verdacht erregen. Wenn von Optimierung die Rede ist, dann denkt man für gewöhnlich an maschinell gesteuerte Abläufe: Die kann man doch wohl optimieren, also nicht bloß "verbessern", sondern genauer einstellen, perfekter aufeinander abstimmen.
Aber das Selbst? Dieses nur schwer zu fassende Innenleben der Menschen? Der vermeintliche Kern unserer Persönlichkeit, der sich uns ständig entzieht? Der irgendwie zwischen Seele und Bewusstsein, zwischen Phantasie und Gedächtnis changiert? Das Selbst lässt sich also auch optimieren? Wie eine Maschine? Wie Arbeitsabläufe in Großraumbüros und Fabrikhallen?

Das Selbst ist schwer zu fassen

Die Wirklichkeit ist noch trostloser: Die Optimierung einer Maschine stößt früher oder später an ihre Grenze, sie ist bestimmt durch den Stand der Technik, den Verschleiß von Bauteilen. Das Selbst kennt aber eine solche Grenze nicht. Gerade weil es so schwer, vielleicht sogar unmöglich ist, das Selbst zu definieren, denn es ist kein abgezirkelter, autonomer Bereich im Inneren der Menschen, sondern ein Mischmasch aus Natur und Gesellschaft ist, kann man – können wir – es in jeder Hinsicht beackern, ausbeuten, manipulieren, dehnen und stauchen.

Wo ist die Grenze?

Das Versprechen der Selbstoptimierung lautet: Wenn wir nur richtig aus uns selbst schöpfen, dann können wir endlich das leisten, was uns unseren Träumen und Sehnsüchten näherbringt – Anerkennung im Job, Erfolg auf den Liebesmärkten, ein überlegenes Wissen anhäufen. Das setzt aber voraus, dass irgendwann die Anerkennung erreicht ist, irgendwann der Erfolg sich einstellt, irgendwann genug Wissen vorhanden ist. Aber wo ist die Grenze? Wer bestimmt sie? Wann hört das Streben nach ihr auf? Es hört nie auf. Selbstoptimierung ist ein Mittel im individuellen Konkurrenzkampf. Wir denken, wir hätten es im Griff, weil Selbstoptimierung auf permanenter Selbstreflexion beruht. Aber das Mittel wendet sich gegen uns. Bin das wirklich noch ich, der da unablässig grübelt, was ich jetzt noch mehr tun könnte?

Die Selbstoptimierung schießt über sich selbst hinaus

Wir verpflanzen ein totalitäres Regime von Leistungs- und Konkurrenzbewusstsein in uns. Aber dieses Regime ist brüchig. Denn so wenig sich das Selbst eindeutig bestimmen lässt, so wenig lässt sich von DER Selbstoptimierung reden. Es existieren viele Selbstoptimierungen: Auf dem Gebiet der Familie, der Freizeit, der Arbeit, der Liebe – überall gibt es was zu optimieren. Dabei geraten diese Techniken der Internalisierung von Leistungsnormen miteinander in Konflikt. Jeder weiß, wie schwer Arbeit, Familie, Liebe, Sport, Gesundheit zu versöhnen sind. Eigentlich gar nicht. Und so schießt am Ende die Selbstoptimierung in ihrer mannigfaltigen Gestalt über sich selbst hinaus. Sie wird an ihrem Erfolg zugrunde gehen.

Felix Klopotek, 1974 geboren, lebt und arbeitet in Köln. Er ist Redakteur der Kölner Stadtrevue und Autor für zahlreiche Medien, gerade ist der von ihm und Peter Scheiffele herausgegebene Reader "Zonen der Selbstoptimierung. Berichte aus der Leistungesellschaft" bei Matthes&Seitz Berlin erschienen. Derzeit arbeitet er an einer Werkbiografie des galizischen Revolutionärs und Historikers Roman Rosdolsky.

Mehr zum Thema