Selbstkontrolle stärken

Moderation: Hanns Ostermann |
Regine Kollek, Mitglied des Bioethik-Komitees der UNESCO, plädiert für eine stärkere Selbstkontrolle der Wissenschaft, um die Fälschung von Forschungsergebnissen wie in Südkorea zu verhindern. Auch solle über eine Verpflichtungserklärung der Wissenschaft gegenüber der Gesellschaft nachgedacht werden, sagte Kollek. Therapeutisches Klonen bezeichnete die Ethikexpertin als Irrweg.
Ostermann: Die Selbstkontrolle der Wissenschaft reicht nicht, davon sind jedenfalls die Bündnisgrünen überzeugt, sie fordern jetzt eine neue Bioethikkommission für den Deutschen Bundestag. Am Telefon von Deutschlandradio Kultur begrüße ich Frau Professor Regine Kollek, sie ist Mitglied des internationalen Bioethik-Komitees der UNESCO. Guten Morgen, Frau Kollek!

Kollek: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Was bedeutet der tiefe Fall des koreanischen Klonforschers eigentlich für die deutsche Stammzellenforschung?

Kollek: Also erst mal nicht besonders viel, denn in Deutschland kann weiterhin so geforscht werden, wie das bisher nach der Gesetzeslage auch möglich ist, also mit embryonalen Stammzellen, die vor einem bestimmten Zeitpunkt hergestellt worden sind, und es kann weiterhin auch mit so genannten Körperstammzellen aus Geweben geforscht werden, die ja auch ein viel versprechendes medizinisches Potenzial haben.

Ostermann: Hat sich hier aber nicht auch gezeigt, dass therapeutisches Klonen ein Irrweg ist, oder würden Sie in Ihrer Einschätzung nicht so weit gehen?

Kollek: Ich halte es aus biologischen Gründen und aus ethischen Gründen für einen Irrweg. Aus biologischen Gründen, weil das Klonen selber sehr viele Fehler erzeugt in den Fällen, so dass das therapeutische Potenzial nach wie vor auch unter Wissenschaftlern äußerst umstritten ist, und aus ethischen Gründen ist es ein Irrweg, weil dadurch natürlich, durch das Klonen auch Embryonen spezifisch für die Forschung, für die Vernichtung erzeugt werden. Und das ist beispielsweise nach der Bioethikkonvention des Europarates, der sehr viele Staaten bisher auch zugestimmt haben, verboten und für moralisch verwerflich gehalten.

Ostermann: Frau Kollek, Sie haben eben darauf hingewiesen: Bei uns ist nur erlaubt, Stammzelllinien zu importieren, die vor dem 1. Januar 2002 durch eine normale Befruchtung von Eizellen gewonnen werden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft braucht für ihre Arbeit, sagt sie, aber auch neuere Stammzellen. Also sollte das entsprechende Gesetz geändert werden?

Kollek: Ja, das ist eine Forderung, und man wird es natürlich diskutieren müssen. Interessant ist natürlich, dass die Forscher selber gesagt haben vor der Verabschiedung des Gesetzes, dass ihnen diese Stammzellen ausreichen, um grundlegende Erkenntnisse zu gewinnen, die dann wiederum nützlich sein werden für die weitergehende Erforschung der ethisch unbedenklicheren körperlichen Stammzellen, also der somatischen Stammzellen. Jetzt hat sich die Diskussion und die Argumentation etwas verändert, wie gesagt, ich bin da selber nicht vollständig entschieden, wir werden diese Frage weiter diskutieren müssen, ob dieser Zeitpunkt eventuell in einen sich ständig verschiebenden Zeitpunkt verändert werden sollte. Aber das wird sicherlich noch weitere Diskussionen erfordern, auch über das Potenzial embryonaler Stammzellen für therapeutische Zwecke.

Ostermann: Dieses Potenzial, darauf setzen ja ungemein viele Menschen Hoffnungen. Sind diese Hoffnungen berechtigt?

Kollek: Die Hoffnungen sind sicher übertrieben worden von Wissenschaftlern selber, die gerade, um die restriktiven Gesetzeslagen in einzelnen Ländern zu verändern, dieses Potenzial sehr stark unterstrichen und, wie gesagt, auch teilweise übertrieben haben. Hier gilt es sicherlich, realistischer zu sein, also diese Zellen werden sicherlich, wenn sie überhaupt jemals therapeutisch einsetzbar sein sollten, dann wird das noch viele Jahre und viel Grundlagenforschung erfordern.

Ostermann: Frau Kollek, grundsätzlich stellt sich doch auch die Frage, wie die Wissenschaft kontrolliert wird, das zeigte sich zumindest am Beispiel Korea. Reichen bei uns in Deutschland die entsprechenden Instrumente aus?

Kollek: Gut, das kann man nicht endgültig sagen. Es gibt Instrumente der wissenschaftlichen Selbstkontrolle, die nach Fälschungsfällen in Deutschland im Bereich der Gentherapie eingesetzt worden sind. Es gibt einen Ombudsmann beziehungsweise eine Ombudsfrau, der Wissenschaftler Verdachtsmeldungen übermitteln können, aber ich glaube, diese Mechanismen müssen auch gestärkt werden, und wir brauchen so etwas wie einen regelmäßigen Bericht über Tendenzen in der Wissenschaft. Die Struktur der Wissenschaft selber hat sich ja verändert im Laufe der Jahrzehnte oder Jahrhunderte, also Wissenschaft ist heute zu einem Wirtschaftsfaktor geworden, und die internationale Konkurrenz ist größer geworden. Von daher ist ja auch die Verführung zu solchen Fälschungen größer geworden, und ich glaube, dem ist noch nicht hinreichend Rechnung getragen.

Ostermann: Bedeutet das auch, dass Sie die Forderung der Grünen unterstützen? Die plädieren ja jetzt für eine entsprechende Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages.

Kollek: Die Enquete-Kommissionen, die in diesem Bereich gearbeitet haben, waren sicherlich erfolgreich. Es ist die Frage, ob eine Enquete-Kommission, die ja das Parlament berät, tatsächlich das richtige Instrument ist. Sicherlich werden wir darüber nachdenken müssen, wie das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft insgesamt neu zu gestalten ist, ob wir vielleicht eine Art von neuem Gesellschaftsvertrag brauchen, also eine Verpflichtung der Wissenschaft gegenüber der Gesellschaft, hier auch die wissenschaftliche Moral und den Ehrenkodex zu stärken und hochzuhalten, denn letztlich kann die Wissenschaft auch nur durch Wissenschaftler kontrolliert werden, weil die Details kaum von Außenstehenden durchschaut werden können.

Ostermann: Danke Ihnen für das Gespräch.