Selbstinszenierung eines Diktators
Der rumänische Dokumentarist Andrei Ujica hat sich bei den "Berliner Lektionen" mit Medientheoretiker Friedrich Kittler über seine Filmbiografie des rumänischen Diktators Nicolae Ceausescu unterhalten. Der versprochene Übergang auf die aktuellen Ereignisse in Tunesien und Ägypten fand im Renaissance Theater dann aber doch nicht statt.
Gerade noch war er Staatspräsident, Staatsratsvorsitzender und Generalsekretär der Kommunistischen Partei Rumäniens - Ämterhäufung auf höchster Ebene galt im alten Osteuropa als Tugend - da sitzt Nicola Ceausescu im Dezember 1989 neben seiner Frau in einem schäbigen Amtszimmer, hinter einem wackeligen Tisch und wird angeklagt: Schießbefehl, Unterdrückung, Genozid lauten die Anklagepunkte. Die Verhandlung, die mit der Todesstrafe endet - ohne Rechtsanwälte oder Zeugenaussagen – ist eine Farce. Aber der Filmemacher Andrei Ujica nutzt sie als erzählerische Klammer.
Nachdem Ceausescu sagt, dass er das Gericht nicht anerkenne, beginnt Ujica das politische Leben von Ceausescu zu erzählen. Dazu hat er aus über 1000 Stunden Wochenschau- und TV-Material das Leben von Nicola Ceausescu und seiner Frau Elena montiert. Von seiner Ernennung zum Ersten Sekretär der Rumänischen Arbeiterpartei 1965 bis zur Revolution 1989. Allerdings verzichtet Andrei Ujica auf jeden Kommentar. Es gibt keine Zwischentitel, keine Zeit- oder Ortsangaben.
Für den Gesprächspartner und Medientheoretiker Friedrich Kittler ein unverzeihlicher Fehler:
"Ich möchte, wenn ich einen Film über Ceausescus und Rumänien sehe – dokumentarisch oder ästhetisch oder was auch immer – ich möchte wissen: wann, wo, wie? Also nicht einfach eine Flut von hässlichen Wochenschauen oder Fernsehbildern anschauen müssen."
Andrei Ujica verteidigt sich – ein bisschen:
"Geschichte ist sicherlich datiert und hat klare Orte. Weil das immer so ist, und weil es darüber unzählige Bücher gibt, kann man es auch in Filmform so machen. Gerade deswegen wollte ich die andere Seite zeigen."
Der Filmemacher setzt zum einen ein gewisses historisches Grundwissen voraus: Alle Politiker – auch demokratisch gewählte - lieben die Selbstinszenierung. Nur können Diktatoren diese unbeschränkter zelebrieren. Dem Regisseur Andrei Ujica jedenfalls gelingt es, diese Farce, die Nicola Ceausceu um sich herum veranstalten lässt, ad absurdum zu führen, obgleich er die cineastische Fahrt durch die Jahrzehnte nicht kommentiert.
Denn die immer wiederkehrenden Massenaufmärsche, die ausschließlich glücklichen Menschen, für die es nichts Schöneres gibt, als zum Wohle der Arbeiterklasse die Planvorgaben zu übertreffen, die ständigen Huldigungen und Hymen, die die hübschen Mädchen Ceausescu bei jeder Gelegenheit trällern, und die übervollen Lebensmittelläden, durch die der Staatsmann ständig schreitet, wirken einfach grotesk.
Andrei Ujica geht es um den Fluss der Zeit, und den er hat schrecklich-schön montiert. Trotzdem verteidigt er sich im Renaissance Theater, weist darauf hin, dass die Zeitepochen oft klar seien. Zum Beispiel Ceausescus Reaktion auf den Einmarsch der anderen Warschauer Pakt Staaten in die CSSR 1968.
Andrei Ujica: "Und am 21. August hält er dann seine Rede, auf dem Balkon des ZK. In dem er einen einzigen wirklich gelungenen rhetorischen Satz sagt, frei gesprochen, in seiner ganzen politischen Karriere. Das ist auch ein Rekord."
"Es gibt keine Rechtfertigung auch nur eine Sekunde die Idee einer militärischen Intervention in die inneren Angelegenheiten eines befreundeten sozialistischen Staates zu akzeptieren."
Plötzlich wird er auch von westlichen Staatsoberhäuptern hofiert: Richard Nixon, Gerald Ford und Jimmy Carter, die Queen und König Juan Carlos schütteln seine Hand.
Hier kommt der interessanteste Moment der Berliner Lektionen, als Andrei Ujica Dinge erzählt, die nicht im offiziellen Filmmaterial zu finden sind:
"Seine ganze Karriere, internationale Karriere, ist auf diesen einen Satz gebaut. Das ist ja auch ein Rekord. Einen einzigen Satz. Dafür wurde er für zehn Jahre, für ein Jahrzehnt zum Weltstar der Politik. Und er hat in der großen Politik richtig mitgemischt."
Solche Momente waren im Renaissance Theater leider rar. Zu lange hielt sich Moderator Friedrich Kittler selbstverliebt bei seiner Filmkritik auf. Auf die Rede des Politikers Constantin Parvulescu, der 1979 auf dem 12. Parteitag Ceausescu öffentlich im Parlament angriff - ein einzigartiger Moment - ging er gar nicht ein. Das Publikum wiederum hätte gern Fragen gestellt, erhielt aber keine Möglichkeit dazu. An einem Tag, wo es doch um Demokratie geht, zumindest seltsam.
Und den angekündigten Übergang auf die aktuellen Ereignisse in Tunesien und Ägypten wiegelte der Moderator mit intellektueller Überheblichkeit ab:
Friedrich Kittler: "Ich bitte Sie, den Medienereignissen nicht einfach so zu trauen, dass Sie sie mit der Politik verwechseln."
Nachdem Ceausescu sagt, dass er das Gericht nicht anerkenne, beginnt Ujica das politische Leben von Ceausescu zu erzählen. Dazu hat er aus über 1000 Stunden Wochenschau- und TV-Material das Leben von Nicola Ceausescu und seiner Frau Elena montiert. Von seiner Ernennung zum Ersten Sekretär der Rumänischen Arbeiterpartei 1965 bis zur Revolution 1989. Allerdings verzichtet Andrei Ujica auf jeden Kommentar. Es gibt keine Zwischentitel, keine Zeit- oder Ortsangaben.
Für den Gesprächspartner und Medientheoretiker Friedrich Kittler ein unverzeihlicher Fehler:
"Ich möchte, wenn ich einen Film über Ceausescus und Rumänien sehe – dokumentarisch oder ästhetisch oder was auch immer – ich möchte wissen: wann, wo, wie? Also nicht einfach eine Flut von hässlichen Wochenschauen oder Fernsehbildern anschauen müssen."
Andrei Ujica verteidigt sich – ein bisschen:
"Geschichte ist sicherlich datiert und hat klare Orte. Weil das immer so ist, und weil es darüber unzählige Bücher gibt, kann man es auch in Filmform so machen. Gerade deswegen wollte ich die andere Seite zeigen."
Der Filmemacher setzt zum einen ein gewisses historisches Grundwissen voraus: Alle Politiker – auch demokratisch gewählte - lieben die Selbstinszenierung. Nur können Diktatoren diese unbeschränkter zelebrieren. Dem Regisseur Andrei Ujica jedenfalls gelingt es, diese Farce, die Nicola Ceausceu um sich herum veranstalten lässt, ad absurdum zu führen, obgleich er die cineastische Fahrt durch die Jahrzehnte nicht kommentiert.
Denn die immer wiederkehrenden Massenaufmärsche, die ausschließlich glücklichen Menschen, für die es nichts Schöneres gibt, als zum Wohle der Arbeiterklasse die Planvorgaben zu übertreffen, die ständigen Huldigungen und Hymen, die die hübschen Mädchen Ceausescu bei jeder Gelegenheit trällern, und die übervollen Lebensmittelläden, durch die der Staatsmann ständig schreitet, wirken einfach grotesk.
Andrei Ujica geht es um den Fluss der Zeit, und den er hat schrecklich-schön montiert. Trotzdem verteidigt er sich im Renaissance Theater, weist darauf hin, dass die Zeitepochen oft klar seien. Zum Beispiel Ceausescus Reaktion auf den Einmarsch der anderen Warschauer Pakt Staaten in die CSSR 1968.
Andrei Ujica: "Und am 21. August hält er dann seine Rede, auf dem Balkon des ZK. In dem er einen einzigen wirklich gelungenen rhetorischen Satz sagt, frei gesprochen, in seiner ganzen politischen Karriere. Das ist auch ein Rekord."
"Es gibt keine Rechtfertigung auch nur eine Sekunde die Idee einer militärischen Intervention in die inneren Angelegenheiten eines befreundeten sozialistischen Staates zu akzeptieren."
Plötzlich wird er auch von westlichen Staatsoberhäuptern hofiert: Richard Nixon, Gerald Ford und Jimmy Carter, die Queen und König Juan Carlos schütteln seine Hand.
Hier kommt der interessanteste Moment der Berliner Lektionen, als Andrei Ujica Dinge erzählt, die nicht im offiziellen Filmmaterial zu finden sind:
"Seine ganze Karriere, internationale Karriere, ist auf diesen einen Satz gebaut. Das ist ja auch ein Rekord. Einen einzigen Satz. Dafür wurde er für zehn Jahre, für ein Jahrzehnt zum Weltstar der Politik. Und er hat in der großen Politik richtig mitgemischt."
Solche Momente waren im Renaissance Theater leider rar. Zu lange hielt sich Moderator Friedrich Kittler selbstverliebt bei seiner Filmkritik auf. Auf die Rede des Politikers Constantin Parvulescu, der 1979 auf dem 12. Parteitag Ceausescu öffentlich im Parlament angriff - ein einzigartiger Moment - ging er gar nicht ein. Das Publikum wiederum hätte gern Fragen gestellt, erhielt aber keine Möglichkeit dazu. An einem Tag, wo es doch um Demokratie geht, zumindest seltsam.
Und den angekündigten Übergang auf die aktuellen Ereignisse in Tunesien und Ägypten wiegelte der Moderator mit intellektueller Überheblichkeit ab:
Friedrich Kittler: "Ich bitte Sie, den Medienereignissen nicht einfach so zu trauen, dass Sie sie mit der Politik verwechseln."