Selbstfindung in Abgrenzung
Einheit in Vielfalt, davon spricht die Präambel der europäischen Verfassung. Doch was bedeutet das im Hinblick auf die Kultur? Der Streit um die Mohammed-Karikaturen, habe immerhin eine "europäische Öffentlichkeit" entstehen lassen, stellten die Teilnehmer einer Veranstaltung der Evangelischen Akademie Loccum und der Kulturpolitischen Gesellschaft fest.
Es ist ein Kreuz mit der europäischen Selbstfindung. Zwischen grenzenlos-beliebiger Vielfalt und einer Einheit in demokratischen Werten tapst die EU seit den 70ern suchend nach ihrer Identität. Derzeit bildet sie sich vor allem in Abgrenzung heraus: Im Streit um die Mohammed-Karikaturen und ihren Folgen. Auch positiven, wie der Generalsekretär der Europäischen Kulturstiftung, Gottfried Wagner bemerkt:
"Weil hier eine europäische Öffentlichkeit entstanden ist, die erstaunlich differenziert auch die Massenmedien erreicht hat. Man hat sich mit der Problematik, mit den Hintergründen, mit den Drahtziehern, mit den Wahrnehmungen, mit den möglichen Antworten in einen gesamteuropäischen Dialog begeben, der zugibt, dass es keine einfachen Antworten darauf gibt."
Die Karikaturen als stiller oder ausgesprochener Leit-Faden der Diskussionen. Und vier Workshops: Europäische Öffentlichkeit, Werte, Friedenspolitik und Religion. Als Kulturbeauftragte der EKD reflektiert Petra Bahr den Karikaturenstreit aus christlicher Sicht:
"Wer selber eine religiöse Überzeugung hat, wird wissen um die Verletzbarkeit religiöser Empfindungen, der wird wissen, dass es ein inneres Aufgebracht-Sein gegenüber dem Allerheiligsten gibt, aber Christen und Christinnen wissen auch um das hohe Gute der Meinungsfreiheit, weil Religions- und Meinungsfreiheit eigentlich Geschwister sind. Auch wenn sie dann und wann in Rivalität zueinander stehen. Deswegen finde ich die deutsche Lösung eigentlich sehr vorbildhaft wo der Deutsche Journalistenverband in einer Form der Selbstverpflichtung mit einem eigenen Ethos an die Öffentlichkeit geht und dieses Ethos heißt: Man muss nicht alles tun, was man darf."
Überlegungen, die einfließen werden in die Definition eines "europäischen Kulturraums". Im Moment sei der noch eine Baustelle, erklärt die EU Parlamentarierin Helga Trüpel:
"Ich glaube, dass im Moment die Migrationspolitik, und wie man eine neue Form von sozialer Gerechtigkeit herstellt - dass ist eine der ganz zentralen Fragen. Und deswegen ist ein großer Teil auch im neuen europäischen Kulturprogramm die Frage der interkulturellen Politik, des interkulturellen Austausches. Und das wird uns in den nächsten Fragen beschäftigen, weil die Frage des friedlichen Zusammenlebens zu einem großen Teil daran hängt, dass wir diese Aufgabe bewältigen."
Große Aufgaben, kleine Budgets: Ganze sieben Cent sieht der Kulturhaushalt für jeden Bürger jährlich vor - in den kommenden sieben Jahren. Große Widersprüche: 2007 ist zum Jahr des interkulturellen Dialoges erklärt worden, aber die Jugendaustauschprogramme sollen gestrichen werden. Dabei sind es vor allem junge Menschen, die die Idee eines "neuen Europas" positiv besetzen, wie der Student und Tagungsteilnehmer Raffael Srauß bemerkt:
"Gerade die Identität für unsere Generation ist eine anders konstruierte als die der Professoren und Doktoren, die hier besprochen wird. Die hier besprochene ist mehr so aus der historischen Sicht konstruiert, unsere ist vielleicht eher durch die haptische Erfahrung entstanden, sprich: im Zusammen-Aufwachsen mit anderen Kulturen. Meine besten Freunde waren früher immer Türken, ich bin in Frankfurt am Main aufgewachsen, studiere jetzt in Frankfurt/Oder und begegne dort Leute, die eine große Diskrepanz gegenüber Ausländern haben - jetzt nicht in Form von Rassismus oder Nationalismus, sondern einfach in Form von Abgrenzung. Gerade mit der Grenze zu Polen hin."
Auf abstrakter Ebene ist bei der Tagung schnell ein Konsens hergestellt, wenn es um die Errungenschaften Europas geht: Aufklärung und Humanismus, Friedenssicherung, Meinungsfreiheit, Rechtstaatlichkeit, Toleranz. Wie weit sie bei jedem einzelnen geht, offenbart sich in Detailfragen. Zum Beispiel der, wie man mit der Bewerbung Istanbuls zur Kulturhauptstadt 2010 umgeht. Karikaturen und Kulturhauptstadt: Europa sei der Versuch, Huntingtons These vom "Kampf der Kulturen" zu widerlegen, so fasst der Leiter der evangelischen Akademie Loccum Erich Anhelm zusammen. Dass es auch weniger kämpferisch geht, zeigt die Europäische Kulturstiftung mit "One Minute Movie". Gottfried Wagner über die Idee:
"Da arbeiten Videokünstler mit jungen Leuten und produzieren am Ende jeder einen Film - mittlerweile haben wir hunderte von Film von Casablanca in Marokko, Belfast in Nordirland, von den marokkanischen Randgebieten von Amsterdam und Rotterdam und haben ein Panorama von ungemein berührenden, oft künstlerisch völlig überraschenden Stimmen und Bildern von jungen Leuten, die über ihre Befindlichkeit in ihrer Stadt in ihrer Region aber durchaus auch in Europa ein Bild produzieren."
Wenn sich die Vielzahl dieser Bilder zu etwas verdichtet - einer Stimmung, einem Eindruck, dann wäre das wohl möglich etwas, dass einer kulturellen Identität von Europa nahe käme. Ganz ohne Kampf der Kulturen.
"Weil hier eine europäische Öffentlichkeit entstanden ist, die erstaunlich differenziert auch die Massenmedien erreicht hat. Man hat sich mit der Problematik, mit den Hintergründen, mit den Drahtziehern, mit den Wahrnehmungen, mit den möglichen Antworten in einen gesamteuropäischen Dialog begeben, der zugibt, dass es keine einfachen Antworten darauf gibt."
Die Karikaturen als stiller oder ausgesprochener Leit-Faden der Diskussionen. Und vier Workshops: Europäische Öffentlichkeit, Werte, Friedenspolitik und Religion. Als Kulturbeauftragte der EKD reflektiert Petra Bahr den Karikaturenstreit aus christlicher Sicht:
"Wer selber eine religiöse Überzeugung hat, wird wissen um die Verletzbarkeit religiöser Empfindungen, der wird wissen, dass es ein inneres Aufgebracht-Sein gegenüber dem Allerheiligsten gibt, aber Christen und Christinnen wissen auch um das hohe Gute der Meinungsfreiheit, weil Religions- und Meinungsfreiheit eigentlich Geschwister sind. Auch wenn sie dann und wann in Rivalität zueinander stehen. Deswegen finde ich die deutsche Lösung eigentlich sehr vorbildhaft wo der Deutsche Journalistenverband in einer Form der Selbstverpflichtung mit einem eigenen Ethos an die Öffentlichkeit geht und dieses Ethos heißt: Man muss nicht alles tun, was man darf."
Überlegungen, die einfließen werden in die Definition eines "europäischen Kulturraums". Im Moment sei der noch eine Baustelle, erklärt die EU Parlamentarierin Helga Trüpel:
"Ich glaube, dass im Moment die Migrationspolitik, und wie man eine neue Form von sozialer Gerechtigkeit herstellt - dass ist eine der ganz zentralen Fragen. Und deswegen ist ein großer Teil auch im neuen europäischen Kulturprogramm die Frage der interkulturellen Politik, des interkulturellen Austausches. Und das wird uns in den nächsten Fragen beschäftigen, weil die Frage des friedlichen Zusammenlebens zu einem großen Teil daran hängt, dass wir diese Aufgabe bewältigen."
Große Aufgaben, kleine Budgets: Ganze sieben Cent sieht der Kulturhaushalt für jeden Bürger jährlich vor - in den kommenden sieben Jahren. Große Widersprüche: 2007 ist zum Jahr des interkulturellen Dialoges erklärt worden, aber die Jugendaustauschprogramme sollen gestrichen werden. Dabei sind es vor allem junge Menschen, die die Idee eines "neuen Europas" positiv besetzen, wie der Student und Tagungsteilnehmer Raffael Srauß bemerkt:
"Gerade die Identität für unsere Generation ist eine anders konstruierte als die der Professoren und Doktoren, die hier besprochen wird. Die hier besprochene ist mehr so aus der historischen Sicht konstruiert, unsere ist vielleicht eher durch die haptische Erfahrung entstanden, sprich: im Zusammen-Aufwachsen mit anderen Kulturen. Meine besten Freunde waren früher immer Türken, ich bin in Frankfurt am Main aufgewachsen, studiere jetzt in Frankfurt/Oder und begegne dort Leute, die eine große Diskrepanz gegenüber Ausländern haben - jetzt nicht in Form von Rassismus oder Nationalismus, sondern einfach in Form von Abgrenzung. Gerade mit der Grenze zu Polen hin."
Auf abstrakter Ebene ist bei der Tagung schnell ein Konsens hergestellt, wenn es um die Errungenschaften Europas geht: Aufklärung und Humanismus, Friedenssicherung, Meinungsfreiheit, Rechtstaatlichkeit, Toleranz. Wie weit sie bei jedem einzelnen geht, offenbart sich in Detailfragen. Zum Beispiel der, wie man mit der Bewerbung Istanbuls zur Kulturhauptstadt 2010 umgeht. Karikaturen und Kulturhauptstadt: Europa sei der Versuch, Huntingtons These vom "Kampf der Kulturen" zu widerlegen, so fasst der Leiter der evangelischen Akademie Loccum Erich Anhelm zusammen. Dass es auch weniger kämpferisch geht, zeigt die Europäische Kulturstiftung mit "One Minute Movie". Gottfried Wagner über die Idee:
"Da arbeiten Videokünstler mit jungen Leuten und produzieren am Ende jeder einen Film - mittlerweile haben wir hunderte von Film von Casablanca in Marokko, Belfast in Nordirland, von den marokkanischen Randgebieten von Amsterdam und Rotterdam und haben ein Panorama von ungemein berührenden, oft künstlerisch völlig überraschenden Stimmen und Bildern von jungen Leuten, die über ihre Befindlichkeit in ihrer Stadt in ihrer Region aber durchaus auch in Europa ein Bild produzieren."
Wenn sich die Vielzahl dieser Bilder zu etwas verdichtet - einer Stimmung, einem Eindruck, dann wäre das wohl möglich etwas, dass einer kulturellen Identität von Europa nahe käme. Ganz ohne Kampf der Kulturen.