„Selbstbild mit dem Fremdbild in einen Dialog bringen“
Der Schriftsteller Ilija Trojanow hat sich anlässlich der kulturpolitischen Konferenz „Perspektive Europa“ in der Berliner Akademie der Künste mit der Rolle Europas auseinandergesetzt. „Es ist immer wieder Konfliktpotenzial, dass Menschen in der arabischen Welt, afrikanischen Welt, lateinamerikanischen Welt natürlich noch sehr, sehr genau sich daran erinnern, was Europa alles für grausige Schäden, Verwüstungen, Genozide angerichtet hat“, sagte Trojanow.
Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Gespräch:
Vladimir Balzer: Ein Thema beherrscht ja die Schlagzeilen in den letzten Tagen und wird es demnächst auch noch mehr tun, nämlich der G8-Gipfel. Es geht ja dort um grundlegende Fragen unserer Existenz, etwa den Klimawandel, aber auch die Armut in Afrika. Dort sind ja bei weitem nicht nur Europäer dabei: Kanada, USA, Japan, auch sie bestimmen mit, wenn also die großen Fragen bei solchen Treffen ausgehandelt werden. Was haben wir Europäer da noch mitzureden?
Ilja Trojanow: Na ja, die Frage ist natürlich, wieso all jene Menschen, die am meisten davon betroffen sind und die die Mehrheit der Weltbevölkerung ausmachen, da nie mitreden dürfen, wenn über die Armut in Afrika, in Asien und Lateinamerika geredet wird, wenn über die enormen sozialen Diskrepanzen geredet wird, dann sind die relativ machtlos. Sie haben auch in ihrer Aufzählung übrigens den afrikanischen Nobelpreisträger (…), dessen Stimme natürlich ganz, ganz wichtig ist, weil er einer der wenigen ist, die wirklich in der Weltöffentlichkeit als Stimme aus Afrika gehört werden. Das heißt gerade in der Kunst der Literatur ist es eine erste Aufgabe, Stimmen aus diesen Regionen erst einmal überhaupt wahrzunehmen und ihnen ein Forum zu verschaffen.
Balzer: Sind Europäer eventuell sensibler für diese Stimmen als auf anderen Kontinenten?
Trojanow: Nein, das würde ich so nicht sagen. Ich glaube, die zentrale Einsicht, wenn man als Europäer durch diese anderen Kontinente reist, ist, dass die Menschen dort uns meistens kritischer betrachten als wir uns selber sehen. Wir haben auch aufgrund der langen Zeit des Friedens in Europa und aufgrund einer sehr starken Konditionierung im Sinne von freiheitlicher Bürgerrechte, im Sinne von sozialer Marktwirtschaft, haben wir natürlich ein momentan sehr positives Eigenbild, und es ist immer wieder Konfliktpotenzial, dass Menschen in der arabischen Welt, afrikanischen Welt, lateinamerikanischen Welt natürlich noch sehr, sehr genau sich daran erinnern, was Europa alles für grausige Schäden, Verwüstungen, Genozide angerichtet hat und was teilweise bis zum heutigen Tag – Stichwort Irak – angerichtet wird. Das heißt: Ein erster Schritt ist natürlich das Selbstbild mit dem Fremdbild in einen Dialog zu bringen.
Das vollständige Gespräch mit Ilija Trojanow können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.
Vladimir Balzer: Ein Thema beherrscht ja die Schlagzeilen in den letzten Tagen und wird es demnächst auch noch mehr tun, nämlich der G8-Gipfel. Es geht ja dort um grundlegende Fragen unserer Existenz, etwa den Klimawandel, aber auch die Armut in Afrika. Dort sind ja bei weitem nicht nur Europäer dabei: Kanada, USA, Japan, auch sie bestimmen mit, wenn also die großen Fragen bei solchen Treffen ausgehandelt werden. Was haben wir Europäer da noch mitzureden?
Ilja Trojanow: Na ja, die Frage ist natürlich, wieso all jene Menschen, die am meisten davon betroffen sind und die die Mehrheit der Weltbevölkerung ausmachen, da nie mitreden dürfen, wenn über die Armut in Afrika, in Asien und Lateinamerika geredet wird, wenn über die enormen sozialen Diskrepanzen geredet wird, dann sind die relativ machtlos. Sie haben auch in ihrer Aufzählung übrigens den afrikanischen Nobelpreisträger (…), dessen Stimme natürlich ganz, ganz wichtig ist, weil er einer der wenigen ist, die wirklich in der Weltöffentlichkeit als Stimme aus Afrika gehört werden. Das heißt gerade in der Kunst der Literatur ist es eine erste Aufgabe, Stimmen aus diesen Regionen erst einmal überhaupt wahrzunehmen und ihnen ein Forum zu verschaffen.
Balzer: Sind Europäer eventuell sensibler für diese Stimmen als auf anderen Kontinenten?
Trojanow: Nein, das würde ich so nicht sagen. Ich glaube, die zentrale Einsicht, wenn man als Europäer durch diese anderen Kontinente reist, ist, dass die Menschen dort uns meistens kritischer betrachten als wir uns selber sehen. Wir haben auch aufgrund der langen Zeit des Friedens in Europa und aufgrund einer sehr starken Konditionierung im Sinne von freiheitlicher Bürgerrechte, im Sinne von sozialer Marktwirtschaft, haben wir natürlich ein momentan sehr positives Eigenbild, und es ist immer wieder Konfliktpotenzial, dass Menschen in der arabischen Welt, afrikanischen Welt, lateinamerikanischen Welt natürlich noch sehr, sehr genau sich daran erinnern, was Europa alles für grausige Schäden, Verwüstungen, Genozide angerichtet hat und was teilweise bis zum heutigen Tag – Stichwort Irak – angerichtet wird. Das heißt: Ein erster Schritt ist natürlich das Selbstbild mit dem Fremdbild in einen Dialog zu bringen.
Das vollständige Gespräch mit Ilija Trojanow können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.