Selbstbewusst an sich selbst zweifeln

Von Carolin Pirich |
Verena Rossbacher hat bisher einen Roman veröffentlicht. Geschrieben hat sie ihn als Diplomarbeit für das "Deutsche Literaturinstitut" in Leipzig und ihm den etwas rätselhaften Titel "Verlangen nach Drachen" gegeben. Ihr Diplom hat sie bestanden, das Buch ist im Kiepenheuer und Witsch Verlag erschienen. Ein beachtlicher und viel beachteter Debutroman. Jetzt ist Verena Rossbacher zum Bachmann-Preis nach Klagenfurt eingeladen.
"Ja, hallo und herzlich Willkommen zu einer neuen Ausgabe von 'Mit Autoren durch das Alphabet', heute zum Buchstaben M ..."

Wer sich für die Autoren interessiert, die in Klagenfurt aus ihren unveröffentlichten Texten lesen, kann sich Videos auf der Internetseite des Bachmannpreises ansehen, die ihn oder sie vorstellen soll. Bei Verena Rossbacher ist das aber nicht so einfach.

"Verena Rossbacher, schön, dass Sie sich Zeit genommen haben für 'mit Autoren durch das Alphabet'."
"Ich bin nicht Frau Rossbacher!"

Es ist nicht Verena Rossbacher, die da von einem blumig sprechenden Reporter interviewt wird, der anstelle eine Mikrofons einen Rhabarberstengel in der Hand hält. Es ist ein junger Mann. Der erste Gedanke: Verena Rossbacher zeigt sich nicht, denn sie ist scheu. Oder eitel. Oder sie hatte keine Lust, sich filmen zu lassen. Aber es ist einfacher.

(lacht sehr) "Ich hab das Drehbuch geschrieben. Wir wollten ein bisschen Spaß haben."

Verena Rossbacher sitzt unter alten Bäumen auf dem Kinderspielplatz, den sie als Treffpunkt vorgeschlagen hat. Das Haar trägt sie kunstvoll im Nacken zusammen gesteckt – wie eine ehrwürdige Dame aus einem Literatursalon des vorletzten Jahrhunderts sitzt sie da, schmal, aufrecht, konzentriert, ernst meistens. Aber jetzt wippen ihre glitzernden Ohrringe verspielt auf und ab, so sehr muss sie über das Video lachen, über den Schabernack, den sie sich selber ausgedacht hat.

"Ich find es sehr schwierig, wenn Autoren über ihr eigenes Schreiben reden. Ich find das wahnsinnig eitles Geschwätz. Ich hab genug eitles Geschwätz von mir gegeben und schäme mich für jedes Wort, das es gibt davon. Ich dachte, es ist ganz gut, dem ein bisschen aus dem Weg zu gehen."

Eine Zwickmühle. Eigentlich liebt sie es, das Sprechen über fremde Texte und über die, die sie selbst geschrieben hat. Deshalb hat Verena Rossbacher auch am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig studiert, dort hat sie kaum anderes gemacht.

"Wenn man nicht auf die Schnauze fliegen will, muss man das auch reflektieren. Es gibt zu viele Ohren, die mithören und die dir auf den Punkt fühlen, wenn du es nicht machst. Das interessiert mich auch am Schreiben. Dieser Dialog, der ein Reflektieren ist, man schreibt etwas, das vielleicht klüger ist, als man ist, und man zieht sich hoch an dem, und am Ende weiß man es auch."

Verena Rossbacher hat schon als Kind viel gelesen und viel geschrieben. Vielleicht spricht sie deshalb ohne Dialekt, obwohl sie im österreichischen Vorarlberg aufwuchs. 1979 wurde sie geboren, eine von vielen Geschwistern, die Mutter Psychotherapeutin, der Vater Lehrer. Zum Studieren ging sie dann erst in die Schweiz, Theologie, Philosophie und Germanistik. Daneben arbeitete sie einige Jahre auch als Hausmädchen bei einer reichen Familie, die für alles Personal hatte.

"Ich mochte das sehr, diese Art von Intimität, die man da erlebt. Man ist nicht gefragt, als Person. Und man bewegt sich so nah an dem, wie Leute leben.""

Aber wenn Verena Rossbacher an ihren Texten arbeitet, dreht sich alles um sie selbst. Beim Schreiben holt die Schriftstellerin ihre inneren Bilder aus sich heraus, hält sie fest. Ein Buch wächst mehr intuitiv als geplant zusammen.

Ihr erster Roman ist so entstanden, "Verlangen nach Drachen”. Er handelt von einer Studentin und Aushilfskellnerin, die reihenweise Männer verführt. Allerdings schreibt Rossbacher aus der Sicht der Männer. Die sich aufdrängende Frage, wie viel sie davon selbst so erlebt hat, umschifft sie geschickt.

"Die Frage nach dem Autobiographischen ist immer interessant. Ich glaube, es ist der natürlichste Weg, über die Autobiografie zur Fiktion zu gelangen. Gut ist, wenn das Fabulieren gelingt."/

Nachdem ihr erster Roman veröffentlicht ist, steht ihr Name in vielen Zeitungen. "Herausragend”, heißt es da, "erstaunlich”, "barock” und "deftig-humorig”. Der Verlag schickt einen Stapel Kritiken, der mehrere Zentimeter dick ist.

"Du magst zehn wunderbare Rezensionen haben und einen Verriss, und du stellst alles in Frage. Auch wenn es schöne Artikel sind, die tun wahnsinnig wohl in dem Moment. Aber sie helfen trotzdem nicht über die Tiefpunkte hinweg. Es hilft nichts gegen diese starken Selbstzweifel, die man hat, auch die Frage, ob man das überhaupt kann, was man da macht.""

Die Mogelpackung. Ein Gefühl, dass sie nicht losbekommt. Verena Rossbacher spricht aber nicht von "ich”. Sie spricht von "man”. Als müsse sie immer eine Distanz zwischen sich und dem, was sie sagt, herstellen.

"Das sagen viele Künstler von sich, dass sie faken und dass dann tatsächlich der ganze Rummel einmal auffliegt. Die Selbstkritik weiß genau, was hier läuft, was man da an Budenzauber eigentlich aufbaut. Es ist ein Balanceakt zwischen Narzissmus, den man in jeder Kunst braucht, sonst macht man es nicht, und das zu beschneiden und sich selbst zur Strecke zu bringen."

Klingt aufreibend. Aber eigentlich lässt das Leben Verena Rossbacher wenig Zeit, lange zu grübeln. Es gibt das nächste Buch, die Lesereisen und vor allem ihre kleine Tochter, die sie jetzt abholen muss. Sie springt auf, drückt fest die Hand, schnappt ihre sehr große, rote Tasche, winkt noch einmal fröhlich und eilt davon.