Sekt für alle
Zu seinen Sammlern pflegt Sigmar Polke ein sehr pragmatisches Verhältnis. "Egal, wer der Käufer ist, es verlässt kein Bild das Atelier, ohne dass ich das Geld habe", beschied er dem Sammler Frieder Burda einmal, und der ist ihm bislang nichts schuldig geblieben.
Inzwischen verbindet den Künstler und seinen gut betuchten Kunden so etwas wie eine Freundschaft. Andere Sammler, wie der Industrielle Josef Froehlich, halten eher auf Distanz, weil sie des Künstlers primadonnenhaftes Getue nervt. Wenn er Polke anrief, rief der nicht zurück, doch wenn der Malerstar mal knapp bei Kasse war, drängte er den Sammler von sich aus gerne mal zum Kauf.
Die Zeiten knapper Kassen sind für Polke längst vorbei, doch noch immer gilt er als extrem kontaktscheu und kompliziert. Götz Adriani, der Kurator der Baden-Badener Schau, hatte 1976 in Tübingen die erste Polke-Retrospektive überhaupt veranstaltet. Bilanz: 600 Besucher, 35 verkaufte Kataloge.
"Er war damals schon sehr skurril und sehr schwierig, aber es hat alles hervorragend geklappt. Und mich hat es gereizt, eben nach 30 Jahren nochmals eine Polke-Retrospektive zu machen, mit diesen drei Sammlern. Aktuell habe ich keinen Kontakt mit ihm, sondern wir haben ihm mitgeteilt, dass diese Ausstellung geplant ist, und er hat es zur Kenntnis genommen und dabei blieb es. Aber ich finde, das ist durchaus verständlich, dass er manchmal sich verweigert und zurückzieht. Das würde ich genauso machen."
Adriani ist also das Kunststück gelungen, die drei Sammler zu dieser gemeinsamen Schau zu überreden, allen voran den Kölner Urologen Reiner Speck, dessen Passion für Bücher und Bilder ihn schon in den 70er Jahren auch zu Polke geführt hat und den eine sehr literarisch geprägte Neigung an den Künstler bindet.
"Für ihn ist Polke die Säule seiner Kunstsammlung, während bei Frieder Burda Polke natürlich auch neben Richter und neben Baselitz als dritte Säule in der Sammlung kommt. Und bei Josef Froehlich sind es natürlich in erster Linie auch Warhol und Nauman und Beuys, die diese Sammlung ausmachen."
Es ist ein Glücksfall, dass sich die drei Kollektionen gegenseitig wunderbar ergänzen und eine Kuriosität am Rande, dass der Sammler Froehlich dem Sammler Speck sogar mal Polkes berühmte Fotoserie von einem Bärenkampf in Afghanistan abkaufte, wobei dieser die Transaktion später bitter bereute.
"Sie sehen sich natürlich als Konkurrenten, dass der eine gerne etwas vom anderen hätte und umgekehrt. Aber trotzdem war es eine sehr harmonische Zusammenarbeit und ohne Probleme. Und ich glaube, sie passen hervorragend zusammen und sie sind die drei bedeutendsten Polke-Sammlungen, die es gibt, international gesehen."
Die Sammler und ihre Trophäen: Speck, der Urologe, hat das Kapitel Polke mittlerweile abgehakt, zumal ihm die finanzielle Potenz fehlt, Lücken in dem von ihm favorisierten Frühwerk noch zu schließen. Froehlich hätte zwar das Geld, doch hat sich seine frühere Leidenschaft inzwischen merklich abgekühlt. Und Burda, der Hausherr, gibt den potenten Platzhirsch: Ich kann noch immer, ich will noch mehr. Stolz präsentiert er ein gerade erst erworbenes Riesenformat, das zentimetergenau ins Foyer seines Privatmuseums passt, als wäre es eigens dafür gemalt. Sammler wollen ja um ihre Beute auch beneidet und dafür bewundert werden. Und also zeigen wir uns höflich beeindruckt und schreiten dann die Bilderparade ab.
"Bilder müssen nach Rezept hergestellt werden", befand Polke 1966, und er hielt sich daran, indem er die Grundstoffe für seine haarsträubenden Bildmixturen Kaufhauskatalogen und Tageszeitungen entnahm und die Rasterpunkte der Fotos extrem vergrößerte. "Kapitalistischen Realismus" nannte er das. Wochenendhäuser, Flamingos und Pinguine tauchen auf den Bildern auf, garniert mit goldenem Flitter, geprägten Dekors und all den Traumschablonen der Wirtschaftswunderjahre.
"Weniger Arbeit, mehr Lohn", fordert ein Blättchen von 1963, ein anderes von 1969 verkündet launig: "Sekt für alle!" Und wenn Polke bedruckte Stoffe bemalt oder einfach so elf braune Würstchen auf die Leinwand lackiert, ist das natürlich Kitsch. Aber mit geradezu neurotischer Wachheit registrieren solche Bilder die Gesinnungslage und treffen den Nerv der damaligen Zeit.
Vor allem anfangs pflegt Polke eine Kultur, die eher am Kiosk als im Museum zu Hause ist: möglichst trivial und billig, möglichst schnulzig und banal; ästhetisch scheinbar anspruchslos, doch immer äußerst hintersinnig und experimentierfreudig.
Ein echter Klassiker ist das legendäre Bild "Moderne Kunst" von 1968, eine ironische Abrechnung mit der damals dominierenden Abstraktion: Ein mit schmissiger Geste hingeschlonzter Farbklecks, ein paar rechte Winkel, Kringel und ekstatische Pinselschwünge - fertig ist die Abstraktion.
Die Lust am Prozess, an der Verwandlung von Materie, hat Polke immer fasziniert. Hemmungslos, wie er persifliert und parodiert. Ein Alchimist im Atelier: Er mixt Bilder mit Lacken und bröselnden Pigmenten, verzerrt Motive aus der Kunstgeschichte und verzaubert fremde Fragmente zu verführerischen Bildern, die dröhnend ihren Kunstanspruch behaupten und sich gleichzeitig böse kichernd selbst in Frage stellen.
Die Präsentation der 60 Gemälde und 114 Papierarbeiten in den makellosen Räumen des Burda-Museums wirkt allerdings befremdlich steril und aufgeräumt und lässt kaum etwas ahnen von der chaotischen Atmosphäre des Aufbruchs und der Provokation, die mit der Produktion solcher Werke einmal verbunden war. Doch auch, wenn Polke nirgendwo so recht zu packen ist - man spürt, was diesen Mann bis heute treibt: Er lässt die Luft aus der Kunst und bläst sie dann wieder auf, wie zum Beweis.
"Da ironisiert er oder parodiert er den Ernst unserer Moderne der 50er Jahre, sei es Tachismus, sei es abstrakte Kunst. Und er dekonstruiert ja Konstruktionen und desillusioniert Illusionen. Also die Ironie und die Parodie spielen natürlich in seinem Werk eine große Rolle. Er ist einer der wenigen ernsthaften Künstler, der sich auch sarkastisch mit seiner Zeit auseinandergesetzt hat und auch auseinandersetzt. Er ist ein homo ludens, der mit dem Spiel ernsthaft umgeht und den Ernst spielerisch nimmt."
Und wie in diesem Spiel, dem Kunstbetrieb, eines ins andere greift, dafür bietet die Schau noch ein schönes Beispiel. Kurator Götz Adriani nämlich darf sich gewissermaßen auch unter die Polke-Sammler rechnen. Er hat sich einst, im günstigen Moment, eine große Polke-Arbeit auf Papier gesichert, fünf Meter lang und viel zu groß für seine Wohnung. Jetzt, im Rentenalter, will er sich von dem jahrzehntelang eingerollten Wertpapier trennen. Mit dem potenziellen Käufer, dem Museum of Modern Art in New York, laufen Verhandlungen.
Polke selbst hat zu solchen Geschäften mal einen sarkastischen Satz gesagt: "Ein Bild ist erst fertig, wenn es bezahlt ist."
Service:
Die Ausstellung "Polke - Eine Retrospektive" ist im Museum Frieder Burda in Baden-Baden bis zum 13. Mai 2007 zu sehen, danach im Museum für Moderne Kunst, Stiftung Ludwig in Wien.
Die Zeiten knapper Kassen sind für Polke längst vorbei, doch noch immer gilt er als extrem kontaktscheu und kompliziert. Götz Adriani, der Kurator der Baden-Badener Schau, hatte 1976 in Tübingen die erste Polke-Retrospektive überhaupt veranstaltet. Bilanz: 600 Besucher, 35 verkaufte Kataloge.
"Er war damals schon sehr skurril und sehr schwierig, aber es hat alles hervorragend geklappt. Und mich hat es gereizt, eben nach 30 Jahren nochmals eine Polke-Retrospektive zu machen, mit diesen drei Sammlern. Aktuell habe ich keinen Kontakt mit ihm, sondern wir haben ihm mitgeteilt, dass diese Ausstellung geplant ist, und er hat es zur Kenntnis genommen und dabei blieb es. Aber ich finde, das ist durchaus verständlich, dass er manchmal sich verweigert und zurückzieht. Das würde ich genauso machen."
Adriani ist also das Kunststück gelungen, die drei Sammler zu dieser gemeinsamen Schau zu überreden, allen voran den Kölner Urologen Reiner Speck, dessen Passion für Bücher und Bilder ihn schon in den 70er Jahren auch zu Polke geführt hat und den eine sehr literarisch geprägte Neigung an den Künstler bindet.
"Für ihn ist Polke die Säule seiner Kunstsammlung, während bei Frieder Burda Polke natürlich auch neben Richter und neben Baselitz als dritte Säule in der Sammlung kommt. Und bei Josef Froehlich sind es natürlich in erster Linie auch Warhol und Nauman und Beuys, die diese Sammlung ausmachen."
Es ist ein Glücksfall, dass sich die drei Kollektionen gegenseitig wunderbar ergänzen und eine Kuriosität am Rande, dass der Sammler Froehlich dem Sammler Speck sogar mal Polkes berühmte Fotoserie von einem Bärenkampf in Afghanistan abkaufte, wobei dieser die Transaktion später bitter bereute.
"Sie sehen sich natürlich als Konkurrenten, dass der eine gerne etwas vom anderen hätte und umgekehrt. Aber trotzdem war es eine sehr harmonische Zusammenarbeit und ohne Probleme. Und ich glaube, sie passen hervorragend zusammen und sie sind die drei bedeutendsten Polke-Sammlungen, die es gibt, international gesehen."
Die Sammler und ihre Trophäen: Speck, der Urologe, hat das Kapitel Polke mittlerweile abgehakt, zumal ihm die finanzielle Potenz fehlt, Lücken in dem von ihm favorisierten Frühwerk noch zu schließen. Froehlich hätte zwar das Geld, doch hat sich seine frühere Leidenschaft inzwischen merklich abgekühlt. Und Burda, der Hausherr, gibt den potenten Platzhirsch: Ich kann noch immer, ich will noch mehr. Stolz präsentiert er ein gerade erst erworbenes Riesenformat, das zentimetergenau ins Foyer seines Privatmuseums passt, als wäre es eigens dafür gemalt. Sammler wollen ja um ihre Beute auch beneidet und dafür bewundert werden. Und also zeigen wir uns höflich beeindruckt und schreiten dann die Bilderparade ab.
"Bilder müssen nach Rezept hergestellt werden", befand Polke 1966, und er hielt sich daran, indem er die Grundstoffe für seine haarsträubenden Bildmixturen Kaufhauskatalogen und Tageszeitungen entnahm und die Rasterpunkte der Fotos extrem vergrößerte. "Kapitalistischen Realismus" nannte er das. Wochenendhäuser, Flamingos und Pinguine tauchen auf den Bildern auf, garniert mit goldenem Flitter, geprägten Dekors und all den Traumschablonen der Wirtschaftswunderjahre.
"Weniger Arbeit, mehr Lohn", fordert ein Blättchen von 1963, ein anderes von 1969 verkündet launig: "Sekt für alle!" Und wenn Polke bedruckte Stoffe bemalt oder einfach so elf braune Würstchen auf die Leinwand lackiert, ist das natürlich Kitsch. Aber mit geradezu neurotischer Wachheit registrieren solche Bilder die Gesinnungslage und treffen den Nerv der damaligen Zeit.
Vor allem anfangs pflegt Polke eine Kultur, die eher am Kiosk als im Museum zu Hause ist: möglichst trivial und billig, möglichst schnulzig und banal; ästhetisch scheinbar anspruchslos, doch immer äußerst hintersinnig und experimentierfreudig.
Ein echter Klassiker ist das legendäre Bild "Moderne Kunst" von 1968, eine ironische Abrechnung mit der damals dominierenden Abstraktion: Ein mit schmissiger Geste hingeschlonzter Farbklecks, ein paar rechte Winkel, Kringel und ekstatische Pinselschwünge - fertig ist die Abstraktion.
Die Lust am Prozess, an der Verwandlung von Materie, hat Polke immer fasziniert. Hemmungslos, wie er persifliert und parodiert. Ein Alchimist im Atelier: Er mixt Bilder mit Lacken und bröselnden Pigmenten, verzerrt Motive aus der Kunstgeschichte und verzaubert fremde Fragmente zu verführerischen Bildern, die dröhnend ihren Kunstanspruch behaupten und sich gleichzeitig böse kichernd selbst in Frage stellen.
Die Präsentation der 60 Gemälde und 114 Papierarbeiten in den makellosen Räumen des Burda-Museums wirkt allerdings befremdlich steril und aufgeräumt und lässt kaum etwas ahnen von der chaotischen Atmosphäre des Aufbruchs und der Provokation, die mit der Produktion solcher Werke einmal verbunden war. Doch auch, wenn Polke nirgendwo so recht zu packen ist - man spürt, was diesen Mann bis heute treibt: Er lässt die Luft aus der Kunst und bläst sie dann wieder auf, wie zum Beweis.
"Da ironisiert er oder parodiert er den Ernst unserer Moderne der 50er Jahre, sei es Tachismus, sei es abstrakte Kunst. Und er dekonstruiert ja Konstruktionen und desillusioniert Illusionen. Also die Ironie und die Parodie spielen natürlich in seinem Werk eine große Rolle. Er ist einer der wenigen ernsthaften Künstler, der sich auch sarkastisch mit seiner Zeit auseinandergesetzt hat und auch auseinandersetzt. Er ist ein homo ludens, der mit dem Spiel ernsthaft umgeht und den Ernst spielerisch nimmt."
Und wie in diesem Spiel, dem Kunstbetrieb, eines ins andere greift, dafür bietet die Schau noch ein schönes Beispiel. Kurator Götz Adriani nämlich darf sich gewissermaßen auch unter die Polke-Sammler rechnen. Er hat sich einst, im günstigen Moment, eine große Polke-Arbeit auf Papier gesichert, fünf Meter lang und viel zu groß für seine Wohnung. Jetzt, im Rentenalter, will er sich von dem jahrzehntelang eingerollten Wertpapier trennen. Mit dem potenziellen Käufer, dem Museum of Modern Art in New York, laufen Verhandlungen.
Polke selbst hat zu solchen Geschäften mal einen sarkastischen Satz gesagt: "Ein Bild ist erst fertig, wenn es bezahlt ist."
Service:
Die Ausstellung "Polke - Eine Retrospektive" ist im Museum Frieder Burda in Baden-Baden bis zum 13. Mai 2007 zu sehen, danach im Museum für Moderne Kunst, Stiftung Ludwig in Wien.