Seismograph für Qualitätsfernsehen

Von Rainer Braun · 15.03.2006
Der Grimme-Preis hat keinen besonderen Glamour-Faktor und lockt auch nicht mit hohen Preisgeldern. Doch gilt er als Seismograph dafür, was im abgelaufenen TV-Jahr besonders sehenswert war. Am Vormittag wurden die Preisträger des nunmehr 42. Wettbewerbs bekannt gegeben. Großer Sieger waren die öffentlich- rechtlichen Anbieter, allen voran die ARD, die sich gleich über insgesamt neun Preise freuen konnte.
Vorab: 2005 war insgesamt ein guter Jahrgang, was die Qualität der TV-Produktionen angeht - auch wenn unser persönlicher Fernseh-Konsum diesen Eindruck vielleicht nicht immer bestätigt. Das eindeutige Übergewicht der gebührenfinanzierten Sender bei der Preisvergabe erstaunt dabei kaum.

In Zeiten sinkender Werbeerlöse setzte die kommerzielle Konkurrenz überwiegend auf Bewährtes. "Die Luftbrücke" kostete Sat 1 viel Geld und brachte Quoten, überzeugte aber künstlerisch kaum. So reichte es am Ende nur für die Pro7-Serie "Stromberg" zu einem Grimme.

Richtig ist aber auch, dass gerade die Qualitätsprogramme von ARD und ZDF im Dokumentarbereich immer öfter in Nischen oder auf Spartensendern wie dem Kulturkanal "Arte" ausgestrahlt werden.

Dabei war im abgelaufenen Jahr gerade bei den Dokumentarfilmern eine bemerkenswerte Hinwendung zu Wirtschaftsthemen erkennbar. Stellvertretend für andere Beiträge ging deshalb ein Grimme-Preis an Klaus Stern, der mit "Weltmarktführer - die Geschichte des Tan Siekmann" tiefe Einblicke in die IT-Branche gewährte. Bleibende Eindrücke ganz anderer Art gestattete uns Michael Richter. Minutiös zeichnete er in "Abschiebung im Morgengrauen" den Weg derer nach, die in unserer Gesellschaft nicht mehr erwünscht sind.

Und ein Ausrufezeichen setzte auch Eugene Jarecki mit seinem kritischen Blick auf die US-Militärpolitik in "Why we fight". Dass wiederum der Sonderpreis des Landes NRW an "Welthauptstadt Germania" ging, konnte kaum überraschen: Wer um die ambivalente Auseinandersetzung mit dem architektonischen Erbe des NS-Zeit weiß, dürfte Artem Demenoks auch filmisch gelungene Arbeit schätzen gelernt haben.

Bedauerlich war in einer starken Konkurrenz am Ende nur, dass der wohl politisch brisanteste und exzellent recherchierte Beitrag am Ende leer ausging: In Köln löste die WDR-Story "Milliarden-Monopoly" ein mittleres Erdbeben aus - bei Grimme reichte es nur zu einer Nominierung.

Im fiktionalen Bereich überraschte das relativ schwache Abschneiden des ZDF, das allerdings mit Matti Geschonnecks gelungener Verfilmung von Alexander Osangs "Nachrichten" das vielleicht beste Einzelstück lieferte. Die ARD, und da vor allem der Bayerische Rundfunk, konnten sich auf der ganzen Linie freuen, gab es doch nicht nur für zwei höchst unterschiedliche Polizeirufe - wie den "scharlochroten Engel" und "Die kleine Frau" - Auszeichnungen. Denn gleich mit Gold wurden nach seiner Kino-Auswertung "Hierankl" und das bewegende Melodram "Marias letzte Reise" prämiert, das Anfang April noch einmal in der ARD zu sehen ist.

Nicht vergessen seien schließlich auch die Preise der Kategorie "Spezial". Kurt Krömer, der erfrischende Anarcho-Komiker aus Berlin, musste sich erneut nur mit zwei Nominierungen begnügen. Preise gingen stattdessen durchweg an Arte. Dass Sportjournalismus übrigens auch anders aussehen kann als derzeit bei ARD und ZDF zelebriert, zeigten eindrucksvoll Justin Webster und Daniel Hernández mit ihrer Innenansicht des "FC Barcelona".

Nicht vergessen sei schließlich die besondere Ehrung, die in diesem Jahr an Elke Heidenreich geht. Da bleibt eigentlich nur zu hoffen, dass auch das laufende Fernseh-Jahr ähnlich positive Resultate hervorbringt und die ARD angesichts der diesjährigen Preisflut etwas intensiver darüber nachdenkt, ob die Verleihung der Grimme-Preise nicht im Ersten ausgestrahlt werden sollte.
Adolf Grimme Preis