Seine erste Ausstellung war ein "Riesenflop"

Moderation: Frank Meyer |
Als Andy Warhol im Januar 1967 seine erste Ausstellung in Deutschland hatte, war das für seinen Galeristen Rudolf Zwirner ein Misserfolg. Er habe seine Ausstellung mit Tapetenrollen und Helium-Kissen bestückt, erinnerte sich Zwirner. Dennoch sei ihm klar geworden: "Die Revolution ist nicht Warhol gewesen, nur Warhol hat es auf den Punkt gebracht."
Frank Meyer: Mit Suppendosen, Dollar-Noten, Seifenkartons und seriellen Promiporträts hat er die Kunst vom hohen Sockel geholt: Andy Warhol. Wie Andy Warhol in seiner Zeit gewirkt hat, das möchte ich jetzt mit dem Galeristen Rudolf Zwirner besprechen, er hat vor ziemlich genau 40 Jahren, am 24. Januar 1967, in seiner Kölner Galerie Zwirner als Erster Werke von Andy Warhol in der Bundesrepublik gezeigt. Herr Zwirner, war diese erste Präsentation in Köln ein Erfolg oder ein Flop?

Rudolf Zwirner: Es war ein Riesenflop natürlich. Das lag schon daran, dass ich gar keine Bilder gezeigt habe, sondern Andy Warhol kam mit einer dicken Tapetenrolle mit Kühen drauf. Das heißt, wir mussten den Tapeziermeister bitten, unser Galerie zu tapezieren. Und gleichzeitig kamen in der Kiste 30, 40, 50 Helium-Kissen, die ich mit Helium füllen ließ und die dann in der Galerie schwebten. Man muss sich das so vorstellen, man kommt in die Galerie, die Wände, an denen normalerweise Bilder hängen, waren mit einer Tapete zugekleistert und im Raum schwebten die Kissen. Und immer, wenn einer rein oder raus ging in die Galerie, passierte es sehr leicht, dass ein Kissen entschwebte durch die Tür. Die drängelten sich wie Liebespaare an der Tür, durch den leichten Windzug war das ein Geraschel und Getuschel in der Galerie, es war sehr merkwürdig und manchmal musste ich wirklich im letzten Moment die Kissen zurückpfeifen, denn jedes Kissen war immerhin 100 Mark wert. Das war eine Negativbilanz.

Aber: mir wurde plötzlich klar, wie intelligent dieser Mann ist, denn zunächst machte das für mich keinen großen Sinn. Tapeten an der Wand, die man sowieso nicht verkaufen kann, Kissen, die nichts wert waren, die nur Dekoration waren. Das war eine kunsthistorische Antwort auf eine bedeutende Ausstellung von 1938, die Marcel Duchamp gemacht hatte, denn der hatte 1938 in Paris die Surrealisten gebeten um Beiträge, hat selber aber die Decke voll gehängt mit 600 oder 700 Kohlensäcken, sodass die bedeutenden Bilder von Dali, Miro und Max Ernst an den Wänden mehr wie Tapete wirkten. Das eigentliche waren die ungeheueren schwarzen Kohlensäcke in dem Raum. Und er, der Andy Warhol, der angeblich nie liest und sich nur Bilder anguckt, wusste ganz genau von dieser Ausstellung und hat die Umkehrung gemacht. Er hat gleich die Tapete hergestellt und an die Wand geklatscht und die Kohlensäcke waren die leichten Helium-Kissen. Das war eine extrem brillante Ausstellung. Nur: Es war eine Ausstellung, die zu Diskussionen aufforderte und insofern war es sehr positiv für mich. Es wurde etwas diskutiert, was gar nicht verkäuflich war. Und das war schon wichtig genug. Und bei Andy Warhol war es immer ein intellektueller Hintergrund. Das Verkaufen, von dem er zwar so gerne sprach, war nicht das Entscheidende. Sonst hätte er auch nie diese Wirkung gehabt.

Meyer: Heute sagt man ja gerne, es war eine Revolution, was er ausgelöst hat. Er hat das ganze Kunstsystem durcheinander gewirbelt. Hat man das damals schon gespürt?

Zwirner: Natürlich hat man nicht den Begriff Revolution benutzt, weil das ja eine fließende Sache ist. Der Umbruch in der Kunst war 1959 in Europa bereits sichtbar. Ich war Generalsekretär der zweiten documenta 1959. Das war der Moment, wo die abstrakte, informelle Malerei gefeiert worden ist. Und genau in diesem Jahr bricht eine andere Welt ein, die Welt der realen Dinge. Mit Armand, Klein und gleichzeitig drüben in Amerika mit Rauschenberg und Johns. Die Revolution ist nicht Warhol gewesen, nur Warhol hat es auf den Punkt gebracht. Warhol kam nicht wie Künstler aus dieser Zeit aus den Akademien, er war zwar ausgebildet als Künstler, aber für Design. Er hat Schuhe entworfen.

Das gesamte Gespräch mit Rudolf Zwirner können Sie für begrenzte Zeit in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.