Sein Herz schlug für Mozart
Der Historiker und Autor Joachim Fest ist sein Leben lang mit Büchern hervorgetreten, in denen er sich mit der Zeit des Faschismus auseinandersetzte. Der 2006 verstorbene Publizist ist jetzt in dem Band "Flüchtige Größe" als Kulturjournalist wiederzuentdecken. 40 Essays über Mozart oder Thomas Mann erweisen sich als Zeugnisse großartiger Kulturkritik.
Als Schriftsteller ist der 2006 verstorbene Joachim C. Fest vor allem durch seine Arbeiten zum Nationalsozialismus bekannt geworden; seine heute schon legendäre Hitler-Biographie (1973) machte ihn weltberühmt. Bücher über Albert Speer, seine Porträts deutscher Widerstandskämpfer, schließlich "Der Untergang" (2002), die Darstellung der letzten Wochen des NS-Regimes, festigten den Ruf eines glänzenden Historikers, obwohl Joachim Fest das Fach nie studiert hat.
In einem Interview zu Joachim Fests 75. Geburtstag findet man die persönliche Bemerkung, wonach jedes dieser Bücher zum Nationalsozialismus im Grunde "eine verpasste Gelegenheit" gewesen sei, darüber zu schreiben, was ihn wirklich interessiere. Mozart, Wagner, die italienische Renaissance, Thomas Mann – Kultur also, das sei das eigentliche Herzens-Thema, das von den "Nazi-Geschichten" immer wieder verdrängt worden sei. Vor allem das Buch "Im Gegenlicht" (2004) zeigt die kulturelle Leidenschaft des studierten Germanisten und Kunsthistorikers. Aber auch im journalistischen Tagesgeschäft gab es für den langjährigen Feuilleton-Chef der "FAZ" vielerlei Anlass, zum ‚Eigentlichen‘ zu kommen.
Diese Arbeiten versammelt nun der Band "Flüchtige Größe" mit nahezu 40 Essays über Literatur, Kunst und Musik. Dazu zählen Texte und Reden über Goethe, Ernst Jünger, Graham Greene und Friedrich Sieburg, etliche Gedicht-Interpretationen für die Lyrik-Wochenendbeilage der FAZ, die große, auch als Buch gesondert veröffentlichte Studie der "unwissenden Magier" Thomas und Heinrich Mann. Die Kunst repräsentieren Essays etwa zu Palladio, Schinkel und Horst Janssen, im Musikalischen nähert sich Fest dem erklärten Liebling Mozart und, skeptisch verständnisvoll, dem Wesen Richard Wagners.
Alle diese Texte sind getragen von hoher Kennerschaft und Fests meisterlicher Stilistik, erzeugen so eine Atmosphäre großer und großartiger Kulturkritik, wie man sie in der zeitgenössischen deutschen Publizistik kaum mehr findet. Zugleich relativiert sich das weithin verhärtete Urteil über Joachim Fest als konservativ hochmütigen Bildungsbürger und Meinungsmacher, der alles Künstlerische ablehnt, was ‚linker" Gesinnung verdächtig ist. Dazu ist Joachim Fest einfach zu klug. Denn allein schon aufgrund seiner umfassenden humanistischen Bildung in Literatur, Musik und Malerei weiß er um die Abgründe, die psychologischen Zerrissenheiten und komplizierten Seelenlagen von hochgespannten Künstlernaturen, und er stellt das in Rechnung, wenn er etwa den erschreckend exzentrischen Künstlerfreund Horst Janssen ebenso einfühlsam wie diskret porträtiert.
So wird "Flüchtige Größe" zu einem intellektuellen Genuss und auch zu einem Dokument der Erinnerung an die Leistungen kulturkritischer Urteilskraft, die in Zeiten zusehends verarmender Bildung ziemlich verloren scheint.
Rezensiert von Joachim Scholl
Joachim Fest: "Flüchtige Größe. Gesammelte Essays über Literatur und Kunst"
Rowohlt Verlag Hamburg 2008, 461 Seiten, 19,90 EUR
In einem Interview zu Joachim Fests 75. Geburtstag findet man die persönliche Bemerkung, wonach jedes dieser Bücher zum Nationalsozialismus im Grunde "eine verpasste Gelegenheit" gewesen sei, darüber zu schreiben, was ihn wirklich interessiere. Mozart, Wagner, die italienische Renaissance, Thomas Mann – Kultur also, das sei das eigentliche Herzens-Thema, das von den "Nazi-Geschichten" immer wieder verdrängt worden sei. Vor allem das Buch "Im Gegenlicht" (2004) zeigt die kulturelle Leidenschaft des studierten Germanisten und Kunsthistorikers. Aber auch im journalistischen Tagesgeschäft gab es für den langjährigen Feuilleton-Chef der "FAZ" vielerlei Anlass, zum ‚Eigentlichen‘ zu kommen.
Diese Arbeiten versammelt nun der Band "Flüchtige Größe" mit nahezu 40 Essays über Literatur, Kunst und Musik. Dazu zählen Texte und Reden über Goethe, Ernst Jünger, Graham Greene und Friedrich Sieburg, etliche Gedicht-Interpretationen für die Lyrik-Wochenendbeilage der FAZ, die große, auch als Buch gesondert veröffentlichte Studie der "unwissenden Magier" Thomas und Heinrich Mann. Die Kunst repräsentieren Essays etwa zu Palladio, Schinkel und Horst Janssen, im Musikalischen nähert sich Fest dem erklärten Liebling Mozart und, skeptisch verständnisvoll, dem Wesen Richard Wagners.
Alle diese Texte sind getragen von hoher Kennerschaft und Fests meisterlicher Stilistik, erzeugen so eine Atmosphäre großer und großartiger Kulturkritik, wie man sie in der zeitgenössischen deutschen Publizistik kaum mehr findet. Zugleich relativiert sich das weithin verhärtete Urteil über Joachim Fest als konservativ hochmütigen Bildungsbürger und Meinungsmacher, der alles Künstlerische ablehnt, was ‚linker" Gesinnung verdächtig ist. Dazu ist Joachim Fest einfach zu klug. Denn allein schon aufgrund seiner umfassenden humanistischen Bildung in Literatur, Musik und Malerei weiß er um die Abgründe, die psychologischen Zerrissenheiten und komplizierten Seelenlagen von hochgespannten Künstlernaturen, und er stellt das in Rechnung, wenn er etwa den erschreckend exzentrischen Künstlerfreund Horst Janssen ebenso einfühlsam wie diskret porträtiert.
So wird "Flüchtige Größe" zu einem intellektuellen Genuss und auch zu einem Dokument der Erinnerung an die Leistungen kulturkritischer Urteilskraft, die in Zeiten zusehends verarmender Bildung ziemlich verloren scheint.
Rezensiert von Joachim Scholl
Joachim Fest: "Flüchtige Größe. Gesammelte Essays über Literatur und Kunst"
Rowohlt Verlag Hamburg 2008, 461 Seiten, 19,90 EUR