"Sehnsucht nach Führung in der Partei ist unbestritten"

Mike Mohring im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler |
Der CDU-Fraktionschef im Thüringer Landtag, Mike Mohring, zeigt sich nach dem Sechs-Augen-Gespräch im Kanzleramt zufrieden. Er sei froh darüber, dass es eine Diskussion über die Zukunft von Union und Koalition gegeben habe, sagte Mohring.
Jan-Christoph Kitzler: Bundeskanzlerin Angela Merkel ist nach der Weihnachtspause wieder zurück auf der politischen Bühne. Am Freitag bei einer Klausursitzung des CDU-Bundesvorstandes hat sie versucht, den Unmut in den eigenen Reihen zu beruhigen, und gestern Abend ging es beim Koalitionsgipfel darum, die Risse in der schwarz-gelben Koalition zu kitten. Viele Streitfragen sind allerdings noch offen, und das sorgt für Unmut in den eigenen Reihen.

In der CDU ist eine offene Debatte entbrannt über das Profil der Partei. Erst vor acht Tagen hatten vier Landespolitiker in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" offen den Führungsstil der Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzenden Angela Merkel kritisiert. Einer von ihnen ist Mike Mohring, der CDU-Fraktionschef im Thüringer Landtag. Guten Morgen!

Mike Mohring: Guten Morgen, Herr Kitzler.

Kitzler: Das Spitzentreffen ist ja gestern ohne ein zumindest klares Ergebnis zu Ende gegangen. Sind Sie trotzdem zufrieden, dass man sich wenigstens zusammengesetzt hat?

Mohring: Ja. Wir haben ja gestern gelernt, es war kein Krisentreffen, und so gesehen ist es gut zu Ende gegangen, weil jetzt ist entscheidend, dass Ruhe einkehrt in der Koalition und dass klar geführt wird. Wenn das gestern rausgekommen ist, bin ich auch zufrieden.

Kitzler: Aber viele Fragen – ich hatte es gesagt – sind ja weiterhin offen, da gibt es keine klare Richtung. Das heißt, der Streit wird doch jetzt in den nächsten Wochen weitergehen, oder?

Mohring: Na gut, es ist ja die Aufgabe von der Politik, jeden Tag neu nachzudenken und Entscheidungen zu treffen, und ich habe auch nicht erwartet, dass auf diesem Treffen zum Sonntagabend abschließend alle Fragen geklärt werden können. Wir haben ja zum Beispiel in der Steuerpolitik gesagt, wir wollen als Union zunächst die Mai-Steuerschätzung abwarten, und aus den Ländern heraus kann ich diese Auffassung nur teilen: erst wissen, welche Finanzen tatsächlich da sind, und dann weitere Entscheidungen treffen.

Kitzler: Trotzdem: Wie groß ist Ihre Sorge um das Erscheinungsbild der schwarz-gelben Koalition?

Mohring: Wir hatten ja in dieser Woche eine ausführliche Debatte in der Partei, die wir mit unserem Aufsatz in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" angestoßen haben, und ich war froh darüber, dass die Debatte auch gelaufen ist und nicht abgebremst wurde, weil ich denke, wir haben genügend Aufgaben und es bleiben auch genügend Themen, dass wir ein großes politisches Angebot als Volkspartei für alle Strömungen machen können. Wenn die Debatte jetzt fortgeführt wird, ist, glaube ich, eine Menge erreicht worden.

Kitzler: In Ihrem Gastbeitrag, den Sie angesprochen haben, haben Sie sich ja gefragt, wie kann die Union wieder zu alter Stärke zurückfinden. Sehen Sie da nach diesem Wochenende inzwischen etwas klarer?

Mohring: Ja. Ich glaube, die Kritik, die wir geäußert haben, hat sich ausgezahlt, und der Bundesvorstand hat mit seiner Berliner Erklärung auch insoweit nachgearbeitet, dass jetzt klar ist, dass die Union als Volkspartei tatsächlich sich um alle ihre Strömungen kümmern muss, von der christlich-sozialen über die liberale bis auch hin zur konservativen Strömung, und dass wir jetzt nicht mehr selbstverständlich annehmen, dass die Stammwähler von vornherein sowieso bei uns stehen, sondern dass man sich auch um die kümmern muss, ist ein großer Fortschritt.

Kitzler: Aber die Zahl der Wechselwähler hat ja in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen. Ist es so falsch, um die ganz besonders zu werben?

Mohring: Man muss das eine tun, ohne das andere nicht zu lassen. Ich glaube, das ist das Entscheidende, was wir auch in dieser Woche herausgearbeitet haben. Eine Volkspartei kann nur dann ihre Bindungskraft tatsächlich erzielen und auch das Ziel 40 + X weiter in den Blick nehmen, wenn man sowohl sich um die Stammwähler kümmert, als auch natürlich immer schaut, was muss man tun, damit man auch im Großstadtmilieu als Volkspartei Anerkennung findet.

Kitzler: Das heißt, die Öffnung hin zur Mitte, die Angela Merkel angestoßen hat, mit der Berliner Erklärung auch, ist der richtige Schritt?

Mohring: Ist ja unumgänglich! Entscheidend ist nur, dass man nicht jetzt sagt, der richtige Schritt ist nur die Modernisierung, und man lässt die traditionsbewussten Wähler außen vor, sondern man muss sich um beide kümmern. Ich glaube, eine richtig gute Volkspartei schafft es, diesen Spagat auch in beide Richtungen zu machen, sowohl großstädtische Milieus zu binden, als auch die traditionsbewussten Milieus mitzunehmen.

Kitzler: In diesen Tagen konnte man viel darüber lesen, dass die CDU, dass es dort eine Sehnsucht gibt nach der alten Kampfgemeinschaft, dem alten Kampfgeist, den es noch zu Zeiten Helmut Kohls gab. Muss Ihre Partei wieder dahin zurück?

Mohring: Die Sehnsucht nach Führung in der Partei ist unbestritten, auch bei unseren Wählern. Ich habe in dieser Woche so viel Zuschriften bekommen und Unterstützung signalisiert bekommen von Wählern, aber auch von ehemaligen Wählern und ehemaligen Mitgliedern, die sagen, wir brauchen genau das, was ihr in euerem Brief angesprochen habt. Und man sieht ja mit Blick in die Vergangenheit: Die CDU war am erfolgreichsten bei Wahlen, wenn sie genau das beachtet hat und diesen Korpsgeist auch gepflegt hat.

Kitzler: Aber das heißt doch eigentlich, dass die Bundeskanzlerin ihren Stil ändern müsste, oder?

Mohring: Na ja, es gab eine Debatte darüber, ob das an der Bundeskanzlerin allein liegt. Ich glaube nicht, dass sie alleine diese Aufgabe hat als Parteivorsitzende, aber die Ermutigung, die muss natürlich von ihr ausgehen in die Gesamtpartei.

Aber das umzusetzen, das muss man vor und zwischen und zu Wahlen durch die gesamte Partei leisten, in den Landesverbänden, aber auch von der Bundespartei und über alle Vereinigungen und Sonderorganisationen, die bei uns zu Hause sind.

Kitzler: Das Bild, das die CDU abgibt, hängt ja auch sehr davon ab, was in der Bundesregierung passiert. Gibt es für Sie in der schwarz-gelben Koalition zu wenig CDU?

Mohring: Das ist eine Frage natürlich, wie man Politik gestaltet. Ich glaube, am erfolgreichsten ist man, wenn man neben dem Tagesgeschäft in der Koalition auch fortlaufend erklärt, was ist eigentlich christlich-demokratische Politik in so einer Koalition.

Dieses fortlaufende Erklären, das ist, glaube ich, wichtig und danach sehnen sich auch viele in unserer Partei. Dann hält man auch aus, dass es einen Kompromiss in der Koalition gibt, wenn man weiß, was prägt dabei christlich-demokratische Politik und welche Ideen leiten wir daraus aus der täglichen Arbeit ab.

Kitzler: Aber in den letzten Wochen hatte man ja eigentlich eher so ein bisschen den Eindruck, die FDP führt die Union so ein bisschen an der Nase herum?

Mohring: Na gut. Deswegen gab es ja parallel zu unserem Brief auch die Debatte darum, welchen Zustand hat die Koalition in Berlin. Da sind ja zwei Debatten sozusagen zusammengelaufen in der letzten Woche, und das Gespräch gestern Abend sollte ja klären, dass die Koalition gut daran tut, geschlossen und gemeinsam aufzutreten und in Ruhe ihre Arbeit zu machen. Dazu gab es ja gestern Abend das Gespräch.

Kitzler: Die Debatte um die schwarz-gelbe Regierungskoalition und um das Profil der CDU. Darüber sprach ich mit Mike Mohring, dem CDU-Fraktionsvorsitzenden im thüringischen Landtag. Vielen Dank und Ihnen einen schönen Tag.

Mohring: Ihnen auch. Einen schönen Tag!