"Seestücke"
Die in der Kunsthalle Hamburg gezeigte Ausstellung "Seestücke" ist ein Gang durch die Kunstgeschichte. Die reizvolle Kreuzfahrt führt von Caspar David Friedrich bis Emil Nolde über Romantik, Symbolismus und Impressionismus zur prismatischen Brechung maritimer Motive bei Lyonel Feininger.
Wir fahren mit auf dem Segelboot und blicken mit den beiden am Bug kauernden Figuren auf den lieblichen Himmel und den fernen Horizont, wo sich bereits die Silhouette einer Stadt abzeichnet. Dieses Gemälde Caspar David Friedrichs von 1818 ist aus der Staatlichen Eremitage St. Petersburg nach Hamburg gekommen und trifft dort auf weitere neun Werke des romantischen Malers, denn er hat Seestücke als eigenständiges Genre in der deutschen Kunst etabliert. Wobei eines seiner berühmtesten Gemälde sogar zur hauseigenen Sammlung gehört. Riesige Eisschollen beherrschen diese Komposition - fast schon nicht mehr zu erkennen ist ein in der kalten Wildnis untergegangenes Schiff. Uwe M. Schneede, Direktor der Kunsthalle, erklärt die Vorliebe vieler Maler für maritime Motive:
" Ich glaube, es ist die Tatsache, dass sich Schiffe auf dem Meer - und das Meer mit Schiffen - besonders für eine symbolische Aufladung eignen. Man kann in der Ausstellung sehen, dass es diese romantische Sehnsucht bei der Lebensfahrt gibt - bei Caspar David Friedrich - es ist eine stille Welt im Unterschied zu den Schiffsuntergängen, wo der schicksalhafte Kampf des Menschen gegen die Natur eine Rolle spielt. Es scheinen also die vielen Facetten zu sein, die dieses Thema beinhaltet."
Hat auf Friedrichs Bild "Eismeer" die Katastrophe bereits stattgefunden, so wurde sie von anderen Künstlern auf dem Höhepunkt festgehalten - so von Andreas Achenbach 1842, der den Untergang der "President" malte: das Schiff ist von Eisbergen eingekeilt, die aufgepeitschte See schiebt das Heck noch einmal steil in die Höhe, die Menschen an Bord klammern sich verzweifelt fest. Die Schaufelräder sind lädiert, Teile der Aufbauten treiben schon im Wasser, im Vordergrund liegt auf einer Scholle die abgerissene US-Flagge. Solche Katastrophen-Kunstwerke waren in den Salons beliebt und stellten wohl das Action-Kino jener Zeit dar.
Martin Faass, einer der Kuratoren: " Das trifft bei Achenbachs Untergang der "President" sicherlich zu. Er schildert das Ereignis hochdramatisch, mit schäumenden Wellen und riesigen Eisbergen, die das Schiff bedrängen. Ohne dass man damals wusste, wie es wirklich ausgesehen hat - ob das Schiff wirklich mit einem Eisberg kollidierte oder aus einem anderen Grund leckgeschlagen ist. Aber Achenbach inszeniert es so - als dramatisches Ereignis im Polarmeer."
Dass Schiffe Fortschrittssymbol waren, Parameter der technischen Entwicklung, mag heute, im digitalen Zeitalter, überraschen. Reeder gaben solche Gemälde in Auftrag, der 1867 bei Anton Melbye vorwärts strebende Dampfer drückt das Selbstbewusstsein einer Epoche aus.
Schiffe, Häfen und das offene Meer - mit großem Geschick wurden in Hamburg Werke aus 200 Jahren zu sechs Abteilungen zusammengefasst. Wobei der "Wellengang" beachtlich ist, es finden geradezu Wechselbäder statt: neben dem schäumenden Spektakel die Meeresstille, neben dem Kampf auf Leben und Tod das Alltagsbild, Szenen am Ufer.
Faass: " Es war der Versuch, etwas Unspektakuläres darzustellen, um den Blick des Betrachters auf die malerische Lösung zu lenken. Denn gerade das stille Motiv gab dem Künstler die Möglichkeit, malerisch zu brillieren."
Allmählich rückten in der deutschen Kunst die Hafenarbeiter ins Blickfeld, die zusammengepfercht in Barkassen in der Frühe zur Werft gebracht wurden. Felix Krämer, der andere Kurator der Hamburger Ausstellung:
" Der Hafen als Arbeitswelt taucht überhaupt erst um 1890 in der Malerei auf. Aber es ist bemerkenswert, dass nicht so sehr die Arbeit selbst im Vordergrund steht, sondern das Motiv Vorwand ist für eine atmosphärische Darstellung, für malerische Experimente. "
Wie sehr das Meer mit schönem Strand aber auch zur Freizeitidylle in einer industrialisierten Welt wurde, machte Max Liebermann mit seinen lichten Impressionen von der holländischen Küste deutlich: Strandkörbe und locker auf die Leinwand gesetzte Flaneure - als Gegengewicht zum urbanen Alltag.
Diese Ausstellung ist ein Gang durch die Kunstgeschichte: die reizvolle Kreuzfahrt führt über Romantik, Symbolismus und Impressionismus zur prismatischen Brechung maritimer Motive bei Lyonel Feininger. Die Künstler der "Brücke" fühlten sich ohnehin der Natur nahe, Gewässer waren kein beliebiges Motiv, das bloß dem Formexperiment diente. Die Reise mündet im Ungegenständlichen: Auf einem der pastosen Gemälde Emil Noldes zeichnen sich qualmende Dampfer gerade noch in Umrissen ab, bei seinen ungestümen "Herbstmeeren" sind die Motive schon im Farbenrausch versunken.
Viele Facetten bietet die Hamburger Schau, ausgespart bleibt die patriotische Marinemalerei: Kaiser Wilhelm II. ließ die Flotte propagandistisch ins Bild setzen. Gemälde, die bei den Nazis beliebt waren. Gerade diese Motive, so mutmaßt man in Hamburg, hätten sich in vielen Köpfen vor das übergreifende maritime Thema geschoben. Deshalb habe man sich in Ausstellungshallen noch nicht so ausführlich mit diesem Genre beschäftigt. Deshalb präsentiert man nun ein breites Panorama und öffnet so den Horizont.
Bleibt die Frage nach unserem Bild vom Meer - das ja auch vom aktuellen Geschehen, von Nachrichten über Tsunamis beeinflusst wird. Welche Motive der älteren Malerei wirken im kollektiven Gedächtnis nach?
Uwe M. Schneede: " Es sind alle, denn das Meer verbinden wir auch weiterhin mit Sehnsucht und Ferne, so wie es in der Romantik der Fall war. Zugleich spüren wir immer noch diese Bedrohung, die Nichtbeherrschbarkeit, wie wir sie in dieser Ausstellung in den großen Schifffahrtsdramen sehen. Es ist schon bezeichnend, dass die Malerei des 19. Jahrhunderts unsere unterschiedlichen Verhältnisse zum Meer - die sehnsuchts- wie die angstvollen - formuliert hat. "
Service:
Die Ausstellung "Seestücke - Von Caspar David Friedrich bis Emil Nolde" ist vom 24. Juni bis 11. September 2005 in der Hamburger Kunsthalle zu sehen.
Link:
Hamburger Kunsthalle: "Seestücke"
" Ich glaube, es ist die Tatsache, dass sich Schiffe auf dem Meer - und das Meer mit Schiffen - besonders für eine symbolische Aufladung eignen. Man kann in der Ausstellung sehen, dass es diese romantische Sehnsucht bei der Lebensfahrt gibt - bei Caspar David Friedrich - es ist eine stille Welt im Unterschied zu den Schiffsuntergängen, wo der schicksalhafte Kampf des Menschen gegen die Natur eine Rolle spielt. Es scheinen also die vielen Facetten zu sein, die dieses Thema beinhaltet."
Hat auf Friedrichs Bild "Eismeer" die Katastrophe bereits stattgefunden, so wurde sie von anderen Künstlern auf dem Höhepunkt festgehalten - so von Andreas Achenbach 1842, der den Untergang der "President" malte: das Schiff ist von Eisbergen eingekeilt, die aufgepeitschte See schiebt das Heck noch einmal steil in die Höhe, die Menschen an Bord klammern sich verzweifelt fest. Die Schaufelräder sind lädiert, Teile der Aufbauten treiben schon im Wasser, im Vordergrund liegt auf einer Scholle die abgerissene US-Flagge. Solche Katastrophen-Kunstwerke waren in den Salons beliebt und stellten wohl das Action-Kino jener Zeit dar.
Martin Faass, einer der Kuratoren: " Das trifft bei Achenbachs Untergang der "President" sicherlich zu. Er schildert das Ereignis hochdramatisch, mit schäumenden Wellen und riesigen Eisbergen, die das Schiff bedrängen. Ohne dass man damals wusste, wie es wirklich ausgesehen hat - ob das Schiff wirklich mit einem Eisberg kollidierte oder aus einem anderen Grund leckgeschlagen ist. Aber Achenbach inszeniert es so - als dramatisches Ereignis im Polarmeer."
Dass Schiffe Fortschrittssymbol waren, Parameter der technischen Entwicklung, mag heute, im digitalen Zeitalter, überraschen. Reeder gaben solche Gemälde in Auftrag, der 1867 bei Anton Melbye vorwärts strebende Dampfer drückt das Selbstbewusstsein einer Epoche aus.
Schiffe, Häfen und das offene Meer - mit großem Geschick wurden in Hamburg Werke aus 200 Jahren zu sechs Abteilungen zusammengefasst. Wobei der "Wellengang" beachtlich ist, es finden geradezu Wechselbäder statt: neben dem schäumenden Spektakel die Meeresstille, neben dem Kampf auf Leben und Tod das Alltagsbild, Szenen am Ufer.
Faass: " Es war der Versuch, etwas Unspektakuläres darzustellen, um den Blick des Betrachters auf die malerische Lösung zu lenken. Denn gerade das stille Motiv gab dem Künstler die Möglichkeit, malerisch zu brillieren."
Allmählich rückten in der deutschen Kunst die Hafenarbeiter ins Blickfeld, die zusammengepfercht in Barkassen in der Frühe zur Werft gebracht wurden. Felix Krämer, der andere Kurator der Hamburger Ausstellung:
" Der Hafen als Arbeitswelt taucht überhaupt erst um 1890 in der Malerei auf. Aber es ist bemerkenswert, dass nicht so sehr die Arbeit selbst im Vordergrund steht, sondern das Motiv Vorwand ist für eine atmosphärische Darstellung, für malerische Experimente. "
Wie sehr das Meer mit schönem Strand aber auch zur Freizeitidylle in einer industrialisierten Welt wurde, machte Max Liebermann mit seinen lichten Impressionen von der holländischen Küste deutlich: Strandkörbe und locker auf die Leinwand gesetzte Flaneure - als Gegengewicht zum urbanen Alltag.
Diese Ausstellung ist ein Gang durch die Kunstgeschichte: die reizvolle Kreuzfahrt führt über Romantik, Symbolismus und Impressionismus zur prismatischen Brechung maritimer Motive bei Lyonel Feininger. Die Künstler der "Brücke" fühlten sich ohnehin der Natur nahe, Gewässer waren kein beliebiges Motiv, das bloß dem Formexperiment diente. Die Reise mündet im Ungegenständlichen: Auf einem der pastosen Gemälde Emil Noldes zeichnen sich qualmende Dampfer gerade noch in Umrissen ab, bei seinen ungestümen "Herbstmeeren" sind die Motive schon im Farbenrausch versunken.
Viele Facetten bietet die Hamburger Schau, ausgespart bleibt die patriotische Marinemalerei: Kaiser Wilhelm II. ließ die Flotte propagandistisch ins Bild setzen. Gemälde, die bei den Nazis beliebt waren. Gerade diese Motive, so mutmaßt man in Hamburg, hätten sich in vielen Köpfen vor das übergreifende maritime Thema geschoben. Deshalb habe man sich in Ausstellungshallen noch nicht so ausführlich mit diesem Genre beschäftigt. Deshalb präsentiert man nun ein breites Panorama und öffnet so den Horizont.
Bleibt die Frage nach unserem Bild vom Meer - das ja auch vom aktuellen Geschehen, von Nachrichten über Tsunamis beeinflusst wird. Welche Motive der älteren Malerei wirken im kollektiven Gedächtnis nach?
Uwe M. Schneede: " Es sind alle, denn das Meer verbinden wir auch weiterhin mit Sehnsucht und Ferne, so wie es in der Romantik der Fall war. Zugleich spüren wir immer noch diese Bedrohung, die Nichtbeherrschbarkeit, wie wir sie in dieser Ausstellung in den großen Schifffahrtsdramen sehen. Es ist schon bezeichnend, dass die Malerei des 19. Jahrhunderts unsere unterschiedlichen Verhältnisse zum Meer - die sehnsuchts- wie die angstvollen - formuliert hat. "
Service:
Die Ausstellung "Seestücke - Von Caspar David Friedrich bis Emil Nolde" ist vom 24. Juni bis 11. September 2005 in der Hamburger Kunsthalle zu sehen.
Link:
Hamburger Kunsthalle: "Seestücke"