Seeluft schnuppern

Von Dietrich Mohaupt · 22.08.2013
Die Marine hat Nachwuchssorgen - mit ihrem Programm "Marine live" wirbt sie um freiwillige Wehrdienstleistende. Darin enthalten ist eine Ausfahrt auf einem der großen Schiffe der Marine von Kiel. Dabei soll der Beruf des Seefahrers schmackhaft gemacht werden.
Schon am frühen Morgen entern gut 60 junge Frauen und Männer im Kieler Marinestützpunkt die Fregatte "Karlsruhe". An Bord nimmt sie der Kommandant in Empfang:

"Mein Name ist Volker Blasche und ich heiße - ich sage mal euch - herzlich willkommen hier auf der "Karlsruhe". Wir haben einen super Tag heute, herrliches Wetter, wir fahren raus in die Ostsee - und das Schiff fährt heute nur für euch!"

Aktuell fehlen rund 2000 Soldaten - vor allem bei den Mannschaftsdienstgraden. Manche Schiffe sind nur einsatzbereit, wenn die Lücken zeitweise mit Personal von andern Schiffen gestopft werden, die zum Beispiel gerade in der Werft liegen. Es ist unübersehbar: Die Marine hat seit Aussetzung der Wehrpflicht ein ganz dickes Problem - das weiß auch Fregattenkapitän Blasche und rührt deshalb kräftig die Werbetrommel.

"Wenn ihr Fragen habt - fragt die Soldaten hier an Bord, macht euch ein Bild. Es ist nichts schlechter, als wenn wir raus fahren und ihr fahrt wieder zurück und habt lauter Fragen und nichts ist beantwortet worden. Auch wenn ihr Fragen an mich habt - ich bin meistens oben auf der Brücke, ich werde alles beantworten, wenn ich es kann."

Volle Kraft voraus
In kleinen Gruppen verteilen sich die Besucher nach der Begrüßung auf das ganze Schiff - der Kommandant kümmert sich derweil um das Ablegemanöver und das Auslaufen aus der Kieler Förde. Auf der Brücke der Fregatte laufen dafür die letzten Vorbereitungen. Vorsichtig manövrieren zwei Schlepper das gut 130 Meter lange Schiff aus dem Marinestützpunkt - im Fahrwasser der Kieler Förde geht es dann aus eigener Kraft weiter, und in der offenen Ostsee lässt die Fregatte dann mal so richtig die Muskeln spielen: Volle Kraft voraus lautet der Befehl:

"Beide Maschinen 30 Knoten - beide Maschinen liegen 30 Knoten - ja ..."

Außerhalb der Brücke wird es jetzt richtig laut - die Maschinen mit mehr als 50.000 PS heulen auf und beschleunigen das Kriegsschiff. In bestimmten Bereichen an Deck ist die Verständigung jetzt schwierig - auch für die Offiziere, die mit den Besuchern inzwischen zu einem Rundgang über das Schiff aufgebrochen sind.

"Man merkt, hier auf dem RAS-Deck ist es ziemlich laut ... das liegt zum Teil daran: Wir haben hier unsere Gasturbinen. Mit denen schaffen wir bis zu ca. 32, 33 Knoten - macht umgerechnet 65 Kilometer pro Stunde auf See. Ist im internationalen Vergleich relativ schnell, was dieser Fregattentyp schafft."

Nicht ganz so laut, dafür aber recht eng geht es im Inneren der Fregatte zu. Durch enge Luken zwängen sich die Besucher in schmale Flure, über steile Leitern geht es hinab in den Torpedoraum - in dem neben Torpedos auch Fahrradergometer, Turnmatten und Hanteln bereitliegen. Die Muckibude der Fregatte Karlsruhe.

"Also - Fitnessraum ist nicht ganz verkehrt, wir müssen auf unserem Fregattentyp halt kucken, wo wir unsere Sportgeräte lagern. - Und da kann man hier hingehen und ... - Dann kann man halt hier Sport machen. Wir machen aber auch draußen Sport - das zeige ich euch dann nachher, wo die gängigste Möglichkeit ist, um hier Sport zu machen."

Auf dem weiteren Besichtigungsprogramm stehen noch der Munitionsraum, die Kombüse, die Mannschaftsquartiere, der Maschinenraum, die Brücke ... nichts wird ausgelassen, keine Frage bleibt unbeantwortet - auch nicht beim gemeinsamen Mittagessen in dem zur Kantine umgebauten Hubschrauberhangar.

"Kommt so gemeinschaftliches essen öfter vor oder ... Also in dieser Form wie jetzt hier im Hangar nicht, das ist ein Sonderfall."

Menge Geschichten auf Lager
Fregattenkapitän Achim Winkler hat sich zu ein paar Jugendlichen an den Tisch gesetzt - seit über 30 Jahren ist er in der Marine aktiv, früher als Kommandeur eines Schnellboots, jetzt ist er für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Als echter Seebär hat er natürlich jede Menge Geschichten auf Lager - von einer schier endlos langen Patrouillenfahrt im Skagerrak zum Beispiel während eines Manövers im November vor vielen Jahren: Sauwetter, miese Stimmung an Bord - aber zum Glück auch ein Maschinist, der gleichzeitig ein begnadeter Hobbykoch war, erzählt Achim Winkler:

"... und dann kam er hoch und sagte: Herr Kaleu - ich war damals Kaptiänleutnant - ich gehe mal in die Kombüse. Und dann hat der sich dahin gestellt in der Küche und hat für die ganze Besatzung süße Crêpes gebacken. Das war - wie eine Rakete, die Stimmung war schlagartig wieder on Top."

Ein echter Werbefachmann bei der Arbeit - denn neben Schiffstechnik, militärischen Laufbahnen und Berufschancen soll es bei dem Besuch an Bord eben auch um Kameradschaft und Teamgeist, um dass Alltagsleben bei der Marine gehen. All das wollte der 20jährige Martin Ohmer aus Sachsen auch erleben bei seinem Besuch auf der "Karlsruhe".

"Also ich bin hierhergekommen ohne ein konkretes Ziel, ohne zu sagen: Ich will Waffenoffizier werden oder ich will in den technischen Dienst oder ich will mal auf der Brücke sitzen - ich bin eigentlich offen hierher gekommen, einfach um mal zu kucken: Was bietet die Marine prinzipiell an, wie groß ist die Bandbreite - schon mit dem Blick: Ich will aufs Schiff."

Andere wissen schon ein bisschen mehr - Christoph Herling aus dem Ruhrgebiet hat ein ganz klares Ziel vor Augen.

"2012 habe ich mein Abitur gemacht - da wusste ich noch nicht ganz genau, was ich machen sollte. Dann habe ich ein freiwilliges soziales Jahr jetzt gemacht und während des Jahres habe ich überlegt: Machst du eine Ausbildung oder gehst du zur Bundeswehr - das stand auch schon mal infrage. Ich habe auch schon meine Bewerbung losgeschickt für den 'Operationsbootsmann' - und das wollte ich mir heute hier auch noch einmal genauer ankucken, noch einmal erfahren, was genau da gemacht wird."

Passende Rahmenbedingungen schaffen
Dafür ist dann noch bis zum späten Nachmittag Zeit - überall auf dem Schiff stehen weiter Offiziere und Mannschaften Rede und Antwort, geben Auskunft zum Studium bei der Bundeswehr, zu Verwendungsmöglichkeiten als Schiffstechniker oder Navigator. Das Fazit von Fregattenkapitän Volker Blasche bei der Rückkehr nach Kiel: Wie viele von den über 60 jungen Frauen und Männern sich am Ende tatsächlich für die Marine entscheiden ist noch unklar - aber es war ein erfolgreicher Tag auf See für die Marine. Trotzdem - um das Problem "Nachwuchsmangel" dauerhaft in den Griff zu bekommen, müsse die Politik die passenden Rahmenbedingungen schaffen, so seine Forderung.

"In einem Tag Seefahrt kann ich nicht alle Facetten dessen zeigen, was unser Auftrag ist - also Pirateriebekämpfung am Horn von Afrika können wir schlechterdings hier in der Ostsee nicht darstellen. Wir leisten einen kleinen Beitrag, aber es geht in dem Bereich bis hoch in die Politik - auch der Bundestagsabgeordnete in Berlin muss für diesen Beruf auch werben, weil er uns mit den Aufgaben betraut, die wir hier wahrnehmen müssen.

Und da brauche ich auch die Unterstützung aus Berlin, sonst können wir hier so viel Werbung machen, wie wir wollen - wenn wir die Unterstützung nicht bekommen, ist das alles die Mühe nicht wert."