Seelenstriptease ins Nirgendwo

Von Alexander Kohlmann · 07.12.2012
In Hamburg ist jetzt der neue Text "Männer, Frauen, Arbeit" des Dramatikers Oliver Kluck in der Regie von Markus Heinzelmann am Deutschen Schauspielhaus zur Uraufführung gekommen. Das Stück wirkt seltsam antiquiert, wie eine Zeitreise in die 90er-Jahre.
Er lebe vor allem von Erinnerungen, heißt es über Oliver Kluck im Programmheft. Und wie ein völlig ungefilterter, ausufernder und immer wieder verschwimmender Erinnerungsreigen kommt auch sein neuer Text "Männer, Frauen, Arbeit" daher, der in der Regie von Markus Heinzelmann am Deutschen Schauspielhaus zur Uraufführung kam.

Erinnerungen an Erlebnisse in zwei Systemen, die der 1980 in Bergen auf der Insel Rügen geborene Kluck in seinem Leben schon mitgemacht hat. Eine Art Gegenüberstellung der späten DDR und der Bundesrepublik der Gegenwart könnte der Text werden, in dem Margot Honecker, Erich Honecker und später auch Helmut Schmidt zu Wort kommen. Und immer wieder Umschreibungen des weiblichen Geschlechtsteils.

"Mösen, Muschis, Spalten", als angeblich einzige Triebfeder des westdeutschen Wirtschaftssystems, das im Kern ebenso korrupt und verbraucht sei wie die DDR mit ihren greisen Apparatschiks. "Ich glaube der neue Staat ist genauso beschissen wie der alte", ist das Fazit nach zwei quälend langen Stunden, in dem alles, aber keine Auseinandersetzung mit heutigen oder vergangenen Realitäten stattfindet.

Regisseur Markus Heinzelmann schlägt sich dagegen wacker und bietet alle Mittel des deutschen Regietheaters auf, um dem sperrigen Text Bilder abzugewinnen. Eine Pappmascheeburg zerfällt langsam in ihre Einzelteile, Schauspieler sprechen vor Mikrofonständern und filmen sich gegenseitig beim Sex. Begleitet wird das Ganze von einem DJ auf der Bühne, der den klebrigen Nonsenstext wenigstens mit chilligen Rhythmen belegt.

Zum wahren Star des Abends gerät einmal mehr das Schauspielhaus selbst in seinem derzeitigen Zustand. Während die Bühne saniert wird, sitzen die Zuschauer auf Höhe des ersten Ranges und beobachten die Schauspieler auf einer Spielwiese im Zuschauerraum. Vor bröckelnden Stuckverzierungen ergeben sich so durchaus interessante Bildwelten, etwa wenn der greise Erich Honecker von der Wolkenburgkulisse mit heiserer Stimme die Zukunft des Sozialismus preist.

Allein, der Text wirkt auch in seiner Auseinandersetzung mit der greisen Politshow der untergegangenen DDR seltsam antiquiert, wie eine Zeitreise in die neunziger Jahre, als Soljanka-Witze und Gratis-Bananen noch gegenwärtig waren. Eine Reise ins Nirgendwo.


Links bei dradio.de:
Eindrücke der beiden Systeme in einem nicht entwirrbarem Ganzen
Uraufführung von "Männer Frauen Arbeit" am Schauspielhaus in Hamburg
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