Seehofer: Genpflanzen-Anbau vielerorts praktisch kaum möglich
Bundesagrarminister Horst Seehofer hat strengere Vorschriften bei der wirtschaftlichen Anwendung von Gentechnik angekündigt. So sollten die Abstände zwischen den gentechnisch veränderten Feldern und den konventionell oder ökologisch betriebenen Ackern mindestens 150 Meter in alle Himmelsrichtungen betragen, sagte der CSU-Politiker.
Leonie March: Zwei Drittel der Deutschen lehnen gentechnisch veränderte Lebensmittel ab, weil sie fürchten, dass ihre Gesundheit und die Umwelt darunter leiden. Die Absatzchancen für derartige Produkte sind also gering. Trotzdem gibt es die grüne Gentechnik auch in Deutschland. Im vergangenen Jahr wurden Genpflanzen auf knapp 950 Hektar angebaut.
Gegner, die die Risiken für zu groß halten, und Befürworter, die von einer innovativen Technologie sprechen, gibt es über die Parteigrenzen hinaus in den Reihen der SPD und der CDU/CSU. Im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung dazu verpflichtet, das Gentechnikgesetz von 2005 zu überarbeiten. Das Kabinett hat Ende Februar ein Eckpunktepapier beschlossen. Heute debattiert der Bundestag über das Thema. Am Telefon begrüße ich nun den Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer. Guten Morgen Herr Seehofer!
Horst Seehofer: Guten Morgen!
March: Nun ist das ja ein echter Interessenkonflikt: Auf der einen Seite will Deutschland den Innovationszug nicht verpassen, auf der anderen steht unter anderem die Skepsis der Bevölkerung. Wie wollen Sie diesen Konflikt denn auflösen?
Seehofer: Ja, solche Interessengegensätze erlebt man natürlich sehr häufig in der Politik, und dann muss man eben versuchen, die Interessen auszugleichen, ohne die wirklichen Prioritäten zu verletzten. Wichtigste Priorität, also das wichtigste Ziel, muss auch in der Zukunft bleiben, dass wir bei der Nutzung der Gentechnik Gefahren für den Menschen oder auch für unsere Umwelt in keiner Weise eingehen.
Deshalb wird ja bei der wirtschaftlichen Anwendung von Gentechnik, die sich ja in Deutschland im Moment auf den Mais beschränkt, werden ja die Vorschriften eher noch verschärft, also zum Beispiel die Abstandsvorschriften zwischen den landwirtschaftlichen Feldern. Also bei aller wirtschaftlichen Bedeutung, die da behauptet wird: Es darf niemals eine Nutzung der Gentechnik zum Schaden der Menschen und der Umwelt geben.
March: Das heißt, das rot-grüne Gesetz von 2005 wird nicht aufgeweicht?
Seehofer: Die Haftungsvorschriften bleiben, die sind sehr streng. Das heißt, wer heute wirtschaftlich gentechnisch veränderte Organismen nutzt, der haftet auch für sein Tun, selbst dann, wenn ihn kein Verschulden trifft. Also das sind sehr strenge Haftungsregeln, und die weichen wir nicht auf.
March: Das heißt, wenn jetzt die Pollen von einer gentechnisch veränderten Pflanze rüber wehen, meinetwegen zu einem Biobauern, der eigentlich dicht machen kann: Dann haftet der Bauer mit dem Genfeld?
Seehofer: So ist es.
March: Nun ist es ja nicht unbedingt einleuchtend, dass man ein Produkt erforschen will, auch in Feldversuchen, das man im eigenen Land eigentlich nicht verkaufen kann, weil die Konsumenten sehr skeptisch sind. Wie erklären Sie denn diese Linie?
Seehofer: Ich glaube auch, dass bei der grünen Gentechnik der Durchbruch nicht im Bereich der Lebensmittel erfolgen wird, denn hier ist der Verbraucher genau so skeptisch wie übrigens die Lebensmittelwirtschaft. Sondern wenn wir über die Forschung reden, denken wir insbesondere an die nächste Generation von gentechnisch veränderten Pflanzen, zum Beispiel bei der Erforschung der Frage, gibt es die Möglichkeit, Pflanzen auch verstärkt für den Energiebereich einzusetzen oder Pflanzen in ein vernünftiges Wachstum zu bringen unter ungünstigen klimatischen Bedingungen.
Wir haben ja auch da eine Verbindung zu dem aktuellen Problem Klimaschutz. Und da wollen wir weiter forschen, um Erkenntnisse zu gewinnen, damit uns nicht eines Tages die Chinesen sagen, wie das geht. Aber auch die Forschung muss unter strikter Beachtung der Sicherheitsinteressen erfolgen.
March: Und das Problem der Kontaminierung bleibt ja, auch wenn man den Raps jetzt meinetwegen für Biodiesel anbaut.
Seehofer: Ja, der Raps normal in der Wachstumsform, da hat ja kein Mensch was dagegen. Gentechnisch veränderter Raps, den halte ich unter Freilandbedingungen kaum für verantwortbar oder nicht für verantwortbar. Denn der Raps hat die Eigenschaft, dass er mit den allermeisten Wildpflanzen kreuzt, das heißt, dass gentechnisch veränderte Organismen dann auch in andere Wildpflanzen aufgenommen werden. Und das kann man durch Abstandsvorschriften praktisch nicht beherrschen beim Raps, weil praktisch jede oder fast jede Wildpflanze beim Raps in Frage kommt.
March: Widerstände gibt es auch an der bayrischen Basis, bei den bayrischen Bauern zum Beispiel. Sie aber wollen demnächst Vorsitzender der CSU werden. Ein Spagat zwischen den Interessen der eigenen Partei und den Innovationszielen der Kanzlerin?`
Seehofer: Ich glaube, nicht. Denn wir haben die Absicht, die Abstände zwischen den Feldern wesentlich größer zu gestalten, als das heute der Fall ist. Also ich schlage ja vor, dass zwischen einem gentechnischen Feld und einem anderen Feld, also herkömmlichen Anbau oder Ökoanbau, mindestens ein Abstand, und zwar in allen Himmelsrichtungen, von 150 Metern eingehalten werden muss.
March: Herr Seehofer, das ist immer noch geringer als der EU-Durchschnitt.
Seehofer: Aber das ist 150 Mal mehr als heute, als das, was ich von meiner Vorgängerin Frau Künast übernommen habe. Und 150 Meter heißen in Bayern bei den relativ kleinen Feldern, die dort üblich sind, dass in weiten Bereichen Bayerns der gentechnische Anbau praktisch nicht möglich sein wird.
Und das halte ich auch für richtig, weil wir wollen ja das Nebeneinander, ohne dass ein Nachbar im Regelfall davon ausgehen muss, dass er praktisch geschädigt wird. Und deshalb wird es in weiten Bereichen der Republik, insbesondere in Bayern, Baden-Württemberg, wo man kleinräumige Felder hat, auf Grund dieser von mir vorgeschlagenen Abstandsflächen nicht möglich sein, zum Beispiel Genmais anzubauen.
March: Jetzt gibt es noch ein anderes Argument gegen die grüne Gentechnik: Gegner in der CSU bezeichnen sie unter anderem als unchristlich, da man ja in die Schöpfung Gottes eingreife. Wie antworten Sie auf diese Bedenken?
Seehofer: Also ich glaube, wir haben immer den Auftrag, ob nun eine christliche Partei oder andere, dass man ethisch verantwortlich mit dem technologischen Fortschritt umgeht. Das gilt für die Medizin, das gilt für die Gentechnik, das gilt mit allen Technologien. Uns als Christen ist ja nicht untersagt, uns fortzuentwickeln.
Wir haben das Gebot, technologischen Fortschritt nicht blind anzuwenden, sondern ethische Regeln aufzustellen, die garantieren, dass man ethisch verantwortbar mit dem technologischen Fortschritt umgeht. Wenn also die oberste Maxime ist, dass Gefahren für die Menschen und die Umwelt abgewehrt werden müssen, dann beachtet man diese ethischen Regeln.
March: Das war die Theorie. Kommen wir jetzt zur Praxis: Kommen bei Ihnen genetisch veränderte Lebensmittel auf den Tisch?
Seehofer: Also ich glaube nicht. Aber bei dem weltweiten Handel und vielen Vitaminstoffen, Aromastoffen, Enzymen, kann niemand vollständig ausschließen, dass er ein Lebensmittel im Regal kauft, das irgendeinen Bestandteil von gentechnisch veränderten Organismen enthält. Also ich würde diese Frage nie mit "unter keinen Umständen" beantworten. Sondern wir wollen gentechnikfreie Lebensmittel, auch in meiner Familie, aber diese berühmte Frage, "Können Sie ausschließen?", das kann ich natürlich nicht. Das kann übrigens kein Mensch.
Gegner, die die Risiken für zu groß halten, und Befürworter, die von einer innovativen Technologie sprechen, gibt es über die Parteigrenzen hinaus in den Reihen der SPD und der CDU/CSU. Im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung dazu verpflichtet, das Gentechnikgesetz von 2005 zu überarbeiten. Das Kabinett hat Ende Februar ein Eckpunktepapier beschlossen. Heute debattiert der Bundestag über das Thema. Am Telefon begrüße ich nun den Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer. Guten Morgen Herr Seehofer!
Horst Seehofer: Guten Morgen!
March: Nun ist das ja ein echter Interessenkonflikt: Auf der einen Seite will Deutschland den Innovationszug nicht verpassen, auf der anderen steht unter anderem die Skepsis der Bevölkerung. Wie wollen Sie diesen Konflikt denn auflösen?
Seehofer: Ja, solche Interessengegensätze erlebt man natürlich sehr häufig in der Politik, und dann muss man eben versuchen, die Interessen auszugleichen, ohne die wirklichen Prioritäten zu verletzten. Wichtigste Priorität, also das wichtigste Ziel, muss auch in der Zukunft bleiben, dass wir bei der Nutzung der Gentechnik Gefahren für den Menschen oder auch für unsere Umwelt in keiner Weise eingehen.
Deshalb wird ja bei der wirtschaftlichen Anwendung von Gentechnik, die sich ja in Deutschland im Moment auf den Mais beschränkt, werden ja die Vorschriften eher noch verschärft, also zum Beispiel die Abstandsvorschriften zwischen den landwirtschaftlichen Feldern. Also bei aller wirtschaftlichen Bedeutung, die da behauptet wird: Es darf niemals eine Nutzung der Gentechnik zum Schaden der Menschen und der Umwelt geben.
March: Das heißt, das rot-grüne Gesetz von 2005 wird nicht aufgeweicht?
Seehofer: Die Haftungsvorschriften bleiben, die sind sehr streng. Das heißt, wer heute wirtschaftlich gentechnisch veränderte Organismen nutzt, der haftet auch für sein Tun, selbst dann, wenn ihn kein Verschulden trifft. Also das sind sehr strenge Haftungsregeln, und die weichen wir nicht auf.
March: Das heißt, wenn jetzt die Pollen von einer gentechnisch veränderten Pflanze rüber wehen, meinetwegen zu einem Biobauern, der eigentlich dicht machen kann: Dann haftet der Bauer mit dem Genfeld?
Seehofer: So ist es.
March: Nun ist es ja nicht unbedingt einleuchtend, dass man ein Produkt erforschen will, auch in Feldversuchen, das man im eigenen Land eigentlich nicht verkaufen kann, weil die Konsumenten sehr skeptisch sind. Wie erklären Sie denn diese Linie?
Seehofer: Ich glaube auch, dass bei der grünen Gentechnik der Durchbruch nicht im Bereich der Lebensmittel erfolgen wird, denn hier ist der Verbraucher genau so skeptisch wie übrigens die Lebensmittelwirtschaft. Sondern wenn wir über die Forschung reden, denken wir insbesondere an die nächste Generation von gentechnisch veränderten Pflanzen, zum Beispiel bei der Erforschung der Frage, gibt es die Möglichkeit, Pflanzen auch verstärkt für den Energiebereich einzusetzen oder Pflanzen in ein vernünftiges Wachstum zu bringen unter ungünstigen klimatischen Bedingungen.
Wir haben ja auch da eine Verbindung zu dem aktuellen Problem Klimaschutz. Und da wollen wir weiter forschen, um Erkenntnisse zu gewinnen, damit uns nicht eines Tages die Chinesen sagen, wie das geht. Aber auch die Forschung muss unter strikter Beachtung der Sicherheitsinteressen erfolgen.
March: Und das Problem der Kontaminierung bleibt ja, auch wenn man den Raps jetzt meinetwegen für Biodiesel anbaut.
Seehofer: Ja, der Raps normal in der Wachstumsform, da hat ja kein Mensch was dagegen. Gentechnisch veränderter Raps, den halte ich unter Freilandbedingungen kaum für verantwortbar oder nicht für verantwortbar. Denn der Raps hat die Eigenschaft, dass er mit den allermeisten Wildpflanzen kreuzt, das heißt, dass gentechnisch veränderte Organismen dann auch in andere Wildpflanzen aufgenommen werden. Und das kann man durch Abstandsvorschriften praktisch nicht beherrschen beim Raps, weil praktisch jede oder fast jede Wildpflanze beim Raps in Frage kommt.
March: Widerstände gibt es auch an der bayrischen Basis, bei den bayrischen Bauern zum Beispiel. Sie aber wollen demnächst Vorsitzender der CSU werden. Ein Spagat zwischen den Interessen der eigenen Partei und den Innovationszielen der Kanzlerin?`
Seehofer: Ich glaube, nicht. Denn wir haben die Absicht, die Abstände zwischen den Feldern wesentlich größer zu gestalten, als das heute der Fall ist. Also ich schlage ja vor, dass zwischen einem gentechnischen Feld und einem anderen Feld, also herkömmlichen Anbau oder Ökoanbau, mindestens ein Abstand, und zwar in allen Himmelsrichtungen, von 150 Metern eingehalten werden muss.
March: Herr Seehofer, das ist immer noch geringer als der EU-Durchschnitt.
Seehofer: Aber das ist 150 Mal mehr als heute, als das, was ich von meiner Vorgängerin Frau Künast übernommen habe. Und 150 Meter heißen in Bayern bei den relativ kleinen Feldern, die dort üblich sind, dass in weiten Bereichen Bayerns der gentechnische Anbau praktisch nicht möglich sein wird.
Und das halte ich auch für richtig, weil wir wollen ja das Nebeneinander, ohne dass ein Nachbar im Regelfall davon ausgehen muss, dass er praktisch geschädigt wird. Und deshalb wird es in weiten Bereichen der Republik, insbesondere in Bayern, Baden-Württemberg, wo man kleinräumige Felder hat, auf Grund dieser von mir vorgeschlagenen Abstandsflächen nicht möglich sein, zum Beispiel Genmais anzubauen.
March: Jetzt gibt es noch ein anderes Argument gegen die grüne Gentechnik: Gegner in der CSU bezeichnen sie unter anderem als unchristlich, da man ja in die Schöpfung Gottes eingreife. Wie antworten Sie auf diese Bedenken?
Seehofer: Also ich glaube, wir haben immer den Auftrag, ob nun eine christliche Partei oder andere, dass man ethisch verantwortlich mit dem technologischen Fortschritt umgeht. Das gilt für die Medizin, das gilt für die Gentechnik, das gilt mit allen Technologien. Uns als Christen ist ja nicht untersagt, uns fortzuentwickeln.
Wir haben das Gebot, technologischen Fortschritt nicht blind anzuwenden, sondern ethische Regeln aufzustellen, die garantieren, dass man ethisch verantwortbar mit dem technologischen Fortschritt umgeht. Wenn also die oberste Maxime ist, dass Gefahren für die Menschen und die Umwelt abgewehrt werden müssen, dann beachtet man diese ethischen Regeln.
March: Das war die Theorie. Kommen wir jetzt zur Praxis: Kommen bei Ihnen genetisch veränderte Lebensmittel auf den Tisch?
Seehofer: Also ich glaube nicht. Aber bei dem weltweiten Handel und vielen Vitaminstoffen, Aromastoffen, Enzymen, kann niemand vollständig ausschließen, dass er ein Lebensmittel im Regal kauft, das irgendeinen Bestandteil von gentechnisch veränderten Organismen enthält. Also ich würde diese Frage nie mit "unter keinen Umständen" beantworten. Sondern wir wollen gentechnikfreie Lebensmittel, auch in meiner Familie, aber diese berühmte Frage, "Können Sie ausschließen?", das kann ich natürlich nicht. Das kann übrigens kein Mensch.