Seefahrt ins Glück
In Friedrich von Gagerns Theaterstück "Ozean" macht sich eine bunte Reisegesellschaft 1848 nach Amerika auf, um dort Glück, Freiheit und Gleichheit zu finden. Regisseur Frank Castorf zeigt das Stück in der Berliner Volksbühne.
Das gesamte Haus ist mit schwarzen Plastikplanen ausgeschlagen. Auf der Bühne Holzlafetten mit weißen, kissenartigen Seesäcken und eine Schar von Menschen in Kostümen des 19.Jahrhunderts. Das Publikum sitzt im leeren Zuschauerraum ebenfalls auf Seesäcken und erlebt Menschen, die heftig über Lebenssinn und Glück, über politische und religiöse Heilslehren im 1921 geschriebenen Stück "Ozean" des Erfolgs- und Gebrauchsschriftstellers Friedrich von Gagern streiten, der mit Jäger- und Indianergeschichten in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts mehr als eine halbe Million Bücher verkaufen konnte.
Schon einmal, Anfang 2005, hat Frank Castorf mit der Erzählung "Der Marterpfahl" einen Text dieses heute weitgehend unbekannten, aber angeblich von Heiner Müller sehr geschätzten Autors auf die Bühne gebracht. In "Ozean" reisen Auswanderer nach der niedergeschlagenen bürgerlichen Revolution von 1848/49 in einem Segelschiff nach Amerika, um Freiheit und Gleichheit zu finden. Es sind Barrikadenkämpfer und revolutionäre Schriftsteller, Geistliche und Wissenschaftler, eine Hebamme und Huren. Gagern schrieb ein Debattierstück fast ohne Handlung, dessen Texte Castorf in seiner sich über endlose viereinhalb Stunden hinziehenden Aufführung wie vom Blatt aufsagen lässt. Ihre Texte sind nur schwer verständlich, sie werden vor allem heftig gebrüllt. Die Schauspieler agieren wie statuarische Textmaschinen, die einzeln oder nebeneinander aufgereiht ihre Aufsagearbeit tun, wenn sie nicht unmotiviert heftig herumrennen.
Die gesamte Inszenierung wirkt wie Theaterverweigerung. Gelegentlich singen sie, "La Paloma" oder einen DDR-Schlager, ein Schlaflied oder das Weberlied, oder die verpönte Strophe des Deutschlandliedes, wobei der Sänger sich bis auf seine in den Nationalfarben gehaltene Unterhose auszieht. Dann bekommt er Durchfall und singt "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit". Solche kabarettistischen, sich politisch gerierenden Gags baut der Regisseur immer wieder in seine Inszenierung ein.
Als Zuschauer, umgeben von gähnenden Leidensgenossen, langweilt man sich bald und ist erschrocken, wie laienhaft das Ganze wirkt. Immerhin nutzt Volker Spengler seine Rolle des sogenannten Unbekannten zu einem furios ausgestellten nietzscheanischen Solo eines Mannes, der sich nicht entscheiden kann, ob er Teufel oder Gott ist, und der darüber stirbt. Sonst steigen gelegentlich Schauspieler ins Publikum oder bedienen das Publikum mit anmacherisch aktualisierenden Gags. Schließlich rettet man sich nach einer Meuterei auf Gericaults "Floß der Medusa", um dort unter einer gleißenden Sonne ohne Hoffnung zu enden. Die Aufführung ist ein wahres Desaster: ein schlechter Text von Friedrich von Gagern, weitgehend buchstabengetreu aufgesagt und nur kabarettistisch garniert: Das war zu wenig, um Frank Castorf und seine Volksbühne aus ihrer künstlerischen Krise zu holen.
Schon einmal, Anfang 2005, hat Frank Castorf mit der Erzählung "Der Marterpfahl" einen Text dieses heute weitgehend unbekannten, aber angeblich von Heiner Müller sehr geschätzten Autors auf die Bühne gebracht. In "Ozean" reisen Auswanderer nach der niedergeschlagenen bürgerlichen Revolution von 1848/49 in einem Segelschiff nach Amerika, um Freiheit und Gleichheit zu finden. Es sind Barrikadenkämpfer und revolutionäre Schriftsteller, Geistliche und Wissenschaftler, eine Hebamme und Huren. Gagern schrieb ein Debattierstück fast ohne Handlung, dessen Texte Castorf in seiner sich über endlose viereinhalb Stunden hinziehenden Aufführung wie vom Blatt aufsagen lässt. Ihre Texte sind nur schwer verständlich, sie werden vor allem heftig gebrüllt. Die Schauspieler agieren wie statuarische Textmaschinen, die einzeln oder nebeneinander aufgereiht ihre Aufsagearbeit tun, wenn sie nicht unmotiviert heftig herumrennen.
Die gesamte Inszenierung wirkt wie Theaterverweigerung. Gelegentlich singen sie, "La Paloma" oder einen DDR-Schlager, ein Schlaflied oder das Weberlied, oder die verpönte Strophe des Deutschlandliedes, wobei der Sänger sich bis auf seine in den Nationalfarben gehaltene Unterhose auszieht. Dann bekommt er Durchfall und singt "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit". Solche kabarettistischen, sich politisch gerierenden Gags baut der Regisseur immer wieder in seine Inszenierung ein.
Als Zuschauer, umgeben von gähnenden Leidensgenossen, langweilt man sich bald und ist erschrocken, wie laienhaft das Ganze wirkt. Immerhin nutzt Volker Spengler seine Rolle des sogenannten Unbekannten zu einem furios ausgestellten nietzscheanischen Solo eines Mannes, der sich nicht entscheiden kann, ob er Teufel oder Gott ist, und der darüber stirbt. Sonst steigen gelegentlich Schauspieler ins Publikum oder bedienen das Publikum mit anmacherisch aktualisierenden Gags. Schließlich rettet man sich nach einer Meuterei auf Gericaults "Floß der Medusa", um dort unter einer gleißenden Sonne ohne Hoffnung zu enden. Die Aufführung ist ein wahres Desaster: ein schlechter Text von Friedrich von Gagern, weitgehend buchstabengetreu aufgesagt und nur kabarettistisch garniert: Das war zu wenig, um Frank Castorf und seine Volksbühne aus ihrer künstlerischen Krise zu holen.