Seefahrer-Lektüre

Rezensiert von Lutz Bunk |
Julian Stockwin setzt die Tradition der britischen Kultautoren C.S. Forester, Patrick O´Brian und Alexander Kent fort. Sie ließen in ihren historischen Romanen die Epoche der Napoleonischen Kriege um 1800 wieder aufleben. In seinem neuen Buch „Kydd – Im Kielwasser Nelsons“ versetzt Stockwin den Leser in das Jahr 1798 an Bord des britischen Schlachtschiffs „Tenacious“.
In Deutschland haben sie bis heute über 15 Millionen Exemplare ihrer Bücher verkauft, die britischen Kultautoren C.S. Forester, Patrick O´Brian und Alexander Kent. In ihren historischen Romanen ließen sie die Epoche der Napoleonischen Kriege um 1800 wieder aufleben – aus der Sicht der britischen Marine und ihres Nationalhelden Admiral Nelson.

Die Autoren Forester und O´Brian leben nicht mehr, und Kent hat letztes Jahr aus Altersgründen seinen definitiv letzten Roman herausgebracht, aber die Tradition wird fortgeführt.

Diverse Nachahmer haben sich in den letzten 30 Jahren an dem Genre versucht, aber nur einer sticht heraus: Julian Stockwin. Jetzt ist seiner sechster Roman um den Hauptprotagonisten Thomas Kydd erschienen: Stockwin versetzt den Leser in das Jahr 1798 an Bord des britischen Schlachtschiffs „Tenacious“; der Höhepunkt des Romans ist die Schlacht in der Mündung des Nils bei Abukir am 1. August 1798.

Sicherlich, – gegen Patrick O´Brians kulturhistorischen und geisteswissenschaftlichen Stil kommt auch Stockwin nicht an. Aber was Stockwin auszeichnet, das sind besonders zwei Aspekte:
Da ist einmal die Grundidee seiner Hauptfigur Thomas Kydd. Alle anderen Seeschlachtenhelden vor Kydd übten ihren Dienst in der britischen Marine freiwillig aus. Für die Figur Kydd hat sich Stockwin hingegen eines dunklen Kapitels der englischen Geschichte bedient. Ein Großteil der Matrosen der britischen Kriegsmarine um 1800 war zwangsverpflichtet. Männer wurden einfach von der Straße weg verhaftet und fanden sich als Matrosen auf Kriegsschiffen wieder, so auch Stockwins Figur Kydd, gerade noch Perückenmacher und plötzlich Matrose; erst später steigt er zum Offizier auf. Das heißt, die Figur Kydd reflektiert beide Perspektiven an Bord eines Kriegsschiffes, die des Befehlsempfängers und auch die desjenigen, der die Verantwortung tragen muss.

Und zweites zeichnet Stockwin seine ungeheure historische Authentizität und Recherche aus. So exakt und plastisch wie er hat noch niemand vorher Seeschlachten dieser Zeit beschrieben.

Natürlich ist „Kydd-Im Kielwasser Nelsons“ ein Genre-Buch, ein Abenteuerroman, und man sollte schon ein gewisse Liebe für Geschichten aus der Seefahrt mitbringen. Aber gerade das erfüllt dieses Buch auf ganz besondere Weise – auch auf Deutsch.

Und da sind wir bei der kongenialen Übersetzerin dieses Romans: Jutta Wannenmacher. Sie war es, und zwar ganz entscheidend, die mit ihren Übersetzungen Patrick O´Brian in Deutschland den Weg zum Kultautor ebnete. Jutta Wannenmacher ist eine segelverrückte Bayerin, die heute an der Ostsee lebt. Und sie hat sich schon für die O´Brian-Romane die Mühe gemacht, unendlich zu recherchieren, sie hat Seeleute befragt, die noch mit Windjammern gefahren sind, um die seemännischen Ausdrücke perfekt und authentisch im Deutschen wiedergeben zu können. Das heißt, die Übersetzungen von Jutta Wannenmacher haben einen Teil der deutschen Sprache wieder aufleben lassen, der vollkommen verloren gegangen war.

Und den muss man gar nicht unbedingt verstehen, den sollte man einfach nur genießen, wenn da beispielsweise „Handtaljen mit Knebelstropps an den Lukensülls“ angebracht werden.

Julian Stockwin: Kydd – Im Kielwasser Nelsons
Übersetzt von Jutta Wannenmacher
Heyne Verlag 2006
367 Seiten, 8.95 Euro