Sechs religiöse Gruppen teilen sich eine heilige Stätte
Das Christentum steht für Nächstenliebe und Gerechtigkeit. Dass diese Werte ausgerechnet am heiligsten Ort des christlichen Glaubens nicht immer an erster Stelle stehen, zeigt der neue Dokumentarfilm "Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen" von Hajo Schomerus.
Der Film beginnt vor der Kirche, die im Jahr 325 in Jerusalem erbaut wurde und die sich der Überlieferung nach an der Stelle der Kreuzigung und des Grabes Jesu befindet. Die Kamera schwenkt zunächst über den Platz vor der Grabeskirche. Dort stehen Touristen und Pilger, Kinder spielen umher und israelische Soldaten versammeln sich um ihre Gruppenführerin.
"Wir sind wirklich am heiligsten Ort der gesamten Christenheit! Bis zu meiner Ausbildung wusste ich auch nicht, dass in meiner Nachbarschaft der allerheiligste christliche Ort ist. Die Kirche ist außergewöhnlich, und es gibt viele christliche Gemeinschaften hier, die wir nicht kennen. Wir kennen nur die katholischen Mönche mit den Weihnachtsbäumen und so. Also, wir werden gleich total coole Christen sehen und einen Eindruck von der Kirche bekommen."
Cool? Die Mönche, die der Regisseur Hajo Schomerus zeigt, wirken eher normal. Das Innenleben der Grabeskirche hingegen erscheint etwas chaotisch. Denn unter ihrem Dach müssen sich gleich sechs religiöse Gruppen das Hausrecht teilen. Für Hajo Schomerus ein Grund, dem Leben in der Kirche nachzugehen.
"Das Auffälligste, wenn man in die Grabeskirche kommt, es ist ein unübersichtlicher Haufen von Bastelarbeit und Flickarbeit der Jahrhunderte ist. Und die Topographie erschließt sich einem gar nicht, weil es so ein unübersichtliches Labyrinth. Man entdeckt an jedem Ort eine kleine Kapelle, die angebaut zu sein scheint. Es hat so den Eindruck eines zusammen gebastelten Komplexes, der irgendwie vor sich hinstaubt. Und erstmal bleibt Verwunderung und auch Unverständnis über diese Vielfalt von Bildern, Ikonen, Leuten, die da auftauchen. Und gleichzeitig steckt da so eine geballte Geschichte in dem Ort."
Täglich kriechen tausende Pilger unter einen Alter, um die Stelle zu berühren, wo das Kreuz am heiligen Felsen gestanden haben soll; sie beten und feiern ihre Messen. Der Filmemacher hält dies fest und befragt ebenso die Mönche der verschiedenen religiösen Gruppen über ihre Leben in der Grabeskirche. Zum Beispiel Bruder Jay, der erste wenige Tage dort lebt.
"In der Grabeskirche wohnen Priester der unterschiedlichsten Glaubensrichtungen, wie die griechisch-orthodoxen. Sie wohnen direkt neben uns. Die armenischen Brüder wohnen direkt gegenüber, die koptischen Brüder nebenan. Wir können sie jederzeit sehen. Wir begegnen uns. Das ist schon etwas Besonders. Ich glaube, nirgendwo gibt es ein Kloster wie dieses, eine Gemeinschaft wie diese."
Alle leben unter einem Dach. Aber im Innern ist die Grabeskirche streng unterteilt: Kapellen, Säulen, Gänge, Bilder - alles ist den verschiedenen Religionsgruppen zugeteilt, und wehe eine überschreitet ihre Kompetenzen. Es gibt unterschiedliche Putztage, unterschiedliche Liturgien und unterschiedliche Messen. Die allerdings überschneiden sich zum Teil, wie der Franziskaner Pater Robert erläutert.
"Die Kopten tun mir auch schon mal Leid, wenn sie eine Liturgie haben, eine Zeit haben, in der parallel dazu eine Messe gefeiert wird von uns, die mit Orgelbegleitung ist. Aber Orgelmusik ist halt was Wunderschönes. Wenn hier die volle Orgel ertönt, dann ist es noch mal schöner katholisch zu sein."
Verbissen wachen die einzelnen über "ihren" Anteil an der Kirche. Wobei sich die Besitzansprüche im Laufe der Jahrhunderte auch verändert haben: Die Äthiopier z.B. hatten einst wichtige Rechte an der Heiligen Stätte, verloren diese aber im 17. Jahrhundert, weil sie ihre Steuern nicht bezahlen konnten. Heute sind sie nur noch auf dem Dach einquartiert. Der griechische Patriarch Theophilos III. hingegen empfängt das Filmteam in einem großen modernen Büro. Die koptischen Christen, die den Haupteingang des Grabes nicht benutzen dürfen, bauten sich eine kleine Kapelle an der Rückseite der Grabkammer, und die Griechisch-Orthodoxen verteidigen resolut den Vordereingang. Zu hohen Festtagen kommt es manchmal zu absurden Schlachten religiöser Hingabe, die Prozessionen geraten sich gegenseitig in die Quere. Plötzlich fällt ein Bild um, dann eine Bischofsmütze auf den Boden, mit Palmenwedeln wird geschlagen, und schließlich schmeißen die Sicherheitskräfte einen "Störenfried" raus.
Hajo Schomerus eröffnet dem Zuschauer mit seiner distanzierten Kamera und ohne Kommentar Blicke in den heiligsten Ort der Christenheit, der zuweilen wie ein metaphysischer Basar wirkt.
"Die Tatsache, dass es in der Grabeskirche Streit und Zwietracht und Konflikte gibt, war für mich auch ein Ausgangspunkt. Die Tatsache, dass das menschliche Miteinander schwierig ist, hat mit dem Glauben gar nicht so viel zu tun. So wie einer der Protagonisten in dem Film sagt :"Na gut, wir sind halt Menschen, und Menschen machen Fehler, da sind wir keine Ausnahme." Jeder hat trotzdem einen ganz speziellen Zugang zu der Kirche. Es geht gar nicht darum zu sagen, wer den größeren, besseren Glauben hat, sondern es geht tatsächlich auch darum, wie in einer Wohngemeinschaft zu sagen: Wer hat mein Joghurt aus dem Kühlschrank genommen?"
Da passt es ins Bild, dass ausgerechnet eine muslimische Familie den Schlüssel zur Kirche bewahrt, sie morgens auf- und abends wieder abschließt, damit sich die verschiedenen Gruppen nicht um den Besitz streiten.
"Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen" ist eine Art Reiseführer durch diese einmalige Kirche und die Zeit. Allerdings gelingt es dem Filmemacher nur zum Teil, das Chaos auch als etwas Lebendiges zu zeigen. Denn wenn sich die Messen überschneiden, die Gesänge und die Prozessionen, dann hat man wie an keinem anderen Ort der Christenheit ein Gefühl von Vielfalt und Glauben. Dafür ist Schomerus dabei, wenn die Mönche nachts vor dem Grab Jesu beten und sich die Kirche in einen mystischen Ort der Hingabe verwandelt.
"Wir sind wirklich am heiligsten Ort der gesamten Christenheit! Bis zu meiner Ausbildung wusste ich auch nicht, dass in meiner Nachbarschaft der allerheiligste christliche Ort ist. Die Kirche ist außergewöhnlich, und es gibt viele christliche Gemeinschaften hier, die wir nicht kennen. Wir kennen nur die katholischen Mönche mit den Weihnachtsbäumen und so. Also, wir werden gleich total coole Christen sehen und einen Eindruck von der Kirche bekommen."
Cool? Die Mönche, die der Regisseur Hajo Schomerus zeigt, wirken eher normal. Das Innenleben der Grabeskirche hingegen erscheint etwas chaotisch. Denn unter ihrem Dach müssen sich gleich sechs religiöse Gruppen das Hausrecht teilen. Für Hajo Schomerus ein Grund, dem Leben in der Kirche nachzugehen.
"Das Auffälligste, wenn man in die Grabeskirche kommt, es ist ein unübersichtlicher Haufen von Bastelarbeit und Flickarbeit der Jahrhunderte ist. Und die Topographie erschließt sich einem gar nicht, weil es so ein unübersichtliches Labyrinth. Man entdeckt an jedem Ort eine kleine Kapelle, die angebaut zu sein scheint. Es hat so den Eindruck eines zusammen gebastelten Komplexes, der irgendwie vor sich hinstaubt. Und erstmal bleibt Verwunderung und auch Unverständnis über diese Vielfalt von Bildern, Ikonen, Leuten, die da auftauchen. Und gleichzeitig steckt da so eine geballte Geschichte in dem Ort."
Täglich kriechen tausende Pilger unter einen Alter, um die Stelle zu berühren, wo das Kreuz am heiligen Felsen gestanden haben soll; sie beten und feiern ihre Messen. Der Filmemacher hält dies fest und befragt ebenso die Mönche der verschiedenen religiösen Gruppen über ihre Leben in der Grabeskirche. Zum Beispiel Bruder Jay, der erste wenige Tage dort lebt.
"In der Grabeskirche wohnen Priester der unterschiedlichsten Glaubensrichtungen, wie die griechisch-orthodoxen. Sie wohnen direkt neben uns. Die armenischen Brüder wohnen direkt gegenüber, die koptischen Brüder nebenan. Wir können sie jederzeit sehen. Wir begegnen uns. Das ist schon etwas Besonders. Ich glaube, nirgendwo gibt es ein Kloster wie dieses, eine Gemeinschaft wie diese."
Alle leben unter einem Dach. Aber im Innern ist die Grabeskirche streng unterteilt: Kapellen, Säulen, Gänge, Bilder - alles ist den verschiedenen Religionsgruppen zugeteilt, und wehe eine überschreitet ihre Kompetenzen. Es gibt unterschiedliche Putztage, unterschiedliche Liturgien und unterschiedliche Messen. Die allerdings überschneiden sich zum Teil, wie der Franziskaner Pater Robert erläutert.
"Die Kopten tun mir auch schon mal Leid, wenn sie eine Liturgie haben, eine Zeit haben, in der parallel dazu eine Messe gefeiert wird von uns, die mit Orgelbegleitung ist. Aber Orgelmusik ist halt was Wunderschönes. Wenn hier die volle Orgel ertönt, dann ist es noch mal schöner katholisch zu sein."
Verbissen wachen die einzelnen über "ihren" Anteil an der Kirche. Wobei sich die Besitzansprüche im Laufe der Jahrhunderte auch verändert haben: Die Äthiopier z.B. hatten einst wichtige Rechte an der Heiligen Stätte, verloren diese aber im 17. Jahrhundert, weil sie ihre Steuern nicht bezahlen konnten. Heute sind sie nur noch auf dem Dach einquartiert. Der griechische Patriarch Theophilos III. hingegen empfängt das Filmteam in einem großen modernen Büro. Die koptischen Christen, die den Haupteingang des Grabes nicht benutzen dürfen, bauten sich eine kleine Kapelle an der Rückseite der Grabkammer, und die Griechisch-Orthodoxen verteidigen resolut den Vordereingang. Zu hohen Festtagen kommt es manchmal zu absurden Schlachten religiöser Hingabe, die Prozessionen geraten sich gegenseitig in die Quere. Plötzlich fällt ein Bild um, dann eine Bischofsmütze auf den Boden, mit Palmenwedeln wird geschlagen, und schließlich schmeißen die Sicherheitskräfte einen "Störenfried" raus.
Hajo Schomerus eröffnet dem Zuschauer mit seiner distanzierten Kamera und ohne Kommentar Blicke in den heiligsten Ort der Christenheit, der zuweilen wie ein metaphysischer Basar wirkt.
"Die Tatsache, dass es in der Grabeskirche Streit und Zwietracht und Konflikte gibt, war für mich auch ein Ausgangspunkt. Die Tatsache, dass das menschliche Miteinander schwierig ist, hat mit dem Glauben gar nicht so viel zu tun. So wie einer der Protagonisten in dem Film sagt :"Na gut, wir sind halt Menschen, und Menschen machen Fehler, da sind wir keine Ausnahme." Jeder hat trotzdem einen ganz speziellen Zugang zu der Kirche. Es geht gar nicht darum zu sagen, wer den größeren, besseren Glauben hat, sondern es geht tatsächlich auch darum, wie in einer Wohngemeinschaft zu sagen: Wer hat mein Joghurt aus dem Kühlschrank genommen?"
Da passt es ins Bild, dass ausgerechnet eine muslimische Familie den Schlüssel zur Kirche bewahrt, sie morgens auf- und abends wieder abschließt, damit sich die verschiedenen Gruppen nicht um den Besitz streiten.
"Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen" ist eine Art Reiseführer durch diese einmalige Kirche und die Zeit. Allerdings gelingt es dem Filmemacher nur zum Teil, das Chaos auch als etwas Lebendiges zu zeigen. Denn wenn sich die Messen überschneiden, die Gesänge und die Prozessionen, dann hat man wie an keinem anderen Ort der Christenheit ein Gefühl von Vielfalt und Glauben. Dafür ist Schomerus dabei, wenn die Mönche nachts vor dem Grab Jesu beten und sich die Kirche in einen mystischen Ort der Hingabe verwandelt.