Sea-Watch-Sprecher über vorläufiges Ende der Sophia-Mission

"Zielloseste Seefahrtsmission seit der Odyssee"

Das Foto zeigt die Fregatte "Sachsen" nach ihrer Rückkehr von der Operation "Sophia" im Mittelmeer.
"Man muss leider sagen, dass Sophia schon in den letzten Monaten nicht mehr bei der Seenotrettung mitgeholfen hat", sagt Ruben Neugebauer von Sea-Watch. © dpa-Bildfunk / Mohssen Assanimoghaddam
Ruben Neugebauer im Gespräch mit Julius Stucke  · 23.01.2019
Das Bundesverteidigungsministerium hat entschieden, erst mal kein neues Schiff im Rahmen der EU-Mission Sophia ins Mittelmeer zu schicken. Ruben Neugebauer, Sprecher der gemeinnützigen Initiative Sea-Watch, sieht die Mission schon länger kritisch.
Ihren eigentlichen Zweck, die Schlepperkriminalität zu bekämpfen, habe die Mission nicht erfüllt, lautet die Begründung über die Unterbrechung der deutschen Beteiligung aus dem Verteidigungsministerium. Jenseits dieses Mandats hat sie aber auch viele Menschen in den letzten Jahren vor dem Ertrinken gerettet. Mit dem Ziel, Leben zu retten, sind im Mittelmeer auch private Organisationen wie Sea-Watch aktiv. Nach Ansicht von Sprecher Ruben Neugebauer ist die Sophia-Mission aber bereits seit längerem inaktiv:
"Man muss leider sagen, dass Sophia schon in den letzten Monaten nicht mehr mitgeholfen hat bei der Seenotrettung - und auch davor eine äußerst zweifelhafte Rolle gespielt hat. Also wenn es zum Beispiel darum geht, Schlepperboote zu versenken, dann muss man sagen, dass auf diese Maßnahmen von Sophia eine schlechtere Qualität an Booten zurückzuführen ist, die dann zum Einsatz gekommen sind – und damit eine steigende Todesrate, die zynischerweise dann wieder den zivilen Seenotrettern in die Schuhe geschoben worden sind. Man könnte auch sagen: Die zielloseste Seefahrtsmission seit der Odyssee."
Nichtsdestotrotz fehle jedes Schiff, das im zentralen Mittelmeer unterwegs sei für die Seenotrettung, betont Neugebauer.

"Es versuchen nicht weniger zu kommen, es kommen nur weniger an"

Den Rückgang der Erstanträge auf Asyl in Deutschland sieht er skeptisch:
"Es versuchen nicht weniger zu kommen, es kommen nur weniger an. Wenn man sich die Zahlen anschaut, wird gerne vergessen, dass sehr viele Menschen zum einen ertrinken oder zum anderen von der sogenannten libyschen Küstenwache aufgegriffen werden und gegen das Völkerrecht zurück nach Libyen gebracht werden. Ich finde das sehr zynisch, wenn die zurückgehenden Zahlen gefeiert werden, weil man sich fragen muss zu welchem Preis? Und das ist ein tödlicher."
Sein Schiff, die Sea-Watch, hat im Moment fast 50 Menschen an Bord:
"Wir haben aktuell 47 Menschen an Bord. Das letzte Mal hat es 19 Tage gedauert bis wir sie anlanden können. Das ist ein klarer Seerechtsverstoß von den Ländern, die uns nicht in den nächsten sicheren Hafen gelassen haben. Auch jetzt ist es so, dass wir die Leute seit mehr als fünf Tagen an Bord haben und sich noch keine Lösung abzeichnet, obwohl schlechtes Wetter reinkommt, sodass es tatsächlich gefährlich werden kann."
(cosa)
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