Scott Weidensaul: „Auf Schwingen um die Welt“

Blassgrüne Wolken hoch oben in dünner Luft

05:48 Minuten
Das Cover des Buchs "Auf Schwingen um die Welt" von Scott Weidensaul zeigt den Titel und einen Schwarm fliegender Vögel vor einer Berglandschaft.
© Hanser Literaturverlage

Scott Weidensaul

Aus dem Englischen von Sebastian Vogel

Auf Schwingen um die Welt. Die globale Odyssee der Zugvögelhanserblau, München 2022

416 Seiten

26,00 Euro

Von Susanne Billig · 28.09.2022
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50 Milliarden Zugvögel erheben sich jährlich in den Himmel, meist weit vom Auge des Menschen entfernt. Ein neues Buch gibt erstaunliche Einblicke.
Um das nächtliche Schauspiel des Vogelzugs auf dem Radar zu verfolgen, müsse man kein Spezialist sein, erklärt Scott Weidensaul in seinem Buch „Auf Schwingen um die Welt“. Jede Radar-Webseite eines Wetterdienstes und ein wenig Übung reichten aus, um die blassgrünen Wolken der Millionen von Zugvögeln von den dunklen Bändern der Regenwolken zu unterscheiden.
Scott Weidensaul ist nicht nur ein poesiebegabter Naturschriftsteller mit einer Sprache so zart wie die Kolibris, die es ihm besonders angetan haben (im Bildanhang des Buches lassen sich einige seiner Lieblinge samt Karten mit ihren Flugrouten betrachten). Er reist auch als aktiver Feldforscher von Feuerland bis nach Alaska umher, um Vögel zu beringen, Mini-Sender auf ihre Rücken zu kleben oder mit anderen Fachleuten über die Big Data aus moderner ornithologischer Arbeit zu diskutieren.

Der Eindruck von Fülle

Lose gliedert Scott Weidensaul sein Buch in einige Kapitel, doch verliert sich im Laufe des Lesens schnell das Bedürfnis nach einer besonderen Ordnung, ist es doch der Eindruck der Fülle, der seinem Buch das besondere Flair verleiht.
Ständig oszilliert sein Text hin und her zwischen einzelnen Arten und ihrer Lebensweise, dem großen Bild der Wanderungsbewegung und, wie sollte es anders sein, den modernen Abbruchkanten: Pestizidwolken, Trockenlegung von Feuchtgebieten, Riesenstaudämme, die Lebensräume vernichten, Klimaerhitzung, Amphibien- und Insektentod.

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Von abgemagert bis fett gefressen

Das Zunichtemachen des nicht-menschlichen Lebens bestürzt im Laufe der Lektüre umso mehr, als Scott Weidensaul sich so wunderbar auf die Schilderung von Details versteht. Streifengänse, die über den Himalaja fliegen, legen den aktivsten Steilflug hin, den es im Vogelreich gibt: Drei Stunden lang gewinnen sie über 1000 Höhenmeter pro Stunde, manche sogar über 3000 – und das ohne jede vorherige Akklimatisierung. Menschliche Bergsteiger müssen Wochen oder Monate in solchen Höhen verbringen, bevor sie an sportliche Leistungen überhaupt denken können.
Oder: Schnepfen und viele andere Vögel wechseln in einem Ausmaß und einer Häufigkeit, denen Menschen niemals auch nur nahekommen, zwischen extremem Fettansatz und Abmagern hin und her. Wenn Vögel sich vor ihren Höchstleistungen teils so fett fressen, dass sie am Boden nur noch torkeln können, gleicht die chemische Zusammensetzung ihres Blutes der eines Menschen mit schwerer Adipositas kurz vor einem Schlaganfall. „Wie Vögel sich vor solchen Folgen schützen, ist bis heute ein Rätsel, aber in der Wissenschaft besteht die Hoffnung, mit Erkenntnissen über die Physiologie der Vögel auch für Menschen neue Therapie- und Vorbeugungsmaßnahmen entwickeln zu können“, berichtet der Autor.

„Möge es immer so bleiben“

Selten zuvor hat ein Buch den Zug unserer gefiederten Geschwister so beeindruckend vor Augen geführt. „Hochachtung“ empfinde er für die Milliarden Vögel, die ihren uralten Rhythmen gehorchen, schreibt Scott Weidensaul.
„Sie finden sich an den verstreuten, bedrängten wilden Orten unserer Welt durch den einfachen Akt des Fliegens zu einem bruchlosen Ganzen zusammen. Möge es immer so bleiben.“
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