Science-Fiction-Roman

Das Mars-Paradoxon

So könnte die erste bemannte Mars-Station auf dem roten Planeten aussehen
So könnte die erste bemannte Mars-Station auf dem roten Planeten aussehen © NASA
Alle wollen hin, aber kein Mensch kann dort leben. Der Mars liegt 225 Millionen Kilometer entfernt. Joe Haldeman schickt eine Siedlergruppe mit einer rebellischen Teenagerin dorthin auf die Reise. In den USA hat der Autor alle namhaften Science-Fiction-Preise gewonnen.
Alle wollen hin, aber kein Mensch kann dort leben. Das ist das Mars-Paradoxon. Die Nasa will auf den roten Planeten, Start-up-Milliardäre, die etwas auf sich halten, und ganz normale Menschen wie du und ich – als Passagiere in den Raumschiffen der Start-up-Milliardäre oder als Bewerber des fragwürdigen niederländischen Shuttle-Programms "Mars One".
Die Einzigen die schon auf dem Mars angelangt sind, sind Autoren wie Joe Haldeman. Der amerikanische Autor, Jahrgang 1943, studierte Physik, bevor er für den Vietnamkrieg eingezogen wurde. In den USA hat er mittlerweile alle namhaften Science-Fiction-Preise gewonnen, jetzt ist sein Roman "Marsbound" – der erste Teil einer Triologie – nach sieben Jahren endlich auf Deutsch erschienen.
Per Weltraumaufzug in den Erdorbit
In "Marsbound" steht die Kolonie bereits. Neuankömmlinge fahren zunächst per Weltraumaufzug in den Erdorbit und fliegen dann mit einem Raumschiff weiter. Zur neuen Siedlergruppe gehört auch die rebellische Teenagerin Carmen, an deren Seite der Leser auf den Mars reist – um mit ihr dort nicht nur auf ein striktes Regime innerhalb der Kolonie, sondern auch auf gleich zwei fremde Zivilisationen zu treffen.
Bei Haldeman ist der Mars Sehnsuchtsort und Todesfalle zugleich – die ultimative Herausforderung der Menschheit: "klar und wundervoll", "hart und seltsam", "Furcht erregend" und tödlich "in einem Atemzug, eine permanente emotionale Überwältigung, die dazu führt, dass Haldemans Mars-Kolonialisten dem eigenen Ende mit einer gewissen Gleichgültigkeit gegenüberstehen.
Warum muss man "Marsbound" lesen?
Science-Fiction-Literatur, in der es um den Mars geht, ist nichts Neues, doch noch nie lagen Fiktion, wissenschaftliche Realität und gesellschaftlicher Ehrgeiz so nah beieinander wie heute. Die Energie für Haldemans Weltraumaufzug zum Beispiel wird kabellos per Laser an das Gefährt übertragen. Eine ganz reale Firma, die genau solche Lösungen anbietet, sitzt heute in Seattle und heißt LaserMotive. Und beim Tech-Treffen SXSW in Austin, Texas im März 2015 sprach Todd May, der Chef des Space Launch System Programs der Nasa über die Mars-Pläne der Organisation, und seine Zuhörer waren begeistert: "Die Generation Internet", schrieb ein Reporter, der für das Magazin "Wired" von der Veranstaltung berichtete, "will ihre eigene Mondlandung – nur eben auf dem Mars".
Der Planet sickert langsam in unser Alltagsdenken ein
Der Mars ist nicht um die Ecke. Der Planet liegt 225 Millionen Kilometer entfernt. Und dennoch sickert der Planet so langsam in unser Alltagsdenken ein. Tesla-Chef Elon Musk lässt zur Zeit genauso an eigenen Raketen und Raumschiffen basteln wie Amazons Jeff Bezos und Virgins Richard Branson, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg: Als Bransons Virgin Galactic bei einem Testflug zerschellte und der Pilot starb, war das tragisch, aber kein Grund, das Rennen zum Mars aufzugeben. Der Imperativ des "höher, schneller, weiter" ist stärker.
"Marsbound" ist keine literarische Fantasie, sondern einfach nur ein Roman, der einen kleinen Schritt weiter in Richtung Zukunft geht. Alles ergibt einen Sinn. So sehr, dass man mit Haldeman ein Bier trinken gehen möchte, um ganz ernsthaft über Marsianer zu fachsimpeln.

Joe Haldeman: "Marsbound"
Aus dem Amerikanischen von Daniel Mayer
Mantikore, Frankfurt am Main 2015
460 Seiten, 13,95 Euro, E-Book: 9,99 Euro

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