Schwimmen

"Es ist nicht unbedingt das Meer"

Ein Mann springt am 16.07.2014 in das Becken im Freibad Volksbad Limmer in Hannover (Niedersachsen).
Das "Nachspiel-Magazin" widmet sich dem Thema Schwimmen. © picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte
Von Ludger Fittkau  · 24.08.2014
Eschersheim - ein "Kleine-Leute"-Viertel im nördlichen Frankfurt am Main. An einem Altarm des Flüsschens Nidda, das sich durch den Stadtteil schlängelt, entstand einst das Freibad. An warmen Sommertagen heute ein beliebter Treffpunkt für kinderreiche Familien.
"Viele können ja gar nicht schwimmen. Und die Eltern lassen die ohne mit der Wimper zu zucken ins tiefe Wasser hinein und die Bademeister müssen sie dann wieder herausholen. Wir haben auch schon zweimal Kinder herausgeholt. Die Eltern sind irgendwo am Tratschen und die Kleinen marschieren da schnurstraks da rein."
Dass Lore Klapp Stammgast im Freibad Eschersheim ist, ist nicht zu übersehen. Ihr athletischer Körper ist nahtlos braun gebrannt - wo Wasser ist, müsse sie sofort rein, sagt sie. Jetzt ruht die Rentnerin entspannt auf ihrer Liege am Rande des Schwimmerbeckens. Immer mal wieder springt sie jedoch auf und fischt Kinder aus dem tiefen Wasser. Lore Klapp macht sich schon länger Gedanken darüber, warum im Frankfurter Freibad so viele nicht schwimmen können:
"Ich denke, dass das am Geld liegt. Dass die Kinder nicht schwimmen lernen. Ab und zu ist ein Schwimmlehrer da, der schwimmt da ab und zu. Aber meistens sind sie ja in den Hallenbädern, mit Schwimmkursen. Es liegt am Geld. Weil alles teuer ist und die Eltern haben es ja nicht mehr so von der Arbeit her und und und ... "
Schon seit langem ist bundesweit bekannt, dass es Kinder aus armen Familien schwerer haben als andere, Schwimmen zu lernen. Das merkt auch Bademeister Mark Reibelung im Freibad in Frankfurt am Main. Doch es gibt auch überraschende Erfahrungen im Schwimmerbecken:
"Zum Beispiel haben wir letztens ein kleines Mädchen hier gehabt, die sah von weitem gar nicht so aus, als würde sie jetzt Schwimmen können. Sie ist dann auch eigentlich ohne zu fragen ins Schwimmerbecken gegangen. Da waren wir dann auch erst mal hellhörig und haben dann nachgeguckt. Und las wir sie dann aufgefordert haben, uns was vor zu schwimmen, um sicher zu gehen - da hat die dann mit einem Affenzahn zugelegt und da standen wir definitiv mit großen Augen da. Und haben dann auch gesagt, sie müsste eigentlich in den Schwimmverein, damit sie dort gefördert wird. Da gibt es schon Überraschungen, viele, ja. Unser Rekord lag letztes Jahr bei 12.500. Dann ist aber die Grenze der Kapazität erreicht, dann passt hier keine mehr rein. Aber dann ist hier ganz schön was los, dann sieht man keine Wiese mehr."
Bademeister Mark Reibelung wäre froh gewesen, wenn er in den vergangenen vierzehn Tagen sein Freibad in Frankfurt am Main mal voll gehabt hätte. Das Wetter spielte jedoch nicht mit. Zwar sind in Hessen noch Schulferien. Und das Freibad Eschersheim liegt nicht weit weg von Sozialwohnungssiedlungen mit kinderreichen Familien.
"Da gibt es Einrichtungen, die kümmern sich dann in den Sommerferien um die kleinen Kinder. Die können dann dort ihre Zeit verbringen und die machen dann immer auch ihre Ausflüge hier her und sind dann auch immer ganz glücklich, ja."
Macho-Gehabe der männlichen Heranwachsenden
Seit fünf Jahren ist Mark Reibelung "Fachangestellter für Bäderbetriebe" in Frankfurt am Main. Groß geworden ist er ganz in der Nähe des Freibades Eschersheim, wo er im Sommer als Schichtleiter arbeitet. Dass er das Milieu kennt hilft dem Bademeister, mit dem Macho-Gehabe klar zu kommen, das männliche Heranwachsende im Freibad gerne an den Tag legen:
"Mehr oder weniger die kleinen Mädels - das die Jungs sich da ein bisschen beweisen wollen und den Max machen, sage ich jetzt mal. Und dann müssen wir den Jungs sagen - jetzt mal ein bisschen lockerer. Die wissen aber dann auch schon, was wir meinen. Und ansonsten, ja die Älteren. Da gibt es immer mal ein paar Auseinandersetzungen. Die probieren wir so schnell wie möglich zu schlichten. Dass so großartige Fälle hier stattfinden, kann ich jetzt nicht behaupten. Da sind wir direkt hinterher. Und wenn sich die Leute nicht benehmen können, dann müssen sie halt wieder gehen. Aber solange noch alles mit Worten geklärt werden kann, ist das überhaupt kein Problem."
Junge: "Es macht total Spaß, es ist abkühlend, man kann sich die Zeit vertreiben."
Rentnerin: "Es ist wunderschön und wir können uns den ganzen Tag aufhalten, wenn es schön ist. Als Rentner sowieso."
Junge Frau: "Es war schon als Kind eines meiner Lieblingsschwimmbäder, wegen der breiten Rutsche und dem schönen, eiskalten Wasser."
Junge: "Die Rutsche, dass die so breit ist und so ... "
Die Rutsche im Freibad Eschersheim ist keine Röhre, sondern ein gut zwanzig Meter breiter, künstlicher Wasserfall, den man auf dem Hosenboden herunterschlittern kann. Schon optisch die Hauptattraktion des Bades. Für Mark Reibelung ist sie ein Schlüssel dafür, dass er in den Sommerferien vielen Kindern aus armen Familien das fehlende Strandvergnügen ein wenig ersetzen kann:
"Ja, auf jeden Fall. Es gehört zu den Freizeitaktivitäten, die noch nicht so teuer sind. Die sich auch definitiv jedermann leisten kann. Und wenn das Wetter mitspielt, dann freuen sich die kleinen Kinder. Das ist ein sehr wichtiger Faktor im Sommer, dass sie auf jeden Fall ein Bad haben. Es ist nicht unbedingt ein Meer. Aber wir bemühen uns hier schon, ein wenig Urlaubsfeeling herzustellen und den Kindern auch hier schöne Ferien zu ermöglichen. Definitiv ja."
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