"Schwierige Voraussetzungen"

Friedolin Strack im Gespräch mit Ute Welty |
Vor allem bei Umweltauflagen sind die Wettbewerbsbedingungen für deutsche und chinesische Unternehmen nicht gleich, sagt Friedolin Strack. Der Geschäftsführer des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, hofft auf einen Kurswechsel Chinas beim Umgang mit ausländischen Unternehmen.
Ute Welty: Wenn sich heute der Geologe und die Physikerin treffen, dann gilt ihr gemeinsames Interesse dem Export. China und Deutschland sind beides Länder, deren Wirtschaft vom Export abhängig ist, und aus keinem Land der Welt importiert Deutschland so viele Waren wie aus China. Der chinesische Ministerpräsident und die deutsche Kanzlerin werden aber auch über den Klimaschutz zu sprechen haben, denn in Tianjin, in Nordchina, laufen die letzten Vorbereitungsgespräche vor dem nächsten Klimagipfel. Und China ist inzwischen nicht nur Exportweltmeister, sondern auch die traurige Nummer eins unter den CO2-Produzenten. Was bedeutet das alles für die deutsche Wirtschaft? Darüber spreche ich jetzt mit Friedolin Strack, dem Geschäftsführer des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft. Guten Morgen, Herr Strack!

Friedolin Strack: Guten Morgen, Frau Welty!

Welty: Wen sehen Sie eher als Bedrohung: den Exportweltmeister China oder den weltgrößten CO2-Produzenten China?

Strack: Na ja also, ich bin ja immer geneigt, China etwas in Schutz zu nehmen und die Zahlen etwas zu relativieren. Wenn wir zum Beispiel den CO2-Ausstoß pro Kopf nehmen, dann liegen die USA deutlich über 1000 Tonnen pro Einwohner und Jahr, Europa liegt irgendwo bei 800 und China ungefähr bei 70. Also das zeigt ein bisschen die Richtung der Debatte. China ist aufgestoßen oder hat sich entwickelt als eines der Länder, die eben jetzt auch industrialisieren und damit eben hohe Verschmutzung verursachen; gleichzeitig muss man aber auch klar sagen: So wie das Niveau von Umweltverschmutzung ist in den Industrieländern, da ist China noch lange noch nicht.

Welty: Trotzdem hat China ja einen unglaublich schlechten Ruf, es eben mit den Klima- und Umweltschutzvorgaben nicht allzu genau zu nehmen. Deckt sich das mit Ihrer Erfahrung? Sie haben ja eben schon versucht, den, sozusagen den Titel des CO2-Produzenten ein bisschen zu relativieren.

Strack: Ja das deckt sich mit Sicherheit. Wobei unsere Erfahrung auch ist: China unternimmt gigantische Anstrengungen, um nicht dieselben Fehler zu machen, die die westlichen Industriestaaten in den 50er- und 60er-Jahren gemacht haben. Also China wie auch viele andere Schwellenländer versuchen, wirklich einen qualitativen Sprung in der Industrie zu machen und eine jahrelange Verschmutzung ihrer Umwelt von vornherein zu vermeiden. Aber in der Tat, wir machen die Erfahrung: Das, was die Zentralregierung in Peking an Vorgaben gibt, wird häufig nicht so sehr umgesetzt in den Provinzen, in den Gemeinden, und häufig machen unsere Firmen die Erfahrung, dass sie bei den Umweltauflagen gegängelt werden, während ihre chinesischen Wettbewerber häufig ohne weitere Prüfungen davonkommen.

Welty: Was heißt das konkret?

Strack: Das heißt konkret, dass wir von vielen Firmen hören, dass die wirklich zum Teil guten Umweltauflagen Chinas, dass die für chinesische Firmen im Land selber häufig nicht eingehalten werden, und für unsere Firmen sind das natürlich also schwierige Voraussetzungen. Weil Firmen wollen immer operieren unter gleichen Wettbewerbsbedingungen, möglichst sogar gleiche zwischen Europa und China. Die haben wir natürlich nicht, aber dann sollten die wenigstens innerhalb des Landes gleich sein. Es geht nicht, wenn wir in Deutschland oder Europa Regelungen haben, dass die unterschiedlich angewendet werden für ausländische und inländische Firmen. Und das haben wir in China doch häufiger.

Welty: China hat versprochen, bis 2020 den Ausstoß von CO2 um 40 Prozent zu verringern. Inwieweit ist dieses Versprechen auch für Deutschland von wirtschaftlichem Interesse? Denn Maßnahmen gegen den CO2-Ausstoß bedeuten ja auch immer Investitionen.

Strack: Ja, die Tatsache, dass China beim Klimaschutz so energisch agiert, ist mit Sicherheit einer der Faktoren, weshalb die deutsche Industrie in China so gut verkauft. Wir sind, technologisch sind wir bei vielen Produkten führend. Wir sind zum Beispiel bei Maschinen und Anlagen, die mit niedrigem Energieverbrauch zurechtkommen, die besonders ressourcenarm arbeiten, wo geringe Rohstoffmengen nur zum Einsatz kommen müssen, da sind wir sehr gut, und das wissen die Chinesen und kaufen gerade in diesen Sparten von uns sehr viel ein.

Welty: Und inwieweit könnte eine Kanzlerin Merkel da hilfreich sein? Was würden Sie sich von ihr wünschen für das Gespräch heute mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao?

Strack: Also wir wünschen uns von der Kanzlerin insbesondere, dass sie einen Punkt noch mal unterstreicht: Wir haben, in vielen Fällen sind deutsche Firmen gezwungen Technologie mit chinesischen Partnern zu teilen, um dort in den Markt reinzukommen, teilweise auch bei Umwelttechnologie, bei öffentlichen Aufträgen. Und da wünschen wir uns von der chinesischen Regierung und auch die Unterstützung der Kanzlerin dafür, dass China hier seine Politik etwas umsteuert. Das ist ein wichtiger Punkt. Ansonsten wünschen wir uns wie viele andere auch: Wir müssen beim Klimaschutz einen gemeinsamen Nenner finden, weil Klima können wir nur gemeinsam lösen. Das ist ein globales Problem, und nur wenn es gelingt, dass sich alle wirklich in diesem einen Boot auch fühlen und merken, wir müssen gemeinsam was tun, dann können wir dort was erreichen.

Welty: Ist die deutsche Regierung da energisch genug?

Strack: Na ja, aus unserer Sicht ja häufig zu energisch, weil wir wollen nicht ein Vorreiter sein. Ich habe das ja schon vorhin gesagt: Aus Sicht der Firmen ist es immer am günstigsten, wenn man gleiche Bedingungen hat, und wir sind ja, in Europa sind wir ja schon sehr, sehr weit in Vorleistung gegangen in einem Maße, wo unsere Industrie sagt, es reicht jetzt mit In-Vorleistung-Gehen, jetzt müssen wir international abgestimmt marschieren, jetzt brauchen wir gemeinsame Beschlüsse in Cancún, bevor wir Europäer noch mal weitere Schritte machen, die uns eben auch viel kosten.

Welty: Friedolin Strack, der Geschäftsführer des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, ich danke Ihnen für das Gespräch in Deutschlandradio Kultur!

Strack: Vielen Dank!